Radiologie up2date 2009; 9(1): 5-7
DOI: 10.1055/s-0028-1119661
Editorial

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Molekulares Imaging – Vision und Realität

Further Information

Publication History

Publication Date:
13 March 2009 (online)

Die molekulare Bildgebung ist eine sich schnell entwickelnde neue biomedizinische Forschungsdisziplin und eine der modernen und wichtigen Säulen der molekularen Medizin. Definitionsgemäß beinhaltet das molekulare Imaging die Visualisierung, Charakterisierung und qualitative sowie quantitative Messung von biologischen Prozessen auf der molekularen bzw. zellulären Ebene in Menschen und anderen lebenden Systemen. Ausgangspunkt dieser rasanten Entwicklung war die Molecular-Imaging-Initiative des National Institute of Health (NIH), die Teil der „NIH Roadmap to Biomedical Research” ist. Die Europäische Union hat dieser Entwicklung in geringem Umfang Rechnung getragen, indem sie innerhalb ihres 6. Rahmenprogramms die Bildung von Networks of Excellence in der molekularen Bildgebung finanziell ermöglicht hat.

Die Forschungsdiziplin ist hoch multidisziplinär; sie umfasst das Zusammenwirken verschiedener Disziplinen wie die Zell- und Molekularbiologie (Genomics, Proteomics, Biomarker), Pharmakologie, Chemie (Entwicklung von Kontrastmitteln, „imaging probes”), Physik und Ingenieurwissenschaften (neue Technologien, leistungsstarke Informationstechnologie) und Medizin. Molekulares Imaging hat momentan seine Schwerpunkte in der Onkologie, bei den Herz-Kreislauf-Erkrankungen und neurodegenerativen Erkrankungen, vor allem der Früherkennung der Alzheimer-Krankheit.

Folgende Ziele sollen dabei verfolgt werden:

Molekulare, krankheitsspezifische Abnormalitäten sollen frühzeitig erkannt werden, ehe eine Symptomatik auftritt bzw. makroskopisch morphologische Veränderungen erkennbar werden. Die Voraussetzung dafür ist die Identifikation der für bestimmte Krankheiten wichtigen Zielmoleküle an der Zelloberfläche, im Zellinnern (Zytoplasma, Zellkern) bzw. in der extrazellulären Matrix. Proteomics und Genomics sind Wissenschaftszweige, die helfen, Zielstrukturen zu ermitteln, die spezifisch, möglichst exquisit, leicht zugänglich, hoch exprimiert und relevant (d. h. sehr früh in der Krankheitsentstehung auftreten) sind. Die so gewonnenen prädiktiven Erkenntnisse sollen maßgeschneiderte, auf den individuellen Patienten zugeschnittene Therapien ermöglichen: Zielgerichtete Therapien, die aus der Kenntnis der Phänotypen abgeleitet sind. Bei vielen Erkrankungen, vor allem aber bei Tumoren ist die Vorhersage der „besten” Therapie schwierig, da viele Tumoren ein heterogenes, phänotypisches Erscheinungsbild aufweisen. Das molekulare Imaging soll hier helfen, (sehr) früh eine Aussage über die therapeutische Wirksamkeit einer eingeschlagenen Therapieoption zu treffen.

Es gibt eine Vielzahl von Beispielen, die den Gebrauch des molekularen Imagings als Erfolgskontrolle (Therapiemonitoring) belegen; z. B. erlaubt der Einsatz von [18F]FDG-PET zur Behandlung gastrointestinaler Stromatumoren (GIST) mit dem Tyrosin-Kinase-Hemmer Imatinib (Gleevec) schon 24 Stunden nach der ersten Dosis die Unterscheidung zwischen Respondern und Nichtrespondern.

Das molekulare Imaging hat seine Wurzeln in nuklearmedizinischen Methoden (SPECT = Single Photon Emission Computed Tomography; PET = Positron Emission Tomography). Das Gebiet umfasst allerdings bei Einsatz geeigneter Kontrastmittel alle bildgebenden Verfahren wie CT, MRT, Ultraschall und in zunehmendem Maße auch optische Verfahren wie die Fluoreszenz und Biolumineszenz.

