Aktuelle Dermatologie 2009; 35(8/09): 322-326
DOI: 10.1055/s-0028-1103411
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© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Die Hautbiopsie im Kindesalter[*]

Skin Biopsy in ChildrenW.  Weyers1
  • 1Zentrum für Dermatopathologie, Freiburg
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Dr. Wolfgang Weyers

Zentrum für Dermatopathologie Freiburg

Engelbergerstr. 19
79106 Freiburg

Email: ww@zdpf.de

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Publication Date:
27 November 2008 (online)

Table of Contents #

Zusammenfassung

Die Hautbiopsie ist die wichtigste adjuvante diagnostische Methode in der Dermatologie. Sie ist für die spezifische Diagnose vieler Dermatosen unerlässlich und stellt zugleich die beste Qualitätskontrolle der klinischen Diagnostik dar. Dennoch werden bei Kindern Hautbiopsien viel seltener durchgeführt als bei Erwachsenen. Die Prämedikation mit EMLA-Creme vor Durchführung der Infiltrationsanästhesie gestattet inzwischen völlig schmerzfreie Biopsien. Die Indikation zur Biopsie sollte daher auch bei Kindern großzügiger gestellt werden, um das Niveau der pädiatrischen Dermatologie dem bei Erwachsenen anzugleichen.

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Abstract

Biopsy of the skin is the most important adjuvant diagnostic method in dermatology. It is essential for a specific diagnosis of many dermatoses and serves as quality control for clinical diagnosis. Nevertheless, skin biopsies are performed only rarely in children, as compared to adults. Application of EMLA cream before infiltration of a local anaesthetic allows biopsies of the skin to be performed without any pain. Therefore, the indication for skin biopsy in children should be adjusted to that in adults in order to raise diagnostic standards in pediatric dermatology.

Die Biopsie nimmt in der medizinischen Diagnostik eine zentrale Stellung ein. Für kein Fach ist sie jedoch wichtiger als für die Dermatologie, da Biopsien leicht durchführbar sind und die Aussagekraft dermato-histopathologischer Untersuchungen besonders hoch ist. Seit vielen Jahrzehnten werden Hautaffektionen regelmäßig biopsiert. Die Biopsie erfolgt unter direkter Sicht, sodass in der Regel die für die Krankheit typischen Veränderungen erfasst werden, und die histopathologischen Befunde können – im Unterschied zu Krankheiten anderer Organe – gut mit dem klinischen Bild korreliert werden. Dies hat dazu geführt, dass die Dermatopathologie viel weiter entwickelt ist als die Pathologie anderer Organsysteme. Zum Beispiel ist die Zahl entzündlicher Erkrankungen, die an der Haut unterschieden werden, mehr als 30-mal höher als an Magen, Leber oder Pankreas. Es besteht kein Grund zur Annahme, dass Krankheiten wie der Lichen planus oder die Pityriasis lichenoides neben der Haut nicht auch andere Organe betreffen können – aufgrund der fehlenden Möglichkeit gezielter Biopsien hat man nur nicht gelernt, sie dort zu unterscheiden. Dass dies an der Haut zuverlässig gelingt, dass die Zahl klar definierter Hautkrankheiten so groß und die Präzision der dermatologischen Diagnostik so hoch ist, liegt nicht zuletzt an der Biopsie.

Das war nicht immer der Fall. Im 19. Jahrhundert wurde die Diagnose von Hautkrankheiten fast ausschließlich klinisch gestellt; mikroskopische Untersuchungen waren selten und wurden meist post mortem durchgeführt. In Abgrenzung von solchen „Nekropsien” prägte der französische Dermatologe Ernest Besnier 1879 den Begriff „Biopsie” für die Entnahme lebenden Gewebes. Er hob hervor, dass diese „neuartige Untersuchungstechnik” große Bedeutung habe, erklärte jedoch, sie solle „Fällen vorbehalten bleiben, in denen nach derzeitiger Kenntnis eine komplette Diagnose ohne dieses Hilfsmittel absolut unmöglich ist” [1]. Der Grund für diese Zurückhaltung Besniers lag nicht in der damals noch unzureichenden Kenntnis der Histopathologie der Haut, sondern darin, dass den Patienten die schmerzhafte Entnahme von Gewebe nicht ohne Weiteres zuzumuten war. Wenige Jahre später wurde jedoch die Lokalanästhesie entwickelt, und nachdem sich Biopsien nahezu schmerzfrei durchführen ließen, fanden sie rasche Verbreitung. 1894 publizierte Paul Gerson Unna das erste große Lehrbuch der Histopathologie, und seine Forderung, „das klinische Bild mit einem histologisch geübten Auge zu betrachten und das histologische Bild mit dem Blick des Klinikers zu analysieren,” prägte die Dermatologie des 20. Jahrhunderts [2].

