Dialyse aktuell 2008; 12(7): 412
DOI: 10.1055/s-0028-1100477
Kongresse

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Immunsuppression nach Nierentransplantation - Neue Strategien

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Publication Date:
22 October 2008 (online)

 
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Prof. Klemens Budde und Dr. Manuela Schütz, Charité Campus Mitte, Berlin, diskutieten im Rahmen des diesjährigen Nephrologenkongresses aktuelle Aspekte der Immunsuppresion nach Nierentransplantation.

Die Nierentransplantation ist die beste Therapieoption zur Behandlung der terminalen Niereninsuffizienz. Aufgrund des eklatanten Mangels an Spenderorganen wird eine steigende Anzahl von Transplantationen mit sogenannten "marginalen" Organen durchgeführt, die wiederum neue Herausforderungen an die Transplantationsmediziner mit sich bringen. Zudem werden die Empfänger älter und haben multiple Vorerkrankungen, häufig bedingt durch die lange Wartezeit. Da die Wartezeit der wichtigste modifizierbare Risikofaktor für den langfristigen Transplantationserfolg darstellt, muss als wichtigste Strategie die Erhöhung der Spenderzahlen auch weiterhin im Vordergrund stehen, unter anderem auch durch Förderung der Lebendspende.

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Ziel der immunsuppressiven Therapie

Ziel der immunsuppressiven Therapie ist die Prophylaxe akuter und chronischer Abstoßungsreaktionen. Gleichzeitig sollte die Nebenwirkungsrate möglichst niedrig sein. Neben einer unspezifischen Überimmunsuppression, wie etwa Infektanfälligkeit und das Auftreten von Malignomen, haben die verschiedenen Immunsuppressiva auch substanzspezifische Nebenwirkungen. Diese wiederum sind häufig Risikofaktoren für den frühzeitigen Transplantatverlust oder eine erhöhte Morbidität und Mortalität, wie zum Beispiel Nephrotoxizität, Diabetes mellitus, arterielle Hypertonie und Hyperlipidämie. Die Einführung neuer Immunsuppressiva (z. B. der mTOR-Inhibitoren Sirolimus und Everolimus, des Co-Stimulationsblockers Belatacept, des Proteinkinase C-Inhibitors AEB071 oder des JAK-Inhibitors CP690) bietet die Möglichkeit einer stärker individualisierten immunsuppressiven Kombinationstherapie. Gleichzeitig sollten die neuen Substanzen ein günstigeres Nebenwirkungsprofil aufweisen als die bisher eingesetzten Immunsuppressiva.

Neben einer Verbesserung des Transplantatüberlebens haben zukünftige immunsuppressive Behandlungsstrategien durch Berücksichtigung von Begleiterkrankungen ein verbessertes Patientenüberleben zum Ziel. Welches Immunsuppressivum zum Einsatz kommt, hängt somit in Zukunft nicht nur von immunologischen Gesichtspunkten, sondern auch vom Risikoprofil des Spenderorgans und den Vorerkrankungen des Empfängers ab.

Die Immunsuppression in der Initialphase wird sich in Zukunft deutlich von der immunsuppressiven Therapie im Langzeitverlauf unterscheiden. Während früher die Immunsuppression für alle Patienten gleich war und während der Lebensdauer des Transplantates kaum modifiziert wurde, kann heute aufgrund der Einführung neuer Immunsuppressiva versucht werden, eine stadiengerechte Therapiestrategie durchzuführen. Vor allem für die Erhaltungstherapie gilt es, eine optimal adaptierte Immunsuppresion anzustreben, unter anderem durch den Wechsel von einer herkömmlichen 3-fach-Immunsuppression auf eine niedrig dosierte 2-fach-Immunsuppression. Im langfristigen Verlauf spielt bei der Auswahl immunsuppressiver Strategien zudem die Vermeidung einer Überimmunsuppression (Tumoren, opportunistische Infekte), die Reduktion kardiovaskulärer Risikofaktoren und insbesondere die Vermeidung der Nephrotoxizität eine zunehmende Rolle.

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Beeinflussung der chronischen Transplantatdysfunktion

Eine weitere Herausforderung bei der Entwicklung neuer Immunsuppressiva stellt die Beeinflussung der chronischen Transplantatdysfunktion dar. Erschwerend wirkt sich hierbei die mangelnde Kenntnis der vielfältigen und komplexen Mechanismen, die bei der Entstehung einer chronischen Transplantatdysfunktion eine Rolle spielen, aus. Von einer effektiven Behandlungsstrategie ist man noch weit entfernt, es müssen neue Wege der Diagnostik und Therapie erprobt werden. Die Identifizierung der chronischen Nephrotoxizität der Calcineurinhemmer als mögliche Ursache der stagnierenden Langzeitergebnisse hat dazu geführt, dass derzeit mehrere immunsuppressive Protokolle zur Reduktion oder Elimination der Calcineurinhemmer untersucht werden. Durch die Entwicklung neuer Therapiestrategien mit Belatacept, AEB071, Mycophenolat oder den mTOR-Inhibitoren wünscht man sich in den nächsten Jahren einen Durchbruch hinsichtlich einer effektiven Rejektionsprophylaxe mit einer deutlich reduzierten Nephrotoxizität. Für mTOR-Inhibitoren und Mycophenolat liegen Daten über die Sicherheit, Verträglichkeit und Effektivität einer langfristigen CNI-freien Immunsuppression vor, sodass bei nachgewiesener CNI-Toxizität eine Umstellung empfehlenswert ist. Neben der nephrotoxizitätsfreien Therapie muss im Hinblick auf die erhöhte kardiovaskuläre Morbidität und Mortalität zudem eine steroidfreie Erhaltungstherapie das Ziel sein.

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Entwicklung von eindeutigen Leitlinien

Bereits heute versucht man, diesen Anforderungen an eine individualisierte Immunsuppression gerecht zu werden. So wird bei Auftreten spezifischer Nebenwirkungen eine Umstellung des immunsuppressiven Therapieprotokolls in Betracht gezogen. Allerdings sollte jede Umstellung des immunsuppressiven Protokolls mit all seinen Risiken gut durchdacht sein. Um eine Beliebigkeit in immunsuppressiven Protokollen zu vermeiden, ist die Entwicklung von eindeutigen Leitlinien in Zukunft notwendig. Ziel ist es, eine rational begründete, jedoch individuell angepasste medikamentöse Behandlungsstrategie für den nierentransplantierten Patienten zu entwickeln. Zum Erreichen dieses Zieles ist nicht nur in der Initialphase, sondern gerade auch in der Erhaltungsphase, die klinische Prüfung von neuen Therapieprotokollen auch in Zukunft dringend erforderlich.

Prof. Dr. Klemens Budde und

Dr. Manuela Schütz, Berlin

Dieser Text erschien zuerst im Current Congress zum 39. Kongress der Gesellschaft für Nephrologie sowie der 41. Jahrestagung der Deutschen Arbeitsgemeinschaft für Klinische Nephrologie