Pädiatrie up2date 2009; 4(4): 323-329
DOI: 10.1055/s-0029-1215286
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ADHS: diagnostische und therapeutische Herausforderungen in der Praxis

Jochen  Gehrmann, Marco  Hamburger, Sabrina  Sumargo, Elke  Boida
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Publication Date:
10 December 2009 (online)

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Die Symptomatik im Jugendalter

Etwa 3 – 5 % der Kinder erfüllen die diagnostischen Kriterien für eine Aufmerksamkeitsdefizit- (ADS) bzw. Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) [1] [2] [3]. 2 % der medizinischen Behandlungskosten für Kinder gehen zu Lasten von AD(H)S. Die AD(H)S-Kernsymptomatik umfasst Hyperaktivität, Konzentrationsdefizit und eine erhöhte Impulsivität. Unbehandelt müssen wir davon ausgehen, dass die Symptomatik bei bis zu 60 % der im Kindes- und Jugendalter Betroffenen im Erwachsenenalter bestehen bleibt [4] [5].

Die Symptomatik verändert sich im Jugendalter signifikant [6]. Während die hyperaktiven Verhaltensstörungen abnehmen, stehen in diesem Lebensabschnitt im Vordergrund eine innere Unruhe, Aufmerksamkeits- bzw. Konzentrationsstörungen, eine mangelnde Fähigkeit zur Selbstorganisation, ein gesteigertes Risikoverhalten („risk-taking behavior”), sowie eine erhöhte Verkehrsunfallgefährdung [7] [8], starke Stimmungsschwankungen, Ängste, Depressivität, Leistungsverweigerung, häufig eine sog. „Null-Bock-Mentalität”, oppositionelles Verhalten (bis hin zu extremen Wutausbrüchen) und nicht altersgemäß entwickelte soziale Kompetenzen [9] [10]. Nicht selten binden sich die betroffenen Jugendlichen an eine deviante Peergruppe und verstärken dadurch noch dissoziale Verhaltensweisen, was wiederum eine zeitgerechte Behandlung erschwert.

ADHS im Alltag

Jugendliche bzw. junge Heranwachsende mit ADHS haben oft erhebliche Schwierigkeiten im Alltag. Gravierende Beispiele sind Sucht- und Zwangsverhalten, viele unterschiedlich anmutende Verhaltensmuster, u. a. Versuche, die Leistungsfähigkeit mit hohen Mengen Schokolade, Kaffee, Cola, Energydrinks und Nikotin zu steigern [11] oder ein promiskuitiv-ungeschütztes Sexualverhalten [12] [13]. Manche Betroffene „behandeln” ihre innere Anspannung mit Alkohol, Cannabis oder Kokain und verschlimmern die Situation dadurch. So ist die Prävalenz für einen Substanzmittelmissbrauch bei AD(H)S auf 17 % vs. 8 % in der Allgemeinbevölkerung signifikant erhöht und noch stärker die Delinquenzrate: 27 % bei AD(H)S vs. 7 % in der Allgemeinbevölkerung [14] [15]. Insgesamt kann also nicht davon ausgegangen werden, dass sich die Symptomatik generell im Jugendalter auswächst, sondern sie kann sich individuell während der Pubertät sogar noch verschärfen.

Literatur

Dr. med. Jochen Gehrmann

Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie
Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie
Abt. f. Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie
Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin
St. Marien- und St. Annastiftskrankenhaus
Akademisches Lehrkrankenhaus der Universitäten Mainz und Mannheim

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