ergoscience 2010; 5(1): 41-42
DOI: 10.1055/s-0028-1109992
Veranstaltungsberichte

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Katastrophenplan – Katastropheneinsatz: „Disaster preparedness and response”

Fortbildung in Innsbruck am 18./ 19. September 2009M. Feiler1
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Maria Feiler,

WFOT-Delegierte Österreichs

Email: maria.feiler@aon.at

Publication History

Publication Date:
15 January 2010 (online)

Table of Contents

Am 18. und 19. September 2009 fand an der FH Innsbruck ein Workshop für Ergotherapeuten zu diesem Thema statt. Eingeladen hatte der Österreichische Ergotherapieverband. Organisiert wurde dieser Workshop von mir in meiner Eigenschaft als österreichische Delegierte zum WFOT mit dem Ziel, Informationen und Anregungen des WFOT weiterzugeben und darüber zu reflektieren, inwieweit dieses Thema für die österreichische Ergotherapie relevant ist.

Der Workshop war eine für Studiengangsleiter und lehrende Ergotherapeuten angelegte Veranstaltung. Diese Zielgruppe war ausgewählt worden, da so die Frage, dieses Thema im Curriculum zu berücksichtigen, angesprochen werden konnte. Auch kennen Ausbildungsleiter durch die Praktikumsbetreuung die lokale Situation – also viele Kollegen und deren Ressourcen. Außerdem können sie von diesen Rückmeldungen entgegennehmen, ob bereits eine Betroffenheit besteht: ob diese Kollegen bereits für das Thema sensibilisiert sind.

Am Freitag, dem ersten Tag des Workshops, war Prof. Dr. Gernot Brauchle der Gastreferent. Er ist Notfall- und Gesundheitspsychologe, Gründungsmitglied sowohl der Arbeitsgruppe Notfallpsychologie als auch des Kriseninterventionsteams Tirol. Bei den Katastrophen in Galtür 1999 (eine Lawine hatte ein ganzes Dorf verschüttet) und Kaprun (eine Standseilbahn war in Brand geraten) konnten diese Arbeitsgruppen erste Erfahrungen sammeln und seither ihr Wissen erweitern, ihre Ausbildung verbessern und viele wichtige Erkenntnisse gewinnen. Diese vermittelte er uns Ergotherapeuten sehr anschaulich, kompetent und trotz des ernsthaften Themas oft auch sehr humorvoll. Er machte uns auf Organisationsmängel aufmerksam, stellte uns Kriseninterventionsmodelle vor und betonte, worauf es ankomme, wenn man mit enormen Belastungen (sowohl der Betroffenen als auch der Helfer) umgehen muss. Hilflosigkeit war ebenso ein Thema wie verschiedene Mythen über Katastrophen. Der Referent versuchte uns für die Risiken der primären und sekundären Traumatisierung (ASD = acute bzw. PTSD = post traumatic stress disorder) zu sensibilisieren, denn mit letzterer sind viele Kollegen, die in der Psychiatrie arbeiten, als Folge von Katastrophen konfrontiert. Betroffen sind auch hier gleichermaßen Helfer und Opfer. Prof. Brauchle nannte uns wichtige Voraussetzungen, um in diesem Setting professionell arbeiten zu können und gab uns wertvolle Hinweise auf strategische Vorgehensweisen und mögliche Stolpersteine.

Die Fortsetzung des Workshops am 19. September war den ergotherapeutischen Aspekten dieses Themas gewidmet. Zur Einführung hörten wir uns Dr. Kit Sinclairs Zusammenfassung zu diesem Thema an. Diese ist Teil der vom WFOT zusammengestellten DVD über Disaster Preparedness and Response – Information and Resource Package. Sie war nach dem Tsunami 2004 erstellt worden, da damals Kollegen aus den betroffenen Ländern den WFOT um Unterstützung gebeten hatten. Daraufhin wurde umgehend ein entsprechendes Projekt gestartet. Ausgehend von einer Situationsanalyse beschäftigten sich engagierte Kollegen mit der Entwicklung eines Aktionsplans und einem Capacity building workshop. Dieser wurde von international tätigen Ergotherapeuten mit Erfahrung in Community based practice settings begleitet. Die Ergebnisse und Erfahrungen dieses Projekts wurden auf der schon genannten DVD zusammengefasst. Sie ist über den WFOT käuflich zu erwerben.