Die etablierten, klinisch erprobten Technologien geben eine eher unspezifische, makroskopische Antwort auf physiologische bzw. metabolische Veränderungen, mit entsprechend eingeschränkter Unterscheidung zwischen normalem und pathologischem Gewebe. Molekulares Imaging hingegen identifiziert spezifische molekulare Ereignisse (z. B. Rezeptorüberexpression, erhöhte enzymatische Aktivität, Genexpression). Die Methode benötigt massgeschneiderte Sonden (Kontrastmittel, „imaging probes”), deren Entwicklung von zentraler Bedeutung ist. Diese Sonden bestehen aus einem Erkennungsteil (Adresse) und einem signalgebenden Teil (Reportereinheit, bildgebende Einheit). Meist sind chemische Modifikationen nötig und vorteilhaft, um die Pharmakokinetik und Pharmakodynamik zu optimieren.

Die verschiedenen bildgebenden Modalitäten unterscheiden sich in verschiedener Hinsicht, wie:

der räumlichen und zeitlichen Auflösung (mm → MRT, CT, US vs. cm → PET, SPECT; Sekunden → CT, US, MRT vs. Minuten → PET, SPECT), der Energie der Strahlung (ionisierend → Röntgen, γ-Strahlen, Positronen; nicht ionisierend → Photonen, Schallwellen, Radiowellen), der Gewebeeindringtiefe: von cm (→ optische Methoden) bis m (→ MRT, CT, PET, SPECT), der Verfügbarkeit bzw. Notwendigkeit von „imaging probes” (gut für SPECT und PET; schwächer für die anderen Technologien; die gebräuchlichen CT-, MRT-Kontrastmittel sind unspezifisch und extrazellulär), der Sensitivität (hoch für SPECT und PET: 10-10 – 10-12 M/L; hoch für die optischen Methoden; MRT ist mehrere Größenordnungen weniger sensitiv), der erhaltenen Information (anatomisch, physiologisch vs. molekular und zellulär).

Inzwischen sind Hybridgeräte im klinischen Alltag angekommen. Entsprechend werden „multimodality imaging probes” für den Einsatz mit Hybridtechnologien entwickelt, allerdings mit bisher nur geringem Erfolg. Supramagnetische Nanocarrier auf Eisenoxidbasis sind mit Adressmolekülen versehen und gleichzeitig mit Reportereinheiten, die Signale für die PET erlauben.

In der Entwicklung von „imaging probes” hat es in den letzten Jahren Fortschritte gegeben, vor allem im Bereicht der PET-Tracer. Diese Tracer haben den Vorteil, dass wegen der hohen Sensitivität der Methode nur kleine Massen (Nanogramm bzw. Mikrogramm) injiziert werden müssen und damit regulatorische Hürden leichter zu überwinden sind. Außerdem sind sie eher leicht herzustellen bzw. zu modifizieren, da oft nur kleine isotopische Substitutionen notwendig sind (z. B. 1H vs. 18F, 12C vs. 11C, 13N vs. 15N). Das Arbeitspferd des in der PET/CT tätigen Nuklearmediziners/Radiologen ist das Glukosederivat [18F]FDG, das vor allem bei Tumorerkrankungen nicht nur zur Lokalisationsdiagnostik, sondern auch zum Therapiemonitoring eingesetzt wird. Außerdem sind Proliferationsmarker auf der Basis von 11C und 18F erfolgreich klinisch getestet worden. Diese werden in die Erbsubstanz eingebaut; ein aktuelles Beispiel ist 2-[11C]-Thymidin. Auch Analoga, die mit 18F markiert sind (z. B. FLT → Target: Thymidinkinase 1), werden erfolgreich klinisch eingesetzt. Ihre Aufnahme in Tumorzellen korreliert mit der Zellproliferation. Darüber hinaus wurden PET-Tracer entwickelt, die den Aminosäurestoffwechsel (z. B. L-[methyl-11C]Methionin) bzw. den Lipidstoffwechsel (z. B. [11C]Acetat) wiedergeben, die Tumorangiogenese bildlich darstellen und hypoxisches oder apoptotisches (programmierter Zelltod) Gewebe erkennen.

