Flugmedizin · Tropenmedizin · Reisemedizin - FTR 2008; 15(4): 166
DOI: 10.1055/s-0028-1114265
Magazin

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart ˙ New York

Arsenproblematik - Der aktuelle Wissensstand

Further Information

Publication History

Publication Date:
24 December 2008 (online)

 
Table of Contents

Problemlösungen schaffen manchmal neue Probleme, die ungleich größer sind als die, die es zu beseitigen galt. Auch Entwicklungshilfe kann "verschlimmbessern": die folgenschwerste, durch Menschen verursachte Massenvergiftung in Bangladesch belegt dies eindringlich [1]. Arsenkonzentrationen um 10 µg pro Liter im Trinkwasser verursachen nach einigen Jahren erhebliche Gesundheitsstörungen wie Hautveränderungen, Anämie, Krebserkrankungen an der Haut, Lunge oder Niere, Schwangerschaftserkrankungen und Totgeburten [2], [3].

70 Millionen Menschen in Bangladesch trinken Wasser mit mehr als 10 µg Arsen pro Liter, bei etwa 30 Millionen enthält das Trinkwasser mehr als 50 µg Arsen pro Liter. Die landwirtschaftliche Nutzung von arsenhaltigem Wasser führt dazu, dass die Nutzpflanzen Arsen aufnehmen - dies geschieht vor allem beim Reisanbau. In den von Arsenvergiftung betroffenen Regionen werden sich die Morbiditäts- und Mortalitätsprofile erheblich verändern [4], [5]. Die Problematik ist ausführlich beschrieben [6], [7] und soll hier nur unter aktuellen Gesichtspunkten ergänzt werden.

#

Arsentrinkwasserbelastung ist ein weltweites Problem

Das Arsenproblem Bangladeschs ist kein regional begrenzter Einzelfall, sondern ein weltweites Problem [8]. In Bergbauregionen, in denen Mineralien durch Wasserausspülung gewonnen werden, sind Arsenbelastungen des Trinkwassers seit Längerem bekannt: In Westbengalen und Zentralindien sollen 35-40 Millionen Menschen betroffen sein. In der inneren Mongolei (China) sind etwa 50 000 Menschen betroffen, im Südwesten von China 26 000 Personen in der Umgebung des Yangzonghai-Sees (Yunnan), aus dem Trinkwasser bezogen wird. Zahlreiche Gewässer in der Nähe von Industriestandorten sind unter anderem in China durch Müll und Abwässer verunreinigt. Das Arsenproblem dürfte in diesen oft nicht untersuchten Regionen daher ausgeprägt sein.

Weitere Zehntausende Menschen in Vietnam, Taiwan, Ungarn, Armenien und seinen Nachbarstaaten, in den USA, Mexiko, Chile und Argentinien leben mit hohen Arsentrinkwasserkonzentrationen. Aufgrund der Ereignisse in Bangladesch wurden in Nepal und Burkina Faso Proben aus Trinkwasserpumpen entnommen und dabei ähnliche Belastungen mit Arsen gefunden. Weitere Untersuchungen und Daten zu Afrika fehlen mit Ausnahme von Ghana [9]. Kontaminationen wären aber bei den dort sehr zahlreich angelegten Bohrbrunnen in der Nähe von Bergbau oder Schürfregionen nicht überraschend.

Zoom Image

Bild: Corel Stock Japan II

#

Schadensbegrenzung und Gegenmaßnahmen

Aus Bangladesch wurde im September 2008 jetzt auch über starke Belastungen der Nahrungskette (Reis, Gemüsepflanzen) berichtet [10]. Das "Bangladesh Rice Research Institute" wirbt daher für Verhaltensänderungen, wie für weniger Bewässerung und für den Anbau von Pflanzen, die weniger Wasser benötigen (Mais u. a.). UNICEF ("United Nations International Children's Emergency Fund") und BGS ("British Groundwater Survey"), die wesentlich an der Verursachung des Problems in Bangladesch beteiligt waren, bemühen sich im Rahmen neuer Projekte um Schadensbegrenzung [11], [12].

Arsen kann aus mineralhaltigen Kieseln durch Oxidations- und Reduktionsprozesse freigesetzt werden, wenn sie periodisch getrocknet und gewässert werden. Weltweit müssten daher Trinkwasserbrunnen, deren Grundwasserleiter in Trockenperioden versiegen, auf Arsenbelastungen getestet und gegebenenfalls stillgelegt werden. Bei Einreisenden aus ländlichen Regionen der hier genannten Länder muss zunehmend mit einer chronischen Arsenbelastung und den entsprechenden klinischen Folgen gerechnet werden.

Dr. Helmut Jäger, Hamburg

#

Literatur

#

Literatur

 
Zoom Image

Bild: Corel Stock Japan II