Dtsch Med Wochenschr 2009; 134(16): 834
DOI: 10.1055/s-0029-1220240
Korrespondenz | Correspondence
Frage aus der Praxis
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Schwächt die Entfernung nicht befallener Lymphknoten eines Krebsherdes die immunologische Abwehr?

F. Klein, M. Hallek
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Publication Date:
07 April 2009 (online)

Frage: Unter der Voraussetzung, dass es eine immunologische Krebsabwehr gibt, wird die Frage gestellt, ob es nach einer operativen Entfernung eines Krebsherdes sinnvoll erscheint, alle Lymphknoten in der Umgebung des Herdes zu entfernen. Es liegt nahe, anzunehmen, dass nur so weit regionale Lymphknoten entfernt werden sollten, wie Krebszellen in den regionären Lymphknoten nachweisbar sind.

Gibt es Daten oder Hinweise, ob die Entfernung nicht befallener Lymphknoten eines Krebsherds zu einer Schwächung der immunologischen Krebsabwehr führt?

Antwort: Obwohl die Funktion des Immunsystems in der Tumorkontrolle zunehmend an Bedeutung gewinnt, konnte eine Schwächung der immunologischen Krebsabwehr durch die Entnahme regionärer Lymphknoten bisher nicht nachgewiesen werden.

Das Konzept einer immunologischen Krebsabwehr wird seit den Arbeiten von Burnet und Thomas intensiv diskutiert [1]. Neuere Erkenntnisse zu Interaktionen zwischen Tumorzellen und Komponenten des Immunsystems unterstützen zunehmend die Bedeutung einer immunologischen Tumorkontrolle [5]. In diesem Zusammenhang ist davon auszugehen, dass auch regionäre Lymphknoten als Ort der Antigenpräsentation eine entscheidende Funktion übernehmen.

Bei der Manifestation einer Krebserkrankung können sich Tumorzellen offensichtlich der immunologischen Abwehr weitgehend entziehen. Dennoch gibt es Hinweise, dass die Tumorentwicklung im Verlauf durch das Immunsystem beeinflusst wird [2]. Die Rolle regionärer Lymphknoten in der tumorspezifischen Immunabwehr wird kontrovers diskutiert und kann in Abhängigkeit von der Tumorentität, dem Tumorstadium und der durchgeführter Therapie sehr unterschiedlich sein [4].

Um den Einfluss einer Lymphadenektomie nicht befallener Lymphknoten auf die Tumorentwicklung zu ermittlen, muss berücksichtigt werden, dass es intraoperativ nicht möglich ist, sicher zwischen befallenen und nicht befallenen Lymphknoten zu unterscheiden. Klinische Beobachtungen hinsichtlich einer begleitenden Lymphknotendissektion haben abhängig von der Tumorentität und dem Tumorstadium zu ganz unterschiedlichen Vorgehensweisen geführt. So ermöglicht oftmals (e. g. Malignes Melanom, Mammakarzinom) der Nachweis eines tumorfreien Sentinellymphknotens, weitere regionäre Lymphknoten zu belassen. Daten, die in dieser Situation eine verbesserte tumorspezifische Immunantwort nachweisen, liegen jedoch nicht vor. Im Gegensatz dazu korreliert bei Patienten mit einem kolorektalen Karzinom sowohl die Entfernung befallener als auch nicht befallener Lymphknoten mit einer besseren Prognose [3]. Obwohl die hier zu Grunde liegenden Mechanismen kontrovers diskutiert werden, sprechen diese Ergebnisse eher gegen eine entscheidende tumorsuppressive Funktion der regionären Lymphknoten.

Literatur

  • 1 Burnet F M. The concept of immunological surveillance.  Prog Exp Tumor Res. 1970;  13 1-27
  • 2 Galon J, Costes A, Sanchez-Cabo F, Kirilovsky A, Mlecnik B, Lagorce-Pagès C, Tosolini M, Camus M, Berger A, Wind P, Zinzindohoué F, Bruneval P, Cugnenc P H, Trajanoski Z, Fridman W H, Pagès F. Type, density, and location of immune cells within human colorectal tumors predict clinical outcome.  Science. 2006;  313 (5795) 1960-1964
  • 3 Green R J, Metlay J P, Propert K, Catalano P J, Macdonald J S, Mayer R J, Haller D G. Surveillance for second primary colorectal cancer after adjuvant chemotherapy: an analysis of Intergroup 0089.  Ann Intern Med. 2002;  136 (4) 261-269
  • 4 Kim R, Emi M, Tanabe K, Arihiro K. Immunobiology of the sentinel lymph node and its potential role for antitumour immunity.  Lancet Oncol. 2006;  7 (12) 1006-16
  • 5 Swann J B, Smyth M J. Immune surveillance of tumors.  J Clin Invest. 2007;  117 (5) 1137-1146

Dr. med. Florian Klein
Prof. Dr. med. Michael Hallek

Klinik I für Innere Medizin, Universitätsklinikum Köln

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