PiD - Psychotherapie im Dialog 2009; 10(4): e1-e7
DOI: 10.1055/s-0029-1223398
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Der E-Patient

Chancen und Risiken des Internets in Medizin und PsychotherapieChristiane  Eichenberg
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Publication Date:
20 November 2009 (online)

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Einführung

„Anja (28) bemerkt seit einigen Wochen, dass sie sich immer mehr von ihren Freunden zurückzieht, Angst hat, mit ihnen auszugehen. Gerade hat sie ihr Studium abgeschlossen. Sie hat sich auf verschiedene Stellen beworben, auch eine Einladung zu einem Vorstellungsgespräch erhalten, die sie aber nicht wahrgenommen hat. Sie hatte Angst, sich zu blamieren, gegebenenfalls kein Wort mehr herauszubekommen. Besorgt über ihren Zustand und ihre Zukunft informiert sie sich im Internet. Bald identifiziert sie sich selbst mittels Informationsseiten und Selbsttests als „Sozialphobikerin”. Sie findet Hinweise auf Selbsthilfebücher, Angebote von Psychologen, die ihr Hilfe via E-mail anbieten, und recherchiert, dass es spezielle Computersimulationen gibt, die ihr die befürchteten Situationen „real” nachstellen, welche sie so zunächst „virtuell” üben kann, wie z. B. ein Vorstellungsgespräch. Anja vertraut sich einer Freundin an und möchte mit ihr besprechen, welche dieser Hilfsangebote wohl das Beste für sie seien. Die Freundin bemerkt kritisch, dass nur eine traditionelle Psychotherapie hilfreich sei. Anja ist verwirrt. Genau davor hat sie doch gerade Angst, vor Menschen, jemandem gegenüberzusitzen, dort offen über sich zu sprechen, das scheint ihr unmöglich” (Eichenberg 2008).

Wer heute im Internet „ich habe Angst mich zu blamieren” googelt, erhält 19 300 Treffer (6.8.2009) die sich mit sozialen Ängsten beschäftigen. Für Betroffene tut sich ein Dschungel von Web-Angeboten auf, zu fast jedem Störungsbild sind mannigfache Informationen online zugänglich. Ratsuchende stehen dabei vor der Herausforderung, seriöse von unseriösen Seiten zu unterscheiden und gleichzeitig noch die „beste” Therapiemethode für sich zu identifizieren. Mit der Verfügbarkeit unterschiedlichster medialer Hilfsofferten – Selbsthilfebücher, E-mail-Beratungen, psychoedukative WWW-Informationen, virtuelle Selbsthilfegruppen etc. – wird die Entscheidung für die „richtige” Intervention zur Überwindung des eigenen Problems noch komplizierter: Welche dieser Maßnahmen wirken, wie wirken sie, für welche Problembereiche und Personen sind mediengestützte Interventionsformen hilfreich?

Auch auf Behandlerseite eröffnen sich mit virtuellen Angeboten / Technologien neue Herausforderungen. Wie wird dem online-informierten Patienten im Behandlungsgespräch begegnet, wie sollen patientenseits eingebrachte Internetinformationen bewertet und genutzt werden, wie sinnvoll ist es, E-Kommunikationsformen in laufende Behandlungen einzubinden, welche Kompetenzen sind dazu nötig bis hin zu Fragen nach dem Datenschutz und rechtlichen Grundlagen von Online-Behandlungsformen. In diesem Beitrag werden, mit dem Fokus auf psychische Störungen, die Chancen und Risiken der Online-Möglichkeiten für Patienten wie Behandler darzustellen versucht, die Implikationen für die therapeutische Beziehung(sgestaltung) herausgearbeitet sowie sich ergebende Herausforderungen und Lösungsansätze skizziert.

Literatur

Dr. Christiane Eichenberg, Dipl.-Psych.

Institut für Klinische Psychologie und Psychologische Diagnostik
Universität zu Köln

Höninger Weg 115

50969 Köln

Email: eichenberg@uni-koeln.de