Membranständige G-Protein-gekoppelte Rezeptoren sind häufig bei Tumoren überexprimiert. Prototypen sind Somatostatinrezeptoren (neuroendokrine Tumoren), Bombesinrezeptoren (Prostata-, Mammakarzinom, GIST) und Cholezystokininrezeptoren (medulläre Schilddrüsentumoren, kleinzellige Lungentumoren). Für erstere sind mehrere SPECT-Tracer, basierend auf 99mTc and 111In kommerziell erhältlich; der PET-Tracer [68Ga-DOTA,Tyr3]octreotide (68Ga-DOTATOC) zeigt allerdings die höchste diagnostische Sensitivität. Als Folge der Sensitivität dieser prädiktiven Marker wurden mit Betastrahlern versehene Moleküle entwickelt, die sich erfolgreich therapeutisch einsetzen lassen.

Auch intrazelluläre Rezeptoren, insbesondere der Östrogenrezeptor, sind Ziel der Tracerentwicklung in der molekularen Bildgebung. Der klinische Stellenwert dieser Tracer in der Tumorlokalisation, vor allem aber in der Phänotypisierung und dem Therapiemonitoring ist noch nicht genügend evaluiert; die ersten Resultate sind allerdings vielversprechend.

Weit fortgeschritten sind ferner Tracerentwicklungen, die Amyloidplaques bei der Alzheimer-Krankheit sehr sensitiv darstellen. So haben akademische Zentren und die Pharmaindustrie innerhalb kurzer Zeit Tracer und Studienprotokolle entwickelt, die offensichtlich eine Entscheidung erlauben, ob es sich bei milden kognitiven Veränderungen um Vorstufen der Alzheimer-Krankheit handelt oder ob normale altersbedingte Veränderungen vorliegen. PET-Tracer, die arteriosklerotische Plaques („vulnerable plaques”) aufspüren, werden ebenfalls intensiv studiert. Targetmoleküle sind Makrophagen, Enzyme, oxidiertes LDL und apoptotische Zellen.

Schwieriger gestalten sich die Entwicklungen zielgerichteter MR-Kontrastmittel; dies ist vor allem eine Folge der geringeren Sensitivität der Methode. Die Konzentration liegt bei auf Eisenoxid-basierenden T2-gewichteten Kontrastmitteln, deren Oberflächen mit kleinen, gegen Zellmembranproteine gerichteten Molekülen multivalent modifiziert sind und erfolgreich gegenüber PET-Tracern validiert wurden. Das MRT zeitigt hingegen enorme Fortschritte in Bereichen wie den diffusionsgewichteten Techniken und im DCE-MRT (Dynamic Contrast Enhanced MRI). Letztere Technik zeigt beim Studium der Tumorangiogenese gute Korrelationen mit anderen Methoden wie dem Integrin-Imaging.

Neuere Entwicklungen, um die Sensitivität der Magnetresonanz zu erhöhen, finden sich bei der Hyperpolarisation von 13C-Kernen. Diese erlaubt eine 10 000fache Erhöhung der Sensitivität. In ersten Patientenstudien war es möglich, hyperpolarisierte Verbindungen und deren Metaboliten mit entsprechend erhöhter Sensitivität zu detektieren.

Abschließend zitieren wir eine Aussage eines der Pioniere des molekularen Imagings: „Die Translation von ‘imaging probes’ in die Klinik verlief viel langsamer als ursprünglich erhofft” (Ralph Weissleder, Harvard Medical School). Er nennt als Gründe beträchtliche regulatorische Hürden, Marktkräfte und die geringen Gewinnspannen für diagnostische Arzneimittel. Die „imaging tool-box” ist demnach gefüllt, die Validierung mittels geeigneter, von den regulatorischen Behörden abgesegneter Protokolle notwendig. Nur dieser Weg führt zum Einsatz im klinischen Alltag.

Prof. Dr. Helmut Mäcke, BaselProf. Dr. Wolfgang Steinbrich, Basel

    >