Dr. Sinclair begann ihre Zusammenfassung mit der Feststellung, dass es weltweit immer mehr Umweltkatastrophen gebe und dass es Ergotherapeuten klar sein müsse, dass auch wir hier eine Rolle haben bzw. finden müssen. Sie begründete diese Aussage mit der Art, wie wir uns und unseren Beruf definieren. Wir Ergotherapeutinnen und -therapeuten wollen den Status oder die Befindlichkeit „gesund sein und sich wohlfühlen” durch die Möglichkeit und Fähigkeit, selbstständig tätig und aktiv zu sein, unterstützen. Das vorrangigste Ziel für Ergotherapeuten ist es, Menschen zu ermöglichen, dass sie erfolgreich die Aktivitäten ihres täglichen Lebens durchführen können. Genau diese Alltagsaktivitäten kommen bei Katastrophen aus der gewohnten Routine; die Folgen treffen Menschen mit besonderen Bedürfnissen noch stärker. Vor allem nach einer Evakuierung sind für sie oft der Zugang und das Benutzen von Toiletten, Waschgelegenheiten usw. nur schwer möglich. Dass notwendige Hilfsmittel zur Verfügung stehen, ist nicht immer garantiert. Auch die Möglichkeit, sich zurückziehen zu können und damit eine Privatsphäre zu haben, ist oft infrage gestellt. Dr. Sinclair forderte, gleichermaßen sensibel gegenüber psychologischen, psychiatrischen und physiologisch-physikalischen Problemen zu sein. Zusammenfassend regte sie an, sich über Katastrophenhilfe vor Ort zu informieren, einen möglichen persönlichen Beitrag zu überdenken und anzubieten. Dieser könnte unter anderem Aspekte der Umweltadaptierung, Bereitstellung von Hilfsmitteln und Angebote einer guten Nachbetreuung beinhalten.

Anhand von Bildmaterial über verschiedene auch für unsere österreichische Lebenswelt absolut realistischen Katastrophen (wir hatten im vergangenen Jahr viele Überflutungen, starker Hagelschlag; wir bedachten aber auch Zugunglücke, Erdbeben usw.) setzten wir uns mit der Situation von Menschen während bzw. unmittelbar nach einer Katastrophe und mit deren Bedürfnissen auseinander. Mit den Prämissen von „Betätigung” versuchten wir zu überlegen, welche Angebote wir als Ergotherapeuten in den einzelnen Phasen einer Katastrophe machen könnten. Wir überlegten weiterhin, welche Strukturen zu erstellen oder zu modifizieren sind, damit es zum sinnvollen Einsatz von Ergotherapeuten in den verschiedenen Phasen eines Katastrophenfalls kommen kann.

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Ergebnis

Wir kamen zu dem Ergebnis, dass auch in Österreich Ergotherapeuten in allen Phasen von Katastrophen Aufgaben übernehmen könnten und dass es durchaus ein Thema ist, mit dem sich Ergotherapeuten auseinandersetzen sollten.

Während der Präventionsphase könnten Ergotherapeuten z. B. in die Planung eingebunden sein, wie Menschen mit besonderen Bedürfnissen evakuiert, wohin sie gebracht werden könnten und wie die Umgebung dort adaptiert sein sollte, damit sie dort gut zurecht kommen. Ergotherapeuten könnten auch ein Lager mit wichtigen Hilfsmitteln anlegen, damit diese vor Ort sind, da bei der Evakuierung oft nicht daran gedacht wird, Gehhilfen und andere Hilfsmittel mitzunehmen. Auch in das Training von Hilfskräften könnten sie eingebunden werden. Während einer Katastrophe könnten sie Betroffene und ihre Familien, aber auch andere Helfer durch ihr Wissen unterstützen, sie könnten unter anderem Hilfsmittel vermitteln, Adaptierungen durchführen und Problemlösungen für Menschen mit besonderen Bedürfnissen erarbeiten. In Unterbringungslagern könnten sie dabei helfen, tägliche Routinen zu erarbeiten, die den Betroffenen helfen, wieder Kontrolle über ihr Leben zu gewinnen. Sie könnten sowohl Betroffene als auch die Helfer darin unterstützen, ihre Angst und den definitiv gegebenen Stress zu reduzieren: Katastrophen lösen immer (physische, emotionale, kognitive und interpersonale) Stressreaktionen aus.

