Der Klinikarzt 2009; 38(11): 485
DOI: 10.1055/s-0029-1243760
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Diabetesversorgung im Krankenhaus

Andreas Hamann
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Publication Date:
07 December 2009 (online)

Nach der fallpauschalenbezogenen Krankenhausstatistik (DRG–Statistik) wurden im Jahr 2007 insgesamt 16,6 Millionen Patientinnen und Patienten aus der vollstationären Krankenhausbehandlung entlassen. Der Anteil von Fällen mit Primärdiagnose „Diabetes mellitus” betrug ca. 216 000 und somit etwa 1,3  % aller stationär behandelte Patienten. Wesentlich größer, aber weitaus schwerer bezifferbar, ist der Anteil von stationären Patienten mit der Nebendiagnose Diabetes mellitus. Erhebungen an großen Kliniken, wie sie auch in diesem Schwerpunktheft zum Thema Diabetesversorgung im Krankenhaus beschrieben werden, gehen von einer Prävalenz von bis zu 30  % aus. Jedoch wird nur bei einem wesentlich geringeren Anteil von Patienten die Nebendiagnose Diabetes tatsächlich gestellt bzw. Folgekomplikationen erkannt. Dies wirkt sich nicht nur ungünstig auf die Erlössituation der individuellen Klinik aus, sondern in vielen Fällen auch auf die Versorgung der betroffenen Patienten mit Diabetes.

Für die Versorgung von Patienten mit Diabetes mellitus, die wegen einer entgleisten Stoffwechsellage oder einer spezifischen diabetischen Komplikation (beispielsweise dem diabetischen Fußsyndrom) eine stationäre Krankenhausbehandlung benötigen, stehen immer weniger spezialisierte diabetologische Fachabteilungen zur Verfügung. So gingen an deutschen Universitätskliniken in den vergangenen Jahren etliche eigenständige Lehrstühle für Endokrinologie und Diabetologie verloren. Wo dieses der Fall ist, erfolgt zumeist die diabetologische Versorgung unter oberärztlicher Fachaufsicht in primär gastroenterologischen Abteilungen. Für den ambitionierten medizinischen Nachwuchs ist die Diabetologie daher schon lange kein Fach mehr, welches attraktive Perspektiven im akademischen oder stationären Bereich bietet.

Denn auch an städtischen, kirchlichen und privaten Kliniken finden sich zunehmend weniger auf Diabetologie spezialisierte Abteilungen. Ein nicht unerheblicher Grund hierfür ist natürlich die Verlagerung diabetologischer Leistungen in den ambulanten Bereich. Hierzu wurde in Deutschland ein nahezu flächendeckendes Netz von diabetologischen Schwerpunktpraxen etabliert, in denen überwiegend eine sehr gut qualifizierte Versorgung angeboten wird. Dennoch besteht in vielen Fällen bei Ausschöpfen der ambulanten Therapieoptionen die Notwendigkeit für eine Einweisung in eine stationäre diabetologische Einrichtung. Es wäre zu wünschen, dass die Versorgung dieser Patienten mit der Primärdiagnose Diabetes mellitus nach Ausschöpfung der ambulanten Möglichkeiten oder bei akuten Problemen vornehmlich in entsprechend zertifizierten Einrichtungen erfolgt, welche die notwendigen Voraussetzungen seitens Struktur– und Prozessqualität gegenüber der Deutschen Diabetes–Gesellschaft als zuständiger Fachgesellschaft nachgewiesen haben. Gleiches gilt für die Behandlung des diabetischen Fußsyndroms in entsprechend hierfür qualifizierten und zertifizierten Einrichtungen.

Was nun die Behandlung eines Diabetes mellitus als Nebendiagnose betrifft, so hat diese in allen deutschen Krankenhäusern zu erfolgen. Jede Klinikleitung sollte kritisch überprüfen, wie eine Versorgung von Patienten mit der Begleiterkrankung Diabetes mellitus jeglicher Entität auf möglichst hohem Niveau sichergestellt werden kann. Aufgrund der weiten Verbreitung des Diabetes mellitus als Nebenbefund zu jeder Primärdiagnose, mit der Menschen in Krankenhäusern aufgenommen werden, betrifft dieses sämtliche nichtoperativen und operativen Fächer der Medizin. Insofern sind auch die in diesem Heft enthalten Artikel zur perioperativen Versorgung von Patienten mit Diabetes sowie zum Thema Insulintherapie auf der Intensivstation Beiträge, um die Sensibilität für das Thema Hyperglykämie im allen stationären Bereichen zu schärfen. Die Etablierung von Diabetes–Teams und die Benennung von Verantwortlichen auf jeder einzelnen Station für das Thema Diabetes kann erheblich zur Verbesserung der aktuellen Versorgungssituation beitragen.

Keinesfalls kann jedoch die komplette stationäre Diabetologie in einigen Schwerpunktartikeln abgebildet werden. Alle Autoren wollen in ihren Beiträgen auf spezifische Fragestellungen im Zusammenhang mit der Versorgung von Diabetespatienten an deutschen Krankenhäusern hinweisen. Dieses kann jeweils nur einen Denkanstoß bieten. Unser Ziel ist, dass engagierte Diabetologen, Diabetesberater und/oder Diabetesassistenten in unserer vielfältigen Krankenhauslandschaft die Möglichkeit bekommen, im Dialog mit den anderen Disziplinen der Klinik die medizinischen Belange der Patienten mit Diabetes zu vertreten. Ein lohnender Nebeneffekt ist eine häufig verkürzte Verweildauer im Krankenhaus, ein komplikationsärmerer stationärer Verlauf und letztlich zufriedenere Patienten. Angesichts des hohen Anteils von der Diagnose Diabetes Betroffener unter den stationären Patienten könnte deren erneute Wahl eines Krankenhauses auch davon abhängen, wie auf das spezielle Problem des Diabetes mellitus in der jeweiligen Klinik eingegangen wurde. Gemeinsam mit allen Autoren dieses Schwerpunktheftes wünsche ich Ihnen viel Freude und Erkenntnisgewinn beim Lesen.

Mit besten kollegialen Grüßen

Prof. Dr. med. Andreas Hamann

Bad Nauheim

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