Sprache · Stimme · Gehör 2009; 33(1): 48
DOI: 10.1055/s-0029-1220812
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Meine Stimme aufwärmen ? - Patienteninformation

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Publication Date:
03 April 2009 (online)

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Lehrer kennen das Problem, jeder Sänger fürchtet es, aber auch Personen, die oft vor großen Menschenmengen reden, sind mit plötzlichem Stimmversagen konfrontiert. Im Nu ist der Betroffene irritiert und abgelenkt, auch sein Publikum spürt die Unsicherheit und wendet sich ab: Die Kommunikation ist gescheitert.

Unvorbereitet lassen vermehrte leistungsintensive Sprechanforderungen eine Stimme schnell ermüden. Deshalb sind Menschen, die in stimmintensiven Berufen arbeiten, auf ein systematisches Aufwärmen der Stimme angewiesen (engl.: Vocal Warm-up). Derartige Übungen bringen alle an der Stimmfunktion beteiligten Bereiche (Körperhaltung, Atmung, Stimmgebung und Lautbildung) in ein aufeinander abgestimmtes Gleichgewicht.

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Warnzeichen

  • Ihre Stimme wird schnell müde.

  • Das Sprechen strengt Sie mehr und mehr an.

  • Ihre Stimme klingt kratzig oder belegt.

  • Ihr Hals fühlt sich im Innern rau und eng an.

  • Ihre Stimme ist überwiegend laut.

  • Sie können nicht mehr leise sprechen.

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"Stimmungsvoller" Tagesbeginn

Schläft der Körper, dann ruht auch die Stimme. Frühmorgens erscheint Ihnen Ihre Stimme daher noch fremd: Sie ist rau und tief, der Mund ist oft trocken. Am Anfang jedes Warm-ups steht daher ein Glas warmes Wasser, um die Schleimhäute zu befeuchten. Oft fühlt es sich auch an, als hätten Sie einen "Frosch" im Hals: Dann befindet sich zu viel Schleim auf den Stimmlippen, den Sie vorsichtig wegschlucken müssen. Gelingt das nicht, kann Ihnen auch ein leichtes, lockeres Hüsteln helfen. Vor jedem Warm-up prüfen Sie bitte Ihre stimmliche Tagesverfassung: Wie klingt meine Stimme heute, spricht sie leicht oder eher mühsam an? Wie fühle ich mich? Das Ergebnis entscheidet mit über Veränderungen im Übungsprogramm und über das stimmliche Verhalten.

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Stimmliches Aufwärmprogramm

Das Vocal Warm-up ist ein tägliches Atmungs-, Bänder-, Gelenke- und Muskeltraining, um den Körper als Klanginstrument für die Stimme fit zu machen.

  • Dehnen Sie sich gähnend im Raum. Beklopfen Sie Ihren Körper, schütteln Sie ihn elastisch durch und lassen Sie die Lippen dazu flattern, so als kämen Sie gerade aus kaltem Wasser. Beugen und strecken Sie sich, lockern Sie den Körper durch gymnastische Übungen.

  • Schnuppern Sie die Luft durch die Nase ein, lassen Sie sie mit schwingenden Armbewegungen auf die Konsonanten /w/ oder /s/ herausfließen und danach "wie von selbst" wieder einströmen.

  • Mit leisen, tiefen und luftigen Vokalen /u/ oder /ü/ regen Sie die Schleimhautmobilität des Kehlkopfes an. Sie spüren, wie die Stimme leicht und ohne Druck einsetzt. Sie lassen die Stimme jetzt vom tiefsten Ton mit geringer Lautstärke in die Höhe und in die Tiefe gleiten, und achten dabei darauf, dass der weiche Klang nicht verloren geht.

  • Beginnen Sie leise mit dem An-und Abschwellen eines Tones, werden Sie lauter und wieder leise. Üben Sie dabei, die Ausatmung zu verlängern und gleichzeitig Luftdruck und Stimmlippenfunktion in ein fein aufeinander abgestimmtes Gleichgewicht zu bringen. Halten Sie den Brustkorb dabei in einer spürbaren Dehnweite, lassen Sie ihn nicht zusammensinken.

  • Singen Sie kleine Melodien im Wechsel lauter und leiser, höher und tiefer. Sie sorgen für Elastizität und für die Kräftigung der Stimmlippen.

  • Sie finden Ihre individuelle Sprechstimmlage, Ihren Wohlfühlbereich, aus dem heraus Sie stimmlich agieren. Das Lockern von Lippen, Zunge, Kiefer- und Gesichtsmuskulatur fördert eine leichte und flüssige Lautbildung. Ein resonanzreicher angenehmer Stimmklang ist die Folge. Vermeiden Sie einen monotonen Sprechablauf. Nutzen Sie Ihre Stimme stattdessen mal laut und mal leise, mal dynamisch und mal rhythmisch, um durch den Wechsel von Spannung und Lösung die stimmliche Elastizität zu fördern.

Diese Übungen sind einfach, äußerst wirkungsvoll und sie sorgen dafür, dass Sie sich bei der nächsten öffentlichen Rede oder auch beim Vorstellungsgespräch auf Ihre Stimme verlassen können.

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Fazit

Beim Aufwärmen der Stimme handelt es sich um aufeinander abgestimmte Basisübungen der Funktionsbereiche Atmung, Stimmgebung und Lautbildung. Es erfordert die Aktivierung einer aufgerichteten Körperhaltung, eine ausgeglichene Muskelspannung, eine achtsame Aufmerksamkeit für unser Körperinstrument wie auch für die Stimme, sowie psycho-physische Ausgeglichenheit. Erst im Zusammenspiel entwickelt sich das gehobene Gefühl, gut für die stimmlichen Anforderungen gerüstet zu sein und sich auf die Stimme und ihre Ausdruckskraft verlassen zu können.

M. Spiecker-Henke, Bremen