Ergotherapeuten könnten schließlich zur Aufarbeitung der erlebten Katastrophe bei Erwachsenen durch Alltagsaktivitäten und durch Spiele bei Kindern beitragen. Bei der Rückführung in die alte Umgebung könnten sie darauf achten, dass besondere Bedürfnisse berücksichtigt werden. Und: Sie könnten Betroffene dabei unterstützen, wieder eine Balance in ihrer täglichen Lebensroutine (Selbstversorgung, Arbeit, Freizeitaktivitäten und Partizipation) zu erarbeiten.

Zusammenfassend kamen wir, die Teilnehmer des Workshops, zu dem Ergebnis, dass Ergotherapeuten viel für einzelne Betroffene, aber auch für die von einer Katastrophe betroffene Community anzubieten haben.

Die Philosophie der Ergotherapie, ihre ganzheitliche Sichtweise eines Individuums und ihr therapeutisches Mittel – die speziellen Tätigkeiten und die für einen Menschen wichtigen Routinen – sind ein einzigartiger Beitrag beim Katastrophenmanagement. Allerdings müssen wir, um in dieser Richtung initiativ werden zu können, noch eine Reihe von Vorbereitungen treffen. So müssen Therapeuten

  • ihre Rollen definieren, anbieten und erläutern, wie ihre Kompetenzen bei der Katastrophenplanung, beim Katastropheneinsatz und bei der Aufarbeitung von Katastrophen zum Einsatz kommen können

  • sich Kenntnis verschaffen über existierende Katastrophenpläne

  • in Erfahrung bringen, wie national und regional Einsatzkräfte, wie z. B. Feuerwehr, Rotes Kreuz, Technisches Hilfswerk, Bundesheer bzw. Bundeswehr usw. organisiert sind und wie sie sich an welche Katastrophenhelfer anschließen könnten

  • last but not least eine entsprechende Ausbildung speziell für Ergotherapeuten organisieren, damit diese ihre Rollen gut erfüllen können.

Fazit dieses Treffens war damit auch, dass CBP-Projekte in der Ausbildung viel stärker berücksichtigt werden sollten.

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Foto: Die Teilnehmer des Workshops.

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Literatur

  • 1 Disaster Preparedness & Response: WFOT Information and Resource Package for Occupational Therapists (DVD),. www.wfot.org
  • 2 Sinclair K, Pattison M, Thomas K. The World Federation’s response to the Indian Ocean Tsunami Disaster: Situational assessment and recommendations for future action.  WFOT Bulletin. 2005;  52 5-8
  • 3 Pongsaksri M. Occupational therapy eases the suffering of Tsunami victims.  WFOT Bulletin. 2007;  55 30-33
  • 4 The role of Occupational Therapy in disaster Preparedness, Response, and recovery: A concept paper, Draft V 2005 AOTA. www.aota.org/member/area6 / 2005-fallra/disasterPrep.pdf

Maria Feiler,

WFOT-Delegierte Österreichs

Email: maria.feiler@aon.at

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Literatur

  • 1 Disaster Preparedness & Response: WFOT Information and Resource Package for Occupational Therapists (DVD),. www.wfot.org
  • 2 Sinclair K, Pattison M, Thomas K. The World Federation’s response to the Indian Ocean Tsunami Disaster: Situational assessment and recommendations for future action.  WFOT Bulletin. 2005;  52 5-8
  • 3 Pongsaksri M. Occupational therapy eases the suffering of Tsunami victims.  WFOT Bulletin. 2007;  55 30-33
  • 4 The role of Occupational Therapy in disaster Preparedness, Response, and recovery: A concept paper, Draft V 2005 AOTA. www.aota.org/member/area6 / 2005-fallra/disasterPrep.pdf

Maria Feiler,

WFOT-Delegierte Österreichs

Email: maria.feiler@aon.at

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Foto: Die Teilnehmer des Workshops.