Dank der Umsetzung dieser Prämisse wurden zahlreiche „neue” Krankheiten beschrieben, und für die Dermatohistopathologie wurden Diagnosekriterien entwickelt, die eine systematische Befundanalyse gestatten. So werden bei entzündlichen Dermatosen unter anderem die Verteilung (nur oberflächlich in Höhe des superfiziellen Gefäßplexus oder auch tief, nur perivaskulär oder auch interstitiell, knotig oder diffus) und Zusammensetzung (Lymphozyten, eosinophile und neutrophile Granulozyten, Histiozyten, Plasmazellen) des Entzündungsinfiltrates sowie die Mitbeteiligung des Epithels (Infiltration von Follikelepithel und/oder Epidermis; Epidermishypertrophie- oder atrophie, Spongiose, Hydrops von Keratozyten, vakuoläre Veränderungen an der Junktion) erfasst. Die Berücksichtigung dieser Befunde führt in algorithmischer Form zu einer spezifischen Diagnose oder einer eng umrissenen Differenzialdiagnose. Durch diesen methodischen Zugang wurde die Zuverlässigkeit der dermatologischen Diagnostik erheblich verbessert [3].

Die Fortschritte der Dermatohistopathologie kommen allerdings nicht allen Patienten zugute. Bei Kindern werden Biopsien nur selten vorgenommen, und zwar aus den gleichen Gründen, die im 19. Jahrhundert zur zurückhaltenden Indikationsstellung beitrugen. Wegen der mit der Lokalanästhesie verbundenen Schmerzen glaubte man lange, Kindern den Eingriff nur ausnahmsweise zumuten zu können. Inzwischen aber hat sich die Anwendung der Prilocain- und Lidocain-haltigen EMLA-Creme als lokale Prämedikation bei Hautbiopsien im Kindesalter durchgesetzt. Wenn die Creme eine Dreiviertelstunde unter Okklusion einwirkt, was durch Einsatz des EMLA-Pflasters oder Abdeckung der Creme mit Tegaderm erreicht werden kann, bereitet die anschließende Infiltrationsanästhesie keinerlei Beschwerden [4].

Ein Nachteil der Anwendung von EMLA-Creme sind Veränderungen des histopathologischen Bildes, die die Beurteilung erschweren können. Dazu zählt vor allem eine Schwellung von Keratinozyten, die in den oberen Epidermislagen zu einer diffusen Abblassung und in den unteren zu einer Vakuolisierung führen kann, manchmal mit Ausbildung subepidermaler Spalträume [5]. Die Möglichkeit solcher Artefakte ist bei der Beurteilung in Rechnung zu stellen, und eine Prämedikation mit EMLA sollte auf dem Einsendezettel vermerkt werden. Seltene klinische Komplikationen sind eine irritative und in Einzelfällen auch eine allergische Kontaktdermatitis [6] [7]. Darüber hinaus kann die Resorption von Prilocain zu einer Methämoglobinämie führen, was besonders bei Säuglingen unter drei Monaten relevant ist, bei denen die Met-Hb-Reduktase noch nicht ausreichend aktiv ist. Durch Resorption von Lidocain kann es zu zentralnervösen Nebenwirkungen wie Verlangsamung, Halluzinationen und Krämpfen kommen. Diese Komplikationen werden jedoch nur bei ausgedehnter Anwendung beobachtet, wie zum Beispiel bei der großflächigen Kürettage von Mollusca contagiosa [8] [9]. Für Stanzbiopsien haben sie keine Bedeutung, denn die zu behandelnden Areale sind wesentlich kleiner. Da die Fortschritte der Lokalanästhesie völlig schmerzfreie Eingriffe ermöglichen, steht einer breiteren Indikationsstellung zur Biopsie auch im Kindesalter nichts entgegen; die Hautbiopsie gehört ebenso zum Spektrum diagnostischer Basismaßnahmen wie die Blutentnahme oder Röntgen-Thoraxaufnahmen.

