Aktuelle Neurologie 2010; 37(1): 4-9
DOI: 10.1055/s-0029-1223433
Originalarbeit

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Rehabilitation bei Multipler Sklerose in Deutschland – Ergebnisse einer Umfrage

Rehabilitation in Multiple Sclerosis in Germany – Results of a SurveyC.  Heesen1 , E.  Stückrath1 , S.  Köpke2 , B.  Hauptmann3 , T.  Henze4
  • 1Institut für Neuroimmunologie und klinische Multiple Sklerose Forschung (inims)
  • 2Universität Hamburg, Fachwissenschaft Gesundheit
  • 3Segeberger Kliniken, Neurologisches Zentrum
  • 4Reha-Zentrum Nittenau, Rehabilitationszentrum für Neurologie
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
22. Dezember 2009 (online)

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Zusammenfassung

Die Multiple Sklerose (MS) ist eine über 30–40 Jahre verlaufende Erkrankung bei der die Rehabilitation eine Schlüsselbedeutung im Behandlungskonzept innehat. Ziel dieser 2007 durchgeführten Umfrage an neurologischen Reha-Kliniken in Deutschland (n = 183) war, Behandlungsstrukturen und Konzepte vor diesem Hintergrund zu erfassen. Bei 90 Bögen, die ausgewertet werden konnten, berichten 20 Kliniken einen MS-Schwerpunkt mit einer mittleren Zahl von 30 Betten für MS-Patienten zu unterhalten. In der Betreuungsstruktur findet sich in der Regel ein Neurologe auf 24 Patienten und ein Neuropsychologe auf 30 Patienten. Ein Sozialarbeiter / -pädagoge kommt auf 119 Patienten. Im Vordergrund der Rehaprogramme stehen die Physiotherapie und das Neurosporttraining, die nahezu alle Einrichtungen einsetzen. In der Physiotherapie dominieren Bobath-Techniken, im Neurosport Ergometerbelastungen. Differenzierte Ataxietrainings sind in MS-spezialisierten Einrichtungen häufiger als in allgemein neurologischen Reha-Kliniken. Zwei Drittel der MS-Patienten werden neuropsychologisch untersucht, ein kognitives Training wird von allen Einrichtungen angeboten. Durchschnittlich wird eine Stunde wöchentlich eine Krankheitsschulung angeboten. Eine systematische, schriftlich fixierte Zielsetzung und Evaluation mit MS-spezifischen, standardisierten Instrumenten findet in weniger als 20 % der Kliniken statt. Fast alle Kliniken verfügen über ein breites Spektrum an Therapeuten. Allerdings besteht in den Bereichen Neuropsychologie und Sozialpädagogik ein Betreuungsverhältnis, das eine differenzierte berufliche und soziale Reha schwierig erscheinen lässt. Zielformulierung und Evaluation scheinen weiter entwicklungsfähig. Personelle Unterbesetzung, wachsender Ärztemangel, wachsender ökonomischer Druck und nur geringe Forschungsresourcen für den Bereich Reha lassen befürchten, dass die grundsätzlich guten Voraussetzungen im deutschen Gesundheitssystem nicht weiterentwickelt werden. Eine Verbesserung der Evidenzlage und eine Verbesserung der Umsetzung sind hingehend zwingend, um langfristig die Verfügbarkeit von MS-Reha sicherzustellen.

Abstract

Multiple sclerosis is a disease covering 30–40 years. Rehab is an established treatment concept although scientific evidence of effectiveness is modest. This survey among German neurological rehab units (n = 183) was performed to obtain an overview about treatment structures and concepts. 90 questionnaires were analysed of which 20 clinics reported as specialised in MS with units of about 30 beds. In the management structures, there is on average 1 neurologist per 24 patients and 1 neurophysiologist per 30 patients. One social worker covers 199 patients. Physiotherapy and exercise training are the main approaches. Training for ataxia is more frequent in specialised units than in general rehab units. 2 / 3 patients undergo neuropsychological examination, cognitive training is performed in all units. Group education programmes are administered for about 1 h / week in all centres. Less than 20 % perform written goal-setting and very few use disease-specific standardised outcome measures. Nearly all units cover a broad expertise of approaches. As neuropsychologists and social workers have to manage up to 199 patients, a differentiated social and vocational rehab seems difficult. Goal setting and evaluation of the rehab process could be further developed. Lack of personnel, increasingly of physicians and increasing economic pressure as well as a lack of research resources for rehab seem to be risk factors that the prevailing concept of rehab in Germany might not be further developed. Further scientific evidence and implementation studies are needed to secure the long-term availability of rehab in MS.

Literatur

Prof. Christoph Heesen

Institut für Neuroimmunologie und klinische Multiple Sklerose Forschung (inims)

Martinistr. 52

20246 Hamburg

eMail: heesen@uke.de