Suchttherapie 2010; 11(1): 42-50
DOI: 10.1055/s-0029-1246148
Originalarbeit

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Erhebung von Ansätzen guter Praxis zur Integration Suchtkranker ins Erwerbsleben im Rahmen des SGB II – Ergebnisse einer bundesweiten Befragung

Good Practice of Job Integration of Persons with Substance Use Disorders under the Condition of the Social Law SGB II – Results from a Representative SurveyJ. Henke1 , D. Henkel2 , B. Nägele1 , N. Pagels1 , A. Wagner3
  • 1Zoom – Gesellschaft für prospektive Entwicklungen e.V. Göttingen
  • 2Institut für Suchtforschung der Fachhochschule Frankfurt a. M.
  • 3FIA – Forschungsteam Internationaler Arbeitsmarkt GmbH Berlin
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Publication History

Publication Date:
25 February 2010 (online)

Zusammenfassung

Im Auftrag des Bundesgesundheitsministeriums wurde untersucht, welcher Umsetzungsstand bei der Betreuung und beruflichen Integration Suchtkranker im Rahmen des SGB II unter dem Blickwinkel guter Praxis erreicht wurde. Dazu wurden zwei Online-Befragungen durchgeführt, an denen sich 323 der 439 SGB II-Stellen beteiligten und 80 von jenen 135 Suchtberatungsstellen, die von den SGB II-Stellen als Partner mit geregelter Kooperationsbeziehung für eine Suchtberatung nach § 16a SGB II genannt wurden. Die Ergebnisse zeigen eine große Heterogenität im Umsetzungsstand in Hinblick auf organisationelle Rahmenbedingungen (Betreuungsrelation, suchtspezifische Schulung, Fachkonzeptentwicklung usw.) und auch in jeder Phase der Fallbearbeitung: vom Erkennen des Suchtproblems, über die konkrete Kooperation mit Suchtberatungsstellen, den Umgang mit Sanktionen, die Schnittstelle zur Suchtrehabilitation bis hin zur Konzipierung und Durchführung von Qualifikations- und Beschäftigungsmaßnahmen. Eine Integration in den ersten Arbeitsmarkt wird nur ausnahmsweise erreicht. Fortschritte in der Praxis sind zu erzielen vor allem durch bessere Betreuungsrelationen, deutliche Erhöhung des suchtspezifischen Qualifikationsniveaus der SGB II-Fachkräfte, engere Kooperation mit der Suchthilfe, stärkere Berücksichtigung von suchtspezifischen Komponenten in den Qualifizierungs- und Beschäftigungