Notfall & Hausarztmedizin 2009; 35(2): 108-109
DOI: 10.1055/s-0029-1202226
Forum der Industrie

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart ˙ New York

Angiotensin-Rezeptorblocker - Welche Bedeutung haben Unterschiede in der Pharmakologie für die Wirksamkeit in der Klinik?

Further Information

Publication History

Publication Date:
02 March 2009 (online)

 
Table of Contents

Angiotensin-Rezeptorblocker stehen seit über 10 Jahren für eine gute blutdrucksenkende Wirkung bei einmal täglicher Gabe sowie für eine sehr gute Verträglichkeit und Compliance. Einmal auf einen Angiotensin-Rezeptorblocker eingestellt, bleiben die Patienten länger als bei jeder anderen Substanzklasse bei der gewählten Therapie [1]. Darüber hinaus gibt es zahlreiche Endpunktstudien zur Senkung der Morbidität und Mortalität für die Wirkstoffe dieser Klasse.

Dementsprechend empfehlen die Leitlinien [2] Angiotensin-Rezeptorblocker heute für Patienten mit spezifischen Begleiterkrankungen ("compelling indications") wie Herzinsuffizienz, Myokardinfarkt, diabetische Nephropathie, linksventrikuläre Hypertrophie, Vorhofflimmern und für Patienten mit metabolischem Syndrom. Trotz ihres im Wesentlichen gleichen Wirkmechanismus bestehen aber im Detail deutliche Unterschiede zwischen den einzelnen Vertretern dieser Substanzklasse - Unterschiede, die hier am Beispiel von Candesartan und Losartan verdeutlicht werden sollen.

#

Rezeptorpharmakologie

Die Pharmakologie von Candesartan ist durch ihre im Vergleich zu anderen Angiotensin-Rezeptorblockern hohe Affinität zum Angiotensin-II-Rezeptor 1 (AT1-Rezeptor) gekennzeichnet (Abb. [1]). Damit kann auch eine hohe Angiotensin-II-Konzentration die Substanz nicht vom Rezeptor verdrängen. Eine nachweisbare Hemmwirkung am AT2-Rezeptor entfaltet Candesartan jedoch nicht. Im direkten Vergleich beträgt die AT1-Rezeptoraffinität des Losartanmetaboliten EXP3174 nur etwa 45 % der Affinität von Candesartan [3]. Darüber hinaus hat Candesartan eine ausgesprochen lange Dissoziationshalbwertszeit (120 Minuten), die Losartan nicht annähernd erreicht [3].

Zoom Image

Abb. 1 Relative Bindungsstärke (%) und Dissoziationshalbwertszeit (Minuten) von Candesartan im Vergleich zu anderen Angiotensin-Rezeptorblockern. nach [3]

#

Blutdrucksenkung

Die genannten Besonderheiten von Candesartan resultieren in einer starken und lang anhaltenden Blutdruck senkenden Wirksamkeit. Da die Auswahl der richtigen Dosierung in klinischen Studien jedoch schwierig ist, wird zum korrekten Vergleich zweier Substanzen vor allem die sogenannte maximal erreichbare Blutdrucksenkung bei beliebig hoher Dosierung (Emax) bestimmt. Diese beträgt für Losartan 5,6 mmHg und für Candesartan 7,5 mmHg diastolisch. Der halbmaximale Effekt wurde dabei mit 20 mg Losartan und 2 mg Candesartan erreicht. Für die Klinik heißt das, dass oberhalb einer Dosierung von 100 mg Losartan und 32 mg Candesartan keine deutlich weitere Senkung des Blutdrucks erwartet werden kann.

Die klinische Bedeutung der spezifischen Pharmakologie beider Substanzen illustriert eine Studie von Lacourcière et al. [4] besonders deutlich (Abb. [2]). Hier betrug die Blutdrucksenkung 24 Stunden nach einer Einnahme von 16 mg Candesartan -13,4/-8,7 mmHg. Zum Vergleich: 100 mg Losartan reduzierte den Blutdruck um -9,3/-6,9 mmHg (p < 0,01 für den systolischen Wert im Vergleich zu Candesartan). Der langen Wirkdauer von Candesartan entsprechend blieb die mittlere Blutdrucksenkung nach Aussetzen der Tabletteneinnahme am Folgetag als Tagesmittel so gut wie erhalten (-11,9/-8,0 mmHg), während die Wirkung von Losartan deutlich nachließ (-6,1/-4,5 mmHg; p < 0,0001).

Zoom Image

Abb. 2 Systolische Blutdrucksenkung von 16 mg Candesartan und 100 mg Losartan im Vergleich bis zum Ende des Dosierungsintervalls und darüber hinaus. nach [4]

Auch unter der Kombination von Candesartan bzw. Losartan mit Hydrochlorothiazid (HCT) zeigten sich ähnliche klinische Unterschiede. Dazu randomisierten König et al. 160 Patienten mit moderater bis schwerer Hypertonie entweder auf 16 mg Candesartan/12,5 mg HCT oder auf 50 mg Losartan/12,5 mg HCT [5]. 24 Stunden nach der letzten Tabletteneinnahme war unter Candesartan/HCT der Blutdruck um -32,2/-23,8 mmHg gesunken, während die Blutdrucksenkung unter Losartan/HCT nur -21,1/-14,9 mmHg betrug (p < 0,001).

Auch König et al. prüften die Auswirkung einer fehlenden Einnahme der Medikation am nächsten Morgen: Während unter Candesartan/HCT 48 Stunden nach der letzten Tabletteneinnahme noch eine Blutdrucksenkung von -25,6/-9,2 mmHg zu sehen war, hatte sich die Wirkung der Losartan/HCT-Kombination auf -16,4/-4,2 mmHg verringert (p < 0,001).

#

Wirksamkeit bei Patienten mit Herzinsuffizienz

Sowohl Candesartan als auch Losartan sind für die Behandlung von Patienten mit Herzinsuffizienz (Ejektionsfraktion > 40 %) zugelassen - Losartan als Alternative zum Einsatz eines ACE-Hemmers (bei Unverträglichkeit oder Intoleranz), Candesartan als Alternative oder auch zusätzlich zu einer bestehenden ACE-Hemmer-Therapie.

Die Zulassung von Candesartan in dieser Indikation beruht auf dem CHARM[1]-Studienprogramm, in dem die gepoolten Substudien CHARM-Added und CHARM-Alternative eine deutliche Reduktion der kardiovaskulären Mortalität (-16 %, p = 0,005) und der Krankenhauseinweisungen (-24 %, p < 0,001) dokumentieren [6].

Losartan erhielt die Zulassung auf Basis der Pilotstudie ELITE[2] [7]. Hier gelang mithilfe von Losartan eine signifikante Reduktion der Gesamtmortalität und eine verringerte Zahl an Krankenhauseinweisungen im Vergleich zu Captopril. Die daraufhin durchgeführte, wesentlich größere ELITE-II-Studie [8] konnte diese Ergebnisse allerdings nicht reproduzieren (Gesamtmortalität +13 %, p = 0,16; Krankenhauseinweisungen +4 %; p = 0,45 für Losartan im Vergleich zu Captopril).

Überprüft wurden diese Daten im Rahmen einer Studie mit 6876 Patienten in der Allgemeinbevölkerung, die den Einfluss verschiedener Angiotensin-Rezeptorblocker auf die Mortalität bei Patienten mit Herzinsuffizienz untersuchte [9]. Im direkten Vergleich zwischen Candesartan und Losartan zeigte sich hier ein Vorteil für die Behandlung der Patienten mit Candesartan: Die Mortalität reduzierte sich im Vergleich zur Losartantherapie um 29 %. Auch in diesem Fall scheinen sich also Unterschiede in der Pharmakologie in klinischen Endpunkten wiederzufinden.

#

Kommentierende Zusammenfassung

Am Beispiel dieser beiden Angiotensin-Rezeptorblocker lässt sich die Bedeutung einer spezifischen Pharmakologie für die Senkung klinischer Endpunkte besonders eindrücklich illustrieren.

Laut einer Metaanalyse von Lewington et al. mit 61 kontrollierten Studien kann eine langfristige systolische Blutdrucksenkung um nur 2 mmHg die Schlaganfallrate um 7 % und die Rate an ischämischen Herzerkrankungen um 10 % verringern [10]. Nun zeigen die klinischen Studien zum Vergleich der beiden genannten Angiotensin-Rezeptorblocker Unterschiede von 4,1/1,8 mmHg in der Monotherapie (16 mg Candesartan versus 100 mg Losartan) und bis zu 11,1/8,9 mmHg für die Kombination mit HCT (16 mg Candesartan versus 50 mg Losartan) - und das bei verlängerter Wirkdauer von Candesartan. Auch wenn Endpunktstudien zum direkten Vergleich der beiden Substanzen fehlen, sprechen die Unterschiede in der Blutdrucksenkung eine klare Sprache im Hinblick auf Morbidität und Mortalität.

Schwieriger ist der Vergleich der Wirksamkeit der beiden Substanzen in der Indikation ‚Herzinsuffizienz', da direkte randomisierte Vergleichsstudien fehlen. Allerdings sind die Ergebnisse des Studienprogramms CHARM in ihrer Vollständigkeit im Hinblick auf die untersuchten Patientenpopulationen einzigartig. So wurde Candesartan bei Patienten mit oder ohne Einschränkung der Ejektionsfraktion sowie in der Monotherapie als auch als Zusatz zu ACE-Hemmern untersucht.

Hinweise für die relative Wirksamkeit ergeben sich allerdings aus der Auswertung großer populationsbasierter Untersuchungen in der Allgemeinbevölkerung [9], die eine Senkung der Mortalitätsraten unter Candesartan im Vergleich zu Losartan dokumentieren.

Legt man all diese Daten zugrunde, sprechen die Studienergebnisse für den bevorzugten Einsatz von lang wirksamen Angiotensin-Rezeptorblockern wie Candesartan.

Dieser Text entstand mit freundlicher Unterstützung der Takeda Pharma GmbH, Aachen.

#

Korrespondenz

Zoom Image

Priv.-Doz. Dr. med. Peter Bramlage

Institut für kardiovaskuläre Pharmakologie und Epidemiologie

Menzelstraße 21

15831 Mahlow

Email: peter.bramlage@ikpe.de

#

Literatur

  • 01 Veronesi M . Cicero AF . Prandin MG . et al . A prospective evaluation of persistence on antihypertensive treatment with different antihypertensive drugs in clinical practice.  Vasc Health Risk Manag. 2007;  3 999-1005
  • 02 Mancia G . De Backer G . Dominiczak A . et al . 2007 Guidelines for the Management of Arterial Hypertension: The Task Force for the Management of Arterial Hypertension of the European Society of Hypertension (ESH) and of the European Society of Cardiology (ESC).  J Hypertens. 2007;  25 1105-1187
  • 03 Vauquelin G . Fierens F . Liefde Van I. Long-lasting angiotensin type 1 receptor binding and protection by candesartan: comparison with other biphenyl-tetrazole sartans.  J Hypertens Suppl. 2006;  24 S23-S30
  • 04 Lacourcière Y . Asmar R . A comparison of the efficacy and duration of action of candesartan cilexetil and losartan as assessed by clinic and ambulatory blood pressure after a missed dose, in truly hypertensive patients: a placebo-controlled, forced titration study. Candesartan/Losartan study investigators.  Am J Hypertens. 1999;  12 1181-1187
  • 05 Koenig W, on behalf of the Multicentre Study Group. Comparison of the efficacy and tolerability of combination tablets containing candesartan cilexitil and hydrochlorothiazide or losartan and hydrochlorothiazide in patients with moderate to severe hypertension. Results of the CARLOS-Study.  Clin Drug Investig. 2000;  19 239-246
  • 06 Young JB . Dunlap ME . Pfeffer MA . et al . Mortality and morbidity reduction with candesartan in patients with chronic heart failure and left ventricular systolic dysfunction: results of the CHARM low-left ventricular ejection fraction trials.  Circulation. 2004;  110 2618-2626
  • 07 Pitt B . Segal R . Martinez FA . et al . Randomised trial of losartan versus captopril in patients over 65 with heart failure (Evaluation of Losartan in the Elderly Study, ELITE).  Lancet. 1997;  349 747-752
  • 08 Pitt B . Poole-Wilson WA . Segal R . Effect of losartan compared with captopril on mortality in patients with symptomatic heart failure: randomised trial - the Losartan Heart Failure Survival Study ELITE II.  Lancet. 2000;  355 1582-1587
  • 09 Hudson M . Humphries K . Tu JV . et al . Angiotensin II receptor blockers for the treatment of heart failure: a class effect?.  Pharmacotherapy. 2007;  27 526-534
  • 10 Lewington S . Clarke R . Qizilbash N . et al . Age-specific relevance of usual blood pressure to vascular mortality: a meta-analysis of individual data for one million adults in 61 prospective studies.  Lancet. 2002;  360 1903-1913

01 Candesartan in Heart failure Assessment of Reduction in Mortality and morbidity

02 Evaluation of Losartan In The Elderly study

#

Literatur

  • 01 Veronesi M . Cicero AF . Prandin MG . et al . A prospective evaluation of persistence on antihypertensive treatment with different antihypertensive drugs in clinical practice.  Vasc Health Risk Manag. 2007;  3 999-1005
  • 02 Mancia G . De Backer G . Dominiczak A . et al . 2007 Guidelines for the Management of Arterial Hypertension: The Task Force for the Management of Arterial Hypertension of the European Society of Hypertension (ESH) and of the European Society of Cardiology (ESC).  J Hypertens. 2007;  25 1105-1187
  • 03 Vauquelin G . Fierens F . Liefde Van I. Long-lasting angiotensin type 1 receptor binding and protection by candesartan: comparison with other biphenyl-tetrazole sartans.  J Hypertens Suppl. 2006;  24 S23-S30
  • 04 Lacourcière Y . Asmar R . A comparison of the efficacy and duration of action of candesartan cilexetil and losartan as assessed by clinic and ambulatory blood pressure after a missed dose, in truly hypertensive patients: a placebo-controlled, forced titration study. Candesartan/Losartan study investigators.  Am J Hypertens. 1999;  12 1181-1187
  • 05 Koenig W, on behalf of the Multicentre Study Group. Comparison of the efficacy and tolerability of combination tablets containing candesartan cilexitil and hydrochlorothiazide or losartan and hydrochlorothiazide in patients with moderate to severe hypertension. Results of the CARLOS-Study.  Clin Drug Investig. 2000;  19 239-246
  • 06 Young JB . Dunlap ME . Pfeffer MA . et al . Mortality and morbidity reduction with candesartan in patients with chronic heart failure and left ventricular systolic dysfunction: results of the CHARM low-left ventricular ejection fraction trials.  Circulation. 2004;  110 2618-2626
  • 07 Pitt B . Segal R . Martinez FA . et al . Randomised trial of losartan versus captopril in patients over 65 with heart failure (Evaluation of Losartan in the Elderly Study, ELITE).  Lancet. 1997;  349 747-752
  • 08 Pitt B . Poole-Wilson WA . Segal R . Effect of losartan compared with captopril on mortality in patients with symptomatic heart failure: randomised trial - the Losartan Heart Failure Survival Study ELITE II.  Lancet. 2000;  355 1582-1587
  • 09 Hudson M . Humphries K . Tu JV . et al . Angiotensin II receptor blockers for the treatment of heart failure: a class effect?.  Pharmacotherapy. 2007;  27 526-534
  • 10 Lewington S . Clarke R . Qizilbash N . et al . Age-specific relevance of usual blood pressure to vascular mortality: a meta-analysis of individual data for one million adults in 61 prospective studies.  Lancet. 2002;  360 1903-1913

01 Candesartan in Heart failure Assessment of Reduction in Mortality and morbidity

02 Evaluation of Losartan In The Elderly study

 
Zoom Image

Abb. 1 Relative Bindungsstärke (%) und Dissoziationshalbwertszeit (Minuten) von Candesartan im Vergleich zu anderen Angiotensin-Rezeptorblockern. nach [3]

Zoom Image

Abb. 2 Systolische Blutdrucksenkung von 16 mg Candesartan und 100 mg Losartan im Vergleich bis zum Ende des Dosierungsintervalls und darüber hinaus. nach [4]

Zoom Image