Die Indikationen zur Hautbiopsie im Kindesalter unterscheiden sich von denen beim Erwachsenen insofern, als Neoplasien eine geringere Rolle spielen. Die häufigsten Neoplasien im Kindesalter sind Säuglings-Hämangiome, die klinisch nicht immer von anderen Hämangiomen, wie dem büschelartigen Hämangiom („tufted angioma”) und dem kaposiformen Hämangioendotheliom, abzugrenzen sind. Da sich Prognose und Therapie unterscheiden und bei manchen Hämangiomen ernste Komplikationen auftreten können, wie zum Beispiel eine Verbrauchskoagulopathie beim kaposiformen Hämangioendotheliom, ist eine Biopsie in solchen Fällen sinnvoll. Eine histopathologische Unterscheidung ist anhand des Wachstumsmusters in der Regel möglich. Zudem exprimieren die Endothelien von Säuglings-Hämangiomen Glut-1, einen Glukosetransporter, der sich immunhistochemisch nachweisen lässt und eine Abgrenzung von anderen Hämangiomen und vaskulären Hamartomen gestattet [10].

Maligne Neoplasien der Haut sind im Kindesalter selten. Am bedeutsamsten sind maligne Lymphome, unter denen die lymphomatoide Papulose und das CD30-positive großzellig-anaplastische T-Zell-Lymphom am häufigsten sind [11]. Aber auch die Mykosis fungoides ist im Kindesalter keine Rarität; in einer größeren Studie wurde bei 39 von 558 Patienten mit Mykosis fungoides (7 %) eine Erstmanifestation vor dem 20. Lebensjahr festgestellt [12]. In den vergangenen Jahren wurden bei Kindern zunehmend maligne Neoplasien beschrieben, die bisher im Kindesalter als extrem selten galten, wie zum Beispiel das Dermatofibrosarcoma protuberans, das bereits bei Geburt vorhanden sein kann [13] [14]. Auch die Regel, dass Melanome vor der Pubertät praktisch nicht vorkommen, lässt sich nicht aufrecht halten. In den letzten Jahren wurde zunehmend über Melanome im Kindesalter berichtet, die klinisch meist als umschriebene, oft nur gering pigmentierte Knoten imponieren und histopathologisch durch dichte, tief reichende Verbände großer epitheloider Melanozyten gekennzeichnet sind [15]. Die Abgrenzung von Spitz-Naevi kann in solchen Fällen schwierig sein und erfordert neben der sorgfältigen histopathologischen Analyse in Einzelfällen auch molekulare Zusatzuntersuchungen. Aufgrund einiger kleiner Studien mit geringen Nachbeobachtungszeiten wurde für solche spitzoiden Melanome des Kindesalters eine günstige Prognose postuliert [16]. Für diese Annahme gibt es jedoch bislang keine verlässliche Grundlage; Fälle mit rasch fortschreitender Metastasierung und frühem Tod wurden wiederholt beschrieben [17]. Wie bei Erwachsenen sind solche Verläufe Folge einer zu späten Diagnose; gerade im Kindesalter sind Melanome bei Diagnosestellung häufig schon weit fortgeschritten. Wenn bei ungewöhnlichen Pigmentläsionen oder auch rötlichen Knoten, die ein Angiom oder Histiozytom vortäuschen, aus einem trügerischen Gefühl der Sicherheit heraus mit der Biopsie gezögert wird, kann dies für die Patienten dramatische Folgen haben.

Hamartomen kommt im Kindesalter eine größere Bedeutung zu als bei Erwachsenen. Da Hamartome aus fehlerhaft angeordneten, ansonsten aber regelrechten Gewebestrukturen bestehen, können die histopathologischen Veränderungen geringfügig und ihre Erkennung schwierig sein. Eine ausreichend große Biopsie und ausreichende klinische Angaben sind daher besonders wichtig. Der spezifischen Diagnose von Hamartomen kommt deshalb Bedeutung zu, weil manche Hamartome mit inneren Krankheiten verknüpft sind, wie zum Beispiel Kollagenome mit der tuberösen Sklerose, der multiplen endokrinen Neoplasie (Typ 1) und dem Proteus-Syndrom und Elastome mit dem Buschke-Ollendorff-Syndrom.

