Subscribe to RSS
DOI: 10.1055/s-0028-1098845
© Georg Thieme Verlag Stuttgart ˙ New York
Raumkonstruktion beim Cybersex
Publication History
Publication Date:
24 March 2009 (online)

Übersicht:
Der Autor betrachtet das Internet nicht – wie so häufig – als ein gefährliches Medium, sondern aus raumsoziologischer Perspektive als ein Ergebnis sozialer Praxis. Beim Cybersex, so seine These, lassen sich zwei unterschiedliche Arten der Raumkonstruktion beobachten, die die sexuellen Erfahrungen und die Körpererfahrungen der Beteiligten maßgeblich prägen. Ausgehend von seiner Analyse 20 qualitativer Interviews arbeitet er diese beiden Raumformen heraus und zeigt, weshalb sich virtuelle Räume nicht klar von realweltlichen Räumen abgrenzen lassen und weshalb virtuelle Räume niemals körperlose Räume sind. Abschließend diskutiert er das emanzipatorische Potenzial von Internetsexualität entlang der neuen räumlichen Kategorien.
Schlüsselwörter:
Cybersex - Heterotopie - Internet - Körper in virtuellen Räumen - Raumkonstruktion - Utopie
Literatur
1 Gerade mit Blick auf Sexualität im Internet existieren zudem empirische Untersuchungen, die belegen, dass ein Teil der im Internet angebahnten sexuellen Kontakte auch auf realweltliche sexuelle Begegnungen hinaus läuft (vgl. zusammenfassend Döring 2008: 304 ff.).
2 Eine Einführung in Grundelemente sozialwissenschaftlicher Praxistheorien findet sich bei Reckwitz (2003).
3 Gerade die Mitte der 1990er-Jahre wegen ihres vermeintlich emanzipatorischen Potenzials gepriesene Möglichkeit zum virtuellen Geschlechtertausch im textbasierten Chat („Genderswapping“; vgl. z. B. Turkle 1995) wird allerdings, wie Cooper et al. (1999) zeigen, von den wenigsten Usern tatsächlich genutzt.
4 Aus diesem Grund erscheint es unglücklich, bei der empirischen Untersuchung von Cybersex verschiedene Übertragungsdienste miteinander zu vergleichen. Denn wie diese Dienste genutzt werden und welche Wirkungen sie entfalten, hängt maßgeblich von der jeweiligen Raumkonstruktion und damit u.a. von den Syntheseleistungen der User ab. Mit den vorliegenden qualitativen Daten kann gleichwohl keine Aussage über die Häufigkeit utopischer bzw. heterotopischer Raumkonstruktionen bei Verwendung der verschiedenen Internetdienste getroffen werden.
5 Andreas Reckwitz zufolge richtet sich die Frage nach dem Subjekt darauf, welche spezifische kulturelle Form „die Einzelnen in einem bestimmten historischen und sozialen Kontext annehmen, um zu einem vollwertigen Leben zu werden. [… Sie] zielt darauf ab herauszufinden, welches Know-how und welche Wunschstrukturen, welche körperlichen Routinen und welches Selbstverständnis, welche Abgrenzungsformen nach außen und welche Kompetenzen, welche psychisch-affektiven Orientierungen und Instabilitäten der einzelne ausbildet, um jener ‚Mensch‘ zu werden, den die jeweiligen gesellschaftlichen Ordnungen voraussetzen“ (2008: 9 f.).
- 1 Ahrens D. Die Ausbildung hybrider Raumstrukturen am Beispiel technosozialer Zusatzräume. In: Funken C, Löw M, Hrsg. Raum – Zeit – Medialität. Opladen: Leske + Budrich; 2003
MissingFormLabel
- 2 Angerer M L , Hrsg. The body of gender. Körper. Geschlechter. Identitäten. Wien: Passagen-Verlag; 1995
MissingFormLabel
- 3 Butler J. Körper von Gewicht. Die diskursiven Grenzen des Geschlechts. Berlin: Berlin Verlag; 1995
MissingFormLabel
- 4 Butler J. Performativity’s social magic. In: Shusterman R, Hrsg. Bourdieu. A critical reader. Oxford, Malden: Blackwell Publishers;
1999: 113–128
MissingFormLabel
- 5 Castells M. Space of Flows – Raum der Ströme. Eine Theorie des Raumes in der Informationsgesellschaft. In: Noller P, Ronneberger K, Prigge W, Hrsg. Stadt – Welt. Über die Globalisierung
städtischer Milieus. Frankfurt / M., New York: Campus; 1994: 120–135
MissingFormLabel
- 6 Cooper A, Scherer C, Boies S C et al. Sexuality on the Internet: From sexual exploration to pathological expression. Prof Psych Res Pract. 1999; 30 154-164
- 7 Dannecker M. Erosion der HIV-Prävention?. Z Sexualforsch. 2002; 15 58-64
- 8 Dekker A. Sexualität und Beziehungen in realen und virtuellen Räumen. Z Sexualforsch. 2003; 16 285-298
- 9 Dekker A. Körper und Geschlechter in virtuellen Räumen. In: Hill A, Richter-Appelt H, Hrsg. Geschlecht zwischen Spiel und Zwang. Gießen: Psychosozial;
2004: 209–224
MissingFormLabel
- 10 Denzin N K. The research act. Chicago: Aldine; 1970
MissingFormLabel
- 11 Döring N. Cybersex – Formen und Bedeutungen computervermittelter sexueller Interaktionen. In: Hill A, Richter-Appelt H, Hrsg. Geschlecht zwischen Spiel und Zwang. Gießen: Psychosozial;
2004: 177–207
MissingFormLabel
- 12 Döring N. Sexualität im Internet. Ein aktueller Forschungsüberblick. Z Sexualforsch. 2008; 21 291-318
- 13 Esposito E. Illusion und Virtualität: Kommunikative Veränderungen der Fiktion. In: Rammert W, Hrsg. Soziologie und künstliche Intelligenz. Produkte und Probleme
einer Hochtechnologie. Frankfurt / M.: Campus; 1995: 187–216
MissingFormLabel
- 14 Foucault M. Andere Räume. Typoskript eines Vortrages am Cercle d’Etudes Architecturales, Paris,
14. März 1967. In: Barck K, Gente P, Paris H, Richter S, Hrsg. Aisthesis. Wahrnehmung heute oder
Perspektiven einer anderen Ästhetik. Leipzig: Reclam Leipzig; 1990: 34–46
MissingFormLabel
- 15 Foucault M. Die Heterotopien. In: Foucault M. Die Heterotopien. Der utopische Körper. Zwei Radiovorträge. Frankfurt / M.:
Suhrkamp; 2005: 9–36
MissingFormLabel
- 16 Funken C. Der Körper im Internet. In: Schroer M, Hrsg. Soziologie des Körpers. Frankfurt / M.: Suhrkamp; 2005: 215–240
MissingFormLabel
- 17 Funken C. Körper Online?. In: Hahn K, Meuser M, Hrsg. Körperrepräsentationen. Die Ordnung des Sozialen und der
Körper. Konstanz: UVK; 2002: 261–278
MissingFormLabel
- 18 Funken C, Löw M. Ego-Shooters Container. Raumkonstruktionen im elektronischen Netz. In: Maresch R, Werber N, Hrsg. Raum, Wissen, Macht. Frankfurt / M.: Suhrkamp; 2002:
69–91
MissingFormLabel
- 19 Glaser B G, Strauss A L. Grounded theory: Strategien qualitativer Forschung. Bern: Huber; 1998
MissingFormLabel
- 20 Heintz B. Gemeinschaft ohne Nähe? Virtuelle Gruppen und reale Netze. In: Thiedeke U, Hrsg. Virtuelle Gruppen. Charakteristika und Problemdimensionen. Wiesbaden:
Westdeutscher Verlag; 2000: 188–218
MissingFormLabel
- 21 Klein G, Friedrich M. Is this real? Die Kultur des HipHop. Frankfurt / M.: Suhrkamp; 2003
MissingFormLabel
- 22 Krämer S. Verschwindet der Körper? Ein Kommentar zu computererzeugten Räumen. In: Maresch R, Werber N, Hrsg. Raum, Wissen, Macht. Frankfurt / M.: Suhrkamp; 2002:
49–68
MissingFormLabel
- 23 Läpple D. Essay über den Raum. Für ein gesellschaftswissenschaftliches Raumkonzept. In: Häußermann H. Stadt und Raum. Pfaffenweiler: Centaurus; 1991: 157–207
MissingFormLabel
- 24 Löw M. Raumsoziologie. Frankfurt / M.: Suhrkamp; 2001
MissingFormLabel
- 25 Paetau M. Sozialität in virtuellen Räumen?. In: Becker B, Paetau M, Hrsg. Virtualisierung des Sozialen. Die Informationsgesellschaft
zwischen Fragmentierung und Globalisierung. Frankfurt / M., New York: Campus; 1997:
103–134
MissingFormLabel
- 26 Reckwitz A. Grundelemente einer Theorie sozialer Praktiken. Eine sozialtheoretische Perspektive. Z Soz. 2003; 32 282-301
- 27 Reckwitz A. Subjekt. Bielefeld: Transcript; 2008
MissingFormLabel
- 28 Schroer M. Raumgrenzen in Bewegung. Zur Interpenetration realer und virtueller Räume. In: Funken C, Löw M, Hrsg. Raum, Zeit, Medialität. Opladen: Leske + Budrich; 2003:
217–236
MissingFormLabel
- 29 Schroer M. Räume, Orte, Grenzen. Auf dem Weg zu einer Soziologie des Raums. Frankfurt / M.: Suhrkamp; 2006
MissingFormLabel
- 30 Strauss A, Corbin J. Grounded theory: Grundlagen qualitativer Sozialforschung. Weinheim: Beltz, Psychologie Verlags Union; 1996
MissingFormLabel
- 31 Sturm G. Der virtuelle Raum als Double – oder: Zur Persistenz hierarchischer Gesellschaftsstruktur
im Netz. In: Funken C, Löw M, Hrsg. Raum, Zeit, Medialität. Opladen: Leske + Budrich; 2003:
237–254
MissingFormLabel
- 32 Tervooren A. Körper, Inszenierung und Geschlecht. Judith Butlers Konzept der Performativität. In: Wulf C, Göhlich M, Zirfas J, Hrsg. Grundlagen des Performativen. Eine Einführung
in die Zusammenhänge von Sprache, Macht und Handeln. Weinheim, Müchen: Juventa; 2001:
157–180
MissingFormLabel
- 33 Turkle S. Life on the Screen. Identity in the Age of the Internet. New York: Simon & Schuster; 1995
MissingFormLabel
A. Dekker
Institut für Sexualforschung und Forensische Psychiatrie · Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf
Martinistr. 52
20246 Hamburg
Email: dekker@uke.uni-hamburg.de