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DOI: 10.1055/s-0029-1237496
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart ˙ New York
Therapie des Typ-2-Diabetes mit Liraglutid - Physiologische Blutzuckersenkung mit nur geringer Hypoglykämiegefahr
Publikationsverlauf
Publikationsdatum:
26. August 2009 (online)
Mit Liraglutid (Victoza®) hat das erste humane-GLP-1 Analogon die europäische Zulassung für die Behandlung von Menschen mit Typ-2-Diabetes erhalten. Eine effektive Blutzuckersenkung mit nur geringer Hypoglykämiegefahr bei gleichzeitig positiver Beeinflussung weiterer Parameter des metabolischen Syndroms sind die Vorzüge der neuen Substanz. So kommt es bei nur einmal täglicher Injektion zusätzlich zu einer Gewichtsreduktion, bevorzugt an der kardiovaskulär problematischen viszeralen Fettmasse, und zu einer Senkung des systolischen Blutdrucks.
Liraglutid unterscheidet sich vom körpereigenen Glukagon-like-Peptide-1 (GLP-1) lediglich durch den Austausch einer Position in der Aminosäuresequenz und durch eine zusätzliche Seitenkette mit einer Fettsäure. Letztere verhindert den beim körpereigenen GLP-1 innerhalb von etwa 90 Sekunden stattfindenden Abbau des Peptids (dieses ist deshalb zur Therapie nicht geeignet) und steht einer stabilen Bindung an den GLP-1 Rezeptoren der Inselzellen nicht im Wege. Lotte Bjerre Knudsen, Kopenhagen, die Liraglutid entwickelt hat, betont, dass mit dieser Struktur eine 97 %ige Übereinstimmung mit dem humanen GLP-1 erreicht wird und daraus eine geringere Antikörperbildung resultiert. Außerdem verhindert die angebaute lange Seitenkette eine Eliminierung der Substanz über die Niere. Der verzögerte Abbau des Peptids über die Dipeptidyl-Peptidase-4 (DPP-4) resultiert schließlich in einer Halbwertszeit von 13 Stunden, damit wird eine einmal tägliche Gabe möglich.
In LEAD an mehr als 4 200 Patienten geprüft
Nach Prof. Dr. Mads Krogsgaard Thomsen, Kopenhagen, im Vorstand von Novo Nordisk für Wissenschaft und Medizin verantwortlich, hat Liraglutid eines der umfangreichsten Studienprogramme in der Geschichte der Entwicklung von Antidiabetika durchlaufen. In den 6 Studien des LEAD-Studienprogramms (Liraglutide Effect and Action in Diabetes) wurden mehr als 4 200 Patienten mit verschiedenen Fragestellungen zur Wirksamkeit und Sicherheit der neuen Substanz eingeschlossen. Dabei wurde das humane-GLP-1 Analogon in verschiedenen Stadien der Diabetes-Erkrankung als Monotherapie oder in Kombination mit oralen Antidiabetika getestet. Als Referenz dienten jeweils etablierte Therapieregime, insbesondere mit Metformin, aber auch mit Sulfonylharnstoffen, Thiazolidindionen und Insulin, sowie gebräuchliche Kombinationstherapien. Während der jeweils 26 Wochen dauernden Beobachtungen konnte Liraglutid beinahe durchgängig mit einer signifikant besseren HbA1c-Senkung aufwarten. Lediglich in der LEAD 2-Studie war die kombinierte Gabe von Liraglutid und Metformin der Kombinationstherapie mit Sulfonylharnstoff und Metformin "nur" ebenbürtig. Überlegen war Liraglutid auch in der Vergleichsstudie LEAD 6, in der die beiden GLP-1-Mimetika Liraglutid und Exenatid jeweils mit Metformin und/oder Sulfonylharnstoff kombiniert wurden. Insgesamt, so Krogsgaard, konnten fast zwei Drittel aller Patienten, die mit Liraglutid behandelt wurden, HbA1c-Werte unter 7 % erreichen. In der Monotherapie-Studie LEAD 3 erwies sich dieser Effekt im Median für alle Studienteilnehmer gegenüber Glimepirid auch über zwei Jahre als nachhaltig. In dieser Studie ließ sich auch eine gute Verträglichkeit der Therapie bestätigen. Zwar klagten bis zu 14 % der mit Liraglutid behandelten Patienten anfangs über Übelkeit. Nach 2 bis 3 Monaten gingen die gastrointestinalen Beschwerden aber deutlich zurück und unterschieden sich in der Folge nur unwesentlich von denen unter Glimepiridtherapie. In der Vergleichsstudie LEAD 6 schnitt Liraglutid in dieser Hinsicht wesentlich besser ab als Exenatid, da unter Therapie mit dem Vergleichspräparat knapp 10 % der Patienten auch nach 26 Wochen noch unter Übelkeit litten.
