Dialyse aktuell 2008; 12(7): 450-452
DOI: 10.1055/s-0028-1101403
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Integriertes Anämie Management - Der ANITHA-Navigator - Eine neue Diagnosehilfe bei EPO-Hyporespons

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Publication Date:
22 October 2008 (online)

 
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Die renale Anämie ist eine spezifische und nahezu unvermeidliche Folge der chronischen Niereninsuffizienz (CKD, "chronic kidney disease"). Die Prävalenz der Nierenerkrankung im Endstadium nimmt weltweit zu. Aufgrund der dadurch hervorgerufenen Belastung des Gesundheitswesens besteht die Notwendigkeit, das Bewusstsein für diese Erkrankung zu schärfen und eine frühe Diagnose und Behandlung zu forcieren.

Eine frühzeitige Therapie bietet eine Vielzahl von Vorteilen und kann den Gesundheitszustand der Patienten signifikant verbessern. Dies gilt vor allem im Hinblick auf die Reduktion des Risikos einer Herz-Kreislauf-Erkrankung, die Reduzierung von Krankenhausaufenthalten und die daraus entstehenden Behandlungskosten sowie die Minderung der Mortalitätsrate.

Nach den Europäischen Richtlinien sollten CKD-Patienten mit erythropoesestimulierenden Agenzien (ESA) wie Erythropoetin (EPO) behandelt werden, wenn der Hämoglobinwert (Hb-Wert) anhaltend unter 11 g/dl liegt. Die Therapieziele bestehen dabei in der Korrektur des Hb-Wertes auf ein Niveau innerhalb des von den Behandlungsleitlinien empfohlenen Zielbereichs und der langfristigen Erhaltung dieser Hb-Konzentration.

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Rationeller EPO-Einsatz durch ANITHA

Die EPO-Hyporespons ist ein häufiges Phänomen in der Therapie der renalen Anämie. Sie zeichnet sich dadurch aus, dass trotz teilweise hoher EPO-Dosen (> 20 000 U/Woche) der empfohlene Hb-Wert nicht erreicht oder dauerhaft im empfohlenen Zielbereich zwischen 11 und 12 g/dl gehalten werden kann. Dies geht nicht nur mit einem erhöhten kardiovaskulären Risiko und einer erhöhten Gesamtmortalität [1], sondern auch mit immensen Kosten einher. Die Ursachen der EPO-Hyporespons sind komplex und von interdisziplinärer Genese.

In Zusammenarbeit mit einem Expertenteam, der Firma MEDICE und dem Georg Thieme Verlag wurde ein therapeutisches Diagnosetool für die Ursachenforschung bei EPO-Hyporespons entwickelt: der ANITHA-Navigator (ANämIe-THerApie). Die Anwendung erfolgt komplett online, sodass keine Installation von Software auf dem eigenen Computer notwendig ist.

ANITHA ist interdisziplinär ausgerichtet und bildet die vielfältigen Ursachen der EPO-Resistenz ab, ohne den Anwender mit komplizierten Eingabemasken oder Entscheidungswegen zu verwirren. Die Anmeldung erfolgt lediglich über das DocCheck-Passwort und ohne gesonderte Registrierung.

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Wie funktioniert ANITHA?

Durch die Auswahl der relevanten Laborparameter oder Behandlungsbeobachtungen wird der Arzt Schritt für Schritt durch den Therapiealgorithmus geführt. Auf die detaillierte Eingabe der Parameter wird weitgehend verzichtet, um den Navigator so anwendungsfreundlich und alltagstauglich wie möglich zu gestalten. Die einzelnen Auswahlmöglichkeiten werden jeweils durch die Experten kommentiert, sodass der Arzt die Logik der Behandlungsstrategie nachvollziehen kann.

ANITHA geht zu Beginn von einer erhöhten EPO-Dosis aus und verwendet in den ersten Schritten die gängigen Parameter der Anämiediagnostik, des Eisenstoffwechsels und das C-reaktive Protein (CRP) als Entzündungsmarker. Im späteren Verlauf und beim Versagen der Basistherapien verzweigt sich der Algorithmus bis hin zu Ursachen wie etwa myeloproliferativen oder myelodysplastischen Erkrankungen oder der Schilddrüsendysfunktion. ANITHA entwickelt so einen rationellen Pfad, um eine EPO-Resistenz abzuklären bzw. eine adäquate Therapie vorzuschlagen.

Durch die Auswahl der Parameter wird der Arzt bei der Diagnose schnell und übersichtlich durch die verschiedenen und komplexen Ursachenebenen geleitet. Die einzelnen Entscheidungen werden parallel in der Patientenhistorie dokumentiert, die sich der Anwender für seine Akten (z. B. zur späteren Nachverfolgung) ausdrucken kann.

Der Navigator ist auf dem Internetportal "Integriertes Anämie Management" unter www.anaemie-therapie.de oder www.anitha.de frei verfügbar (Abb. [1]).

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Abb. 1 Der ANITHA-Navigator

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Integriertes Anämie Management als Basis einer effektiven Therapie

Das Internetportal "Integriertes Anämie Management" soll dem Arzt eine Hilfestellung bei der Behandlung der renalen Anämie sein. Durch die kontinuierliche Überarbeitung und Erweiterung des Portals sowie die systematische Anpassung des ANITHA-Navigators an die aktuellen Erkenntnisse aus Forschung und Praxis steht dem Arzt ein verlässliches Werkzeug beim integrierten Anämiemanagement zur Seite. Dies umfasst nicht nur den Navigator, sondern auch detaillierte Informationen zu den Hauptproblemstellungen bei chronischer Niereninsuffizienz, die einen Einfluss auf das Therapieergebnis haben. Von besonderer Bedeutung ist hier der Eisenmangel, da er zu den häufigsten Ursachen der renalen Anämie gehört und ein adäquates Ansprechen auf eine EPO-Gabe verhindert.