Infolge der Seltenheit von Neoplasien werden Biopsien im Kindesalter meist zur Abklärung entzündlicher Dermatosen vorgenommen. Die Indikation zur Biopsie wird jedoch nach wie vor zu eng gestellt, worunter die Qualität der medizinischen Versorgung leidet. Natürlich besteht keine Veranlassung, in klinisch eindeutigen Fällen oder bei sehr kurzem Krankheitsverlauf Biopsien vorzunehmen. Die Indikation zur Biopsie ist jedoch gegeben, wenn Hautveränderungen nicht eindeutig zuzuordnen sind und sich nicht innerhalb kurzer Zeit zurückbilden. Auch ein unerwarteter Verlauf sollte Anlass sein, die eigene Diagnose infrage zu stellen und histopathologisch zu überprüfen. Darüber hinaus ist auch im Falle klinisch typischer Veränderungen eine bioptische Diagnosesicherung sinnvoll, wenn ein langfristiger Krankheitsverlauf zu erwarten ist. Die Biopsie stellt die wichtigste Qualitätskontrolle der klinischen Diagnose dar, und ohne diese Kontrolle lässt sich ein hohes Niveau der klinischen Diagnostik nicht aufrechterhalten.

Die histopathologische Untersuchung trägt nicht immer zur Klärung eines Krankheitsbildes bei. Manche Krankheiten, die sich klinisch deutlich unterscheiden, sind histopathologisch nur schwer oder gar nicht abzugrenzen, wie zum Beispiel polymorphe Lichtdermatose und Lupus erythematosus tumidus, Pemphigus foliaceus und bullöse Impetigo oder Pityriasis rosea und Erythema anulare centrifugum. Häufig ist es jedoch umgekehrt: Klinisch sehr ähnliche Veränderungen sind histopathologisch leicht zu unterscheiden, zum Beispiel Psoriasis ([Abb. 1 ] a, b) und Erythema anulare centrifugum ([Abb. 2 ] a, b), Lichen planus ([Abb. 3 ] a, b) und Pityriasis lichenoides ([Abb. 4 ] a, b) oder Morphea ([Abb. 5 ] a, b) und Papillomatosis confluens et reticularis ([Abb. 6 ] a, b). In solchen Fällen hat die histopathologische Untersuchung entscheidende Bedeutung für Diagnose und Therapie und verhindert einen diagnostischen Blindflug, der im Bereich der pädiatrischen Dermatologie noch sehr viel häufiger ist als bei Erwachsenen.

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Abb. 1 a Psoriasis vulgaris. Durch die anuläre Konfiguration der Herde wird ein Erythema anulare centrifugum vorgetäuscht.

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b Histopathologisch sieht man eine ausgeprägte psoriasiforme Epidermishyperplasie mit langen, schmalen Reteleisten, Papillomatose und langen Parakeratosehügeln. Der Befund ist typisch für eine Psoriasis und schließt ein Erythema anulare centrifugum aus.

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Abb. 2 a Erythema anulare centrifugum. Kleine Erosionen im rötlichen Randsaum deuten auf eine Spongiose hin.

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b Histopathologisch sieht man eine spongiotische Dermatitis mit umschriebenen Spongiosebläschen und Schuppenkrusten. Der Befund ist typisch für ein Erythema anulare centrifugum und schließt eine Psoriasis aus.

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Abb. 3 a Disseminierter Lichen planus. Der betonte Befall der Beugeseiten der Unterarme und vereinzelte anuläre Herde sprechen differenzialdiagnostisch gegen eine Pityriasis lichenoides.

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b Histopathologisch sieht man ein dichtes, bandförmiges Lymphozyteninfiltrat, das die Junktionszone überlagert, sowie eine Epithelhyperplasie mit Hypergranulose und kompakter Orthohyperkeratose. Der Befund ist typisch für einen Lichen planus und schließt eine Pityriasis lichenoides aus.

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Abb. 4 a Pityriasis lichenoides. Die kleinen, monomorphen Papeln sind klinisch von einem disseminierten Lichen planus nicht sicher abzugrenzen.

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b Histopathologisch sieht man ein die Junktionszone überlagerndes, jedoch nicht bandförmiges Lymphozyteninfiltrat, nekrotische Keratozyten in allen Epidermislagen und fokale Parakeratosehügel mit Einlagerung neutrophiler Granulozyten. Der Befund ist typisch für eine Pityriasis lichenoides und schließt einen Lichen planus aus.

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Abb. 5 a Morphea mit unscharf begrenzten, atrophischen, hyperpigmentierten Patches am Stamm.

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b Histopathologisch sieht man eine schmale Epidermis mit verstrichenen Reteleisten, eine deutliche Fibrose ein perivaskuläres und interstitielles Lymphozyteninfiltrat. Der Befund ist typisch für eine Morphea und schließt eine Papillomatosis confluens et reticularis aus.

