Subscribe to RSS
DOI: 10.1055/s-0029-1239628
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart ˙ New York
Neuropathische Schmerzen - Auf dem besten Weg hin zur individualisierten Schmerztherapie
Publication History
Publication Date:
11 September 2009 (online)
- Typische sensorische Schmerzmuster
- Typische sensorische Probleme und Intensitätsprofile
- Schmerzcluster - auf dem Weg in die Praxis
- Literatur
Schmerz ist nicht gleich Schmerz. Dies gilt nicht nur für die Unterscheidung zwischen nozizeptiven und neuropathischen Schmerzen, sondern führt noch weiter. Obwohl beispielsweise die neuropathischen Schmerzkomponenten bei einer diabetischen Polyneuropathie (DPN) oder einer postherpetischen Neuralgie (PHN) mit einer NervenschäÂdigung eine gemeinsame pathophysiologische Ursache haben, lassen sich anhand von insgesamt 12 einfachen Fragen aus dem painDETECT-Fragebogen bei den Patienten durchaus unterschiedliche Schmerzmuster feststellen [1].
Typische sensorische Schmerzmuster
So gibt es Patienten, die vor allem Taubheitsgefühle ihrer Extremitäten beschreiben und darüber hinaus oft brennende oder stechende Schmerzen erleben, während Schmerzkomponenten wie eine Allodynie oder eine thermische Hyperalgesie bei ihnen eher von untergeordneter Bedeutung sind. Bei anderen wiederum sind vor allem Schmerzattacken besonders ausgeprägt, und auch Taubheitsgefühle sowie eine mechanische Hyperalgesie spielen eine relativ große Rolle. Weniger auffällig dagegen sind brennende oder stechende Schmerzen, Taubheitsgefühle oder die Allodynie.
Dies sind nur 2 der 5 unterschiedlichen Schmerzcluster, die Prof. Ralf Baron, Kiel, gemeinsam mit seinen Koautoren in seiner aktuellen Studie identifiziert hat [1]. Dabei waren proportional mehr Patienten mit schmerzhafter diabetischer Polyneuropathie als Patienten mit Herpes-zoster-Neuralgie diesen beiden Schmerzprofilen zuzuordnen (26 versus 5 % bzw. 16 versus 11 %).
Typische sensorische Probleme und Intensitätsprofile
Generell scheinen Patienten mit diabetischer Polyneuropathie öfter an klinisch relevanten Taubheitsgefühlen zu leiden als Patienten mit postherpetischer Neuralgie (30 versus 11 %; p < 0,001). Dies sei möglicherweise ein Ausdruck der Denervation in den Händen und Füßen, schätzt Baron. Im Gegensatz dazu sind klinisch relevante thermale Hyperalgesien oder temperaturassoziierte Schmerzen eher ein Kennzeichen der postherpetischen Neuralgie (47 versus 18 % bzw. 31 versus 14 %; p < 0,001).
Auch bezüglich der Intensität der Schmerzen hat die Studie Unterschiede zwischen den beiden Studiengruppen aufgezeigt. Patienten mit diabetischer Polyneuropathie beschreiben ihre Schmerzen besonders oft als "andauernd mit nur leichten Fluktuationen" (30,8 %), während PHN-Patienten vor allem von andauernden Schmerzen mit Schmerzattacken berichten (38,8 %).
sts
Schmerzcluster - auf dem Weg in die Praxis


Dem Ansatz, Patienten mit neuropathischen Schmerzen systematisch bestimmten Untergruppen zuzuordnen, liegt die Idee zugrunde, dass die verschiedenen Schmerztypen auch unterschiedlich gut auf verschiedene Pharmaka ansprechen könnten. Wir sprachen daher mit Prof. Ralf Baron, Kiel, und wollten wissen, wie sich diese - derzeit noch theoretischen Ergebnisse - seiner Meinung nach in die klinische Praxis "übersetzen" lassen.
? Lässt sich die Zuordnung der Schmerzpatienten in die von Ihnen definierten Cluster in die tägliche ärztliche Praxis übertragen?
Prof. Ralf Baron: Prinzipiell hat die Studie diese Clusterung an einer großen Kohorte an Patienten mit diabetischer Polyneuropathie und postherpetischer Neuralgie durchgeführt. Derzeit korrelieren wir die Studienergebnisse mit den Resultaten einer objektiven quantitativ-sensorischen Testung. Das geht gar nicht so schlecht, allerdings dauert ein solcher Test 2 Stunden - zu viel für den klinischen bzw. den Praxisalltag.
Über die Befragung unserer Patienten anhand der Merkmale des painDETECT-Fragebogens erhoffen wir uns einen Kompromiss, um die Symptome unserer Patienten schnell einordnen zu können. Ein EDV-Programm würde dann - auf Knopfdruck und auf der Grundlage unserer Daten - berechnen können, zu welcher der von uns bestimmten Untergruppe von Patienten diese der größten Wahrscheinlichkeit zuzuordnen sind.
? Kann sich eine solche Clusterung der Patienten auch auf die Therapieentscheidung auswirken, die Sie im individuellen Fall treffen würden?
Baron: Durch die Clusterung haben wir tatsächlich bestimmte Patientengruppen definiert, die möglicherweise besonders gut auf ein spezifisches Medikament oder eine spezifische Medikamentengruppe zur Schmerzreduktion ansprechen könnten. Denn die verschiedenen sensorischen Symptome, die wir mit den Fragen prüfen, sind mit unterschiedlichen Entstehungsmechanismen der Schmerzen assoziiert. Über diese Symptome erhalten wir also Auskunft über die Mechanismen und können darauf unsere Therapieentscheidung stützen. Denn unterschiedliche Medikamente beeinflussen verschiedene Mechanismen. Und wenn wir wissen, welches Medikament in dieser Situation am besten wirkt, hilft uns dies weiter.
? Können Sie uns hierfür Beispiele nennen?
Baron: Noch steht der Beweis aus, dass eine Subgruppe besonders gut auf ein bestimmtes Medikament anspricht. Dies werden wir jetzt in den Folgestudien prüfen. Theoretisch kann man natürlich spekulieren. Sind durch die Erkrankung bereits viele Nervenzellen untergegangen, würde man Medikamente einsetzen, welche über eine deszendierende Kontrolle die zentrale Kontrolle der Schmerzwahrnehmung beeinflussen können, wie zum Beispiel Antidepressiva. Sind die Symptome dagegen charakteristisch für eine Überempfindlichkeit im zentralen Nervensystem, würde man lieber Medikamente einsetzen, die solche überempfindlichen Neuronen etwas dämpfen - wie zum Beispiel Pregabalin. Die Substanz bindet selektiv und mit hoher Affinität an die präsynaptischen alpha2-delta-Untereinheiten spannungsabhängiger Kalziumkanäle und moduliert dadurch den Kalziumeinstrom in die Nervenzelle.
?! Herr Professor Baron, wir bedanken uns für dieses Gespräch.
Literatur
Literatur