Im Rahmen der Diagnostik ist jedoch die alleinige Bestimmung des Hb-Wertes unzureichend, da dieser nicht den aktuellen Eisenstatus widerspiegelt. Ein weitaus verlässlicherer Parameter ist das Serumferritin (Eisenspeicher). Ab einem Wert unterhalb von 30 µg/l liegt ein absoluter Eisenmangel vor und die Erythropoese ist eisendefizitär. In diesem Fall ist eine Eisensupplementierung indiziert, um die hämatopoietische Respons auf EPO zu steigern.

Eine weitere Ursache für ein vermindertes Ansprechen auf endogenes und exogenes EPO ist der funktionelle Eisenmangel. Hier kommt es aufgrund von Entzündungsprozessen zu einer Hochregulierung proinflammatorischer Zytokine (C-reaktives Protein, Interferon-γ, Tumor-Nekrose-Faktor-α, Interleukin-6), die hepcidinvermittelt die intestinale Eisenresorption und die Freisetzung von Eisen aus den Zellen des retikuloendothelialen Systems hemmen. Da Ferritin wie das CRP zu den Akutphaseproteinen gehört, wird dringend empfohlen, bei einer vorliegenden renalen Anämie mit erhöhtem Ferritin den CRP-Wert zu bestimmen, um Entzündungen als EPO-Resistenzursache und einen maskierten Eisenmangel auszuschließen.

Von hoher Bedeutung für den Therapieerfolg sind neben dem Eisenstatus auch die Hyperphosphatämie und die Metabolische Azidose. Beide Prozesse sind häufig mit der CKD assoziiert und vermindern die Sauerstoffaffinität des Hämoglobins, was eine erhöhte Sauerstoffversorgung des Gewebes zur Folge hat. Trotz anämischer Hb-Werte kommt es in solchen Fällen zu einer Herunterregulierung der EPO-Rezeptor-Produktion und somit zu einem verminderten Ansprechen auf EPO.

Für eine effektive Anämiekorrektur ist also eine integrierte Betrachtung von Laborparametern auf zahlreichen Ebenen unerlässlich. Auf diese Weise verbessert sich die Lebensqualität der Patienten und die Kosten können durch einen rationellen EPO-Einsatz gesenkt werden.

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Folgende Faktoren können eine Anämie verstärken bzw. die Wirksamkeit der ESA-Therapie vermindern

  • funktioneller oder absoluter Eisenmangel

  • Inflammation, Infektion

  • Mangelernährung

  • inadäquate Dialyse

  • zusätzliche Erkrankungen (z. B. Diabetes mellitus, Malignome, HIV)

  • chronischer Blutverlust

  • Hämolyse

  • Medikamentennebenwirkungen (z. B. RAAS-Hemmer)

  • Hyperparathyreoidismus, Aluminiumüberladung, hohe Serum-Phosphatwerte

  • Metabolische Azidose

  • Vitamin B12-Mangel, Folsäuremangel

  • Pure Red Cell Aplasia

  • ungenügende Compliance

  • hohes Lebensalter

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Neue Therapiemöglichkeit mit EPO-Biosimilar

Zur Therapie der Anämie bei CKD-Patienten steht ein kostengünstiges, biotechnologisch hergestelltes Biosimilar des Hormons Epoetin alfa (Abseamed®) zur Verfügung. In einem umfangreichen Studienprogramm mit etwa 1000 Patienten konnte nach den Richtlinien der Europäischen Arzneimittelagentur (EMEA) die Sicherheit und die therapeutische Äquivalenz mit dem Originalpräparat Epoetin alfa (Erypo®) belegt werden.

Die Prüfärzte beurteilten die Wirksamkeit des Biosimilars bei über 93 % der Patienten als "gut" bis "sehr gut". Die Langzeitanwendung erwies sich als sicher. Unter der Therapie mit dem Biosimilar wurde keine "Pure Red Cell Aplasia" beobachtet. Ärzte und Patienten beurteilten die Verträglichkeit des neuen Medikaments nach über 12 Monaten Therapiedauer zu über 88 % als "gut" bis "sehr gut". Das Biosimilar wurde auch in einer Studie an 114 Krebspatienten geprüft, die eine Chemotherapie erhielten. Dabei erwies sich die subkutane Injektion als ebenso wirksam wie die Therapie mit dem Originalpräparat.

Aufgrund der hohen Variabilität biologisch generierter Makromoleküle werden Biosimilars von der EMEA im Gegensatz zu Generika als "ähnlich" ("similar biological medicinal products") dem Originalpräparat bezeichnet. Während für die Zulassung von Generika nur Bioäquivalenzstudien verlangt werden, müssen bei Biosimilars umfangreiche präklinische und klinische Studien mit dem Originalpräparat als Kontrolle vorgenommen werden. Um bei dem neuen EPO-Biosimilar ein Höchstmaß an Qualität zu gewährleisten, wird der gesamte Produktionsprozess in Deutschland durchgeführt, wo die Produktion und Qualitätskontrolle strengsten Kriterien unterliegen.

Dieser Beitrag entstand mit freundlicher Unterstützung der MEDICE Arzneimittel Pütter GmbH & Co. KG, Iserlohn

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Literatur

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Literatur

 
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Abb. 1 Der ANITHA-Navigator