Die gute Verträglichkeit von Liraglutid führte Prof. Dr. Michael Nauck, Bad Lauterberg, vor allem auf die lange Halbwertszeit des Präparates zurück. Bereits nach 3 Injektionen wird ein Fließgleichgewicht erreicht, größere Konzentrationsschwankungen im Plasma bleiben aus. Als weiteren entscheidenden Vorteil nannte er, dass Hypoglykämien unter Liraglutid so selten auftreten wie bei Placebogabe, dafür sei der natürliche Wirkmechanismus des Inkretinhormons GLP-1 verantwortlich. Dieser stimuliert unterhalb einer Glukosekonzentration von 70 mg/dl nicht mehr die Insulinfreisetzung aus den Betazellen, lässt aber die gegenregulatorische Aktivität der glukagonbildenden Alphazellen zu. Positiv ist nach Nauck auch die Entwicklung des Körpergewichts unter der Therapie mit Liraglutid. Die Gewichtsreduktion setzte bereits nach 2 Wochen ein und summierte sich nach 26 Wochen bei allen Patienten des LEAD-Studienprogramms auf durchschnittlich 2,6 kg. Zusätzlich sei auch eine Verbesserung des kardiovaskulären Risikoprofils zu erwarten. So zeigte sich unter Liraglutid nicht nur eine gewichtsunabhängige signifikante Blutdruckabsenkung um 4,3 mmHg, sondern auch eine deutliche Reduktion der Triglyzeride und der inflammatorisch bedeutsamen Marker PAI-1 und CRP. Zudem wurde das BNP, ein Marker für eine kardiale Insuffizienz, deutlich abgesenkt.
Wer sollte Liraglutid bevorzugt erhalten?
Vor diesem Hintergrund empfahl Nauck die Therapie mit dem neuen GLP Analogon insbesondere für Patienten mit Übergewicht. Auch bei Patienten, denen die Bereitschaft zu einer aufwendigen Insulintherapie mit häufiger Blutzuckerselbstkontrolle fehlt, stellt Liraglutid seiner Auffassung nach aufgrund der geringen Hypoglykämiegefahr eine gute Alternative dar.
Liraglutid ist für die Kombinationstherapie mit Metformin oder einem Sulfonylharnstoff zugelassen, eine Kombinationstherapie mit beiden Wirkstoffen ist möglich. Auch für eine Kombinationstherapie mit Metformin und einem Thiazolidindion wurde die Zulassung erteilt. Voraussetzung ist stets eine unzureichende Blutzuckerkontrolle unter der bisherigen Therapie.
Martin Wiehl
Quelle: Einführungspressekonferenz "Humanes-GLP-1-Analogon Liraglutid - Diabetestherapie mit System" am 18. Juni 2009 in Frankfurt/Main. Mit freundlicher Unterstützung durch Novo Nordisk Pharma GmbH, Mainz. Der Autor ist freier Journalist. |