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Abb. 6 a Papillomatosis confluens et reticularis. Unscharf begrenzte, hyperpigmentierte Patches am Stamm mit leicht gefälteter Oberfläche.

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b Histopathologisch sieht man eine stark aufgefaltete Epidermis mit verlängerten Reteleisten und lockerer Orthohyperkeratose bei nur minimalem Entzündungsinfiltrat. Der Befund ist typisch für eine Papillomatosis confluens et reticularis und schließt eine Morphea aus.

Letzteres gilt nicht nur für den klinischen Alltag, sondern gilt auch für wissenschaftliche Studien. Auf Kongressen und in Fachzeitschriften, die sich mit Dermatosen im Kindesalter beschäftigen, wird die Histopathologie oft vernachlässigt, und nicht selten wird sogar hervorgehoben, dass auf eine histopathologische Diagnosesicherung verzichtet wurde. So erklärten zum Beispiel Fiore et al. vor wenigen Monaten in einem Artikel über das akute hämorrhagische Ödem, „die Diagnose wurde beim ersten Patienten auf der Grundlage einer Hautbiopsie gestellt, aber in den übrigen Fällen nur anhand der klinischen Veränderungen”. Von vier der sieben Patienten wurden in diesem Artikel klinische Bilder gezeigt, die sehr unterschiedlich waren und ebenso gut zu anderen Dermatosen passen könnten, wie zum Beispiel zur polymorphen Lichtdermatose oder zu Iktusreaktionen. Die Autoren räumten selbst ein, dass sie in einem Fall die Diagnose eines akuten hämorrhagischen Ödems gestellt hatten, der nach Durchführung einer Biopsie als Wells-Syndrom eingeordnet wurde [18]. Mit anderen Worten handelte es sich um eine Studie, bei der die Diagnose in sechs von sieben Fällen offen blieb, die aber dennoch zur Publikation in einer führenden dermatologischen Fachzeitschrift angenommen wurde. Dies ist auf dem Gebiet der pädiatrischen Dermatologie keine Seltenheit.

Wegen der zurückhaltenden Indikationsstellung zur Hautbiopsie ist das Spektrum histopathologischer Veränderungen bei einigen im Kindesalter wichtigen Dermatosen nur unzureichend beschrieben. Dies gilt zum Beispiel für Virusexantheme. Bei anderen Dermatosen sind die histopathologischen Veränderungen zwar im Prinzip bekannt, sie werden jedoch so selten biopsiert, dass sie vielen Histopathologen nicht vertraut sind. Zum Beispiel wurde kürzlich in mehreren Arbeiten darauf hingewiesen, dass Veränderungen unter dem Bild einer Acrodermatitis enteropathica (AE) das Initialsymptom einer zystischen Fibrose sein können [19] [20] [21]. Die histopathologischen Befunde waren jeweils typisch für ein Malnutritions-Syndrom, aber bei einem Säugling wurde diese Diagnose nicht gestellt, da „Nekrolyse und Abblassung der Keratinozyten, wie bei AE, nicht gesehen wurden”. Tatsächlich waren diese Veränderungen in der entsprechenden Abbildung erkennbar, wenn auch gering ausgeprägt. Nichtsdestotrotz behaupteten die Autoren, die histopathologischen Veränderungen seien „nicht spezifisch … und können bei der seborrhoischen Dermatitis, verschiedenen ekzematösen Dermatitiden und Arzneimittelreaktionen gesehen werden.” Die Folge war, dass trotz rascher Rückbildung des Hautausschlags unter parenteraler Ernährung „die Diagnose dem vier Monate lang involvierten medizinischen Personal entging” [19].

Zusammenfassend wird bei der Diagnostik von Hautveränderungen im Kindesalter und bei Erwachsenen weiterhin mit zweierlei Maß gemessen. Korrekte Diagnosen sind bei Kindern jedoch nicht weniger wichtig, und ohne den Einsatz der Hautbiopsie als wichtigstem diagnostischen Hilfsmittel ist ein hohes diagnostisches Niveau nicht zu erreichen.

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Literatur

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  • 13 Maire G, Fraitag S, Galmiche L. et al . A clinical, histologic, and molecular study of 9 cases of congenital dermatofibrosarcoma protuberans.  Arch Dermatol. 2007;  143 203-210
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  • 18 Fiore E, Rizzi M, Ragazzi M. et al . Acute hemorrhagic edema of young children (cockade purpura and edema): a case series and systematic review.  J Am Acad Dermatol. 2008;  59 684-695
  • 19 Lovett A, Kokta V, Maari C. Diffuse dermatitis: an unexpected initial presentation of cystic fibrosis.  J Am Acad Dermatol. 2008;  58 S1-S4
  • 20 Zedek D, Morrell D S, Graham M. et al . Acrodermatitis enteropathica-like eruption and failure to thrive as presenting signs of cystic fibrosis.  J Am Acad Dermatol. 2008;  58 S5-S8
  • 21 Koch L H, Lewis D W, Williams J V. Necrolytic migratory erythema-like presentation for cystic fibrosis.  J Am Acad Dermatol. 2008;  58 S29-S30

1 Gehalten als Vortrag beim 2. Wiesbadener Symposium Kinderdermatologie, 12. 11. 2008.

Dr. Wolfgang Weyers

Zentrum für Dermatopathologie Freiburg

Engelbergerstr. 19
79106 Freiburg

Email: ww@zdpf.de

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Literatur

  • 1 Besnier E. Études Nouvelles de Dermatologie.  Gaz Hebdom Méd Chir. 1879;  26 645-650
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  • 21 Koch L H, Lewis D W, Williams J V. Necrolytic migratory erythema-like presentation for cystic fibrosis.  J Am Acad Dermatol. 2008;  58 S29-S30

1 Gehalten als Vortrag beim 2. Wiesbadener Symposium Kinderdermatologie, 12. 11. 2008.

Dr. Wolfgang Weyers

Zentrum für Dermatopathologie Freiburg

Engelbergerstr. 19
79106 Freiburg

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Abb. 1 a Psoriasis vulgaris. Durch die anuläre Konfiguration der Herde wird ein Erythema anulare centrifugum vorgetäuscht.

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b Histopathologisch sieht man eine ausgeprägte psoriasiforme Epidermishyperplasie mit langen, schmalen Reteleisten, Papillomatose und langen Parakeratosehügeln. Der Befund ist typisch für eine Psoriasis und schließt ein Erythema anulare centrifugum aus.

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Abb. 2 a Erythema anulare centrifugum. Kleine Erosionen im rötlichen Randsaum deuten auf eine Spongiose hin.

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b Histopathologisch sieht man eine spongiotische Dermatitis mit umschriebenen Spongiosebläschen und Schuppenkrusten. Der Befund ist typisch für ein Erythema anulare centrifugum und schließt eine Psoriasis aus.

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Abb. 3 a Disseminierter Lichen planus. Der betonte Befall der Beugeseiten der Unterarme und vereinzelte anuläre Herde sprechen differenzialdiagnostisch gegen eine Pityriasis lichenoides.

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b Histopathologisch sieht man ein dichtes, bandförmiges Lymphozyteninfiltrat, das die Junktionszone überlagert, sowie eine Epithelhyperplasie mit Hypergranulose und kompakter Orthohyperkeratose. Der Befund ist typisch für einen Lichen planus und schließt eine Pityriasis lichenoides aus.

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Abb. 4 a Pityriasis lichenoides. Die kleinen, monomorphen Papeln sind klinisch von einem disseminierten Lichen planus nicht sicher abzugrenzen.

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b Histopathologisch sieht man ein die Junktionszone überlagerndes, jedoch nicht bandförmiges Lymphozyteninfiltrat, nekrotische Keratozyten in allen Epidermislagen und fokale Parakeratosehügel mit Einlagerung neutrophiler Granulozyten. Der Befund ist typisch für eine Pityriasis lichenoides und schließt einen Lichen planus aus.

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Abb. 5 a Morphea mit unscharf begrenzten, atrophischen, hyperpigmentierten Patches am Stamm.

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b Histopathologisch sieht man eine schmale Epidermis mit verstrichenen Reteleisten, eine deutliche Fibrose ein perivaskuläres und interstitielles Lymphozyteninfiltrat. Der Befund ist typisch für eine Morphea und schließt eine Papillomatosis confluens et reticularis aus.

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Abb. 6 a Papillomatosis confluens et reticularis. Unscharf begrenzte, hyperpigmentierte Patches am Stamm mit leicht gefälteter Oberfläche.

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b Histopathologisch sieht man eine stark aufgefaltete Epidermis mit verlängerten Reteleisten und lockerer Orthohyperkeratose bei nur minimalem Entzündungsinfiltrat. Der Befund ist typisch für eine Papillomatosis confluens et reticularis und schließt eine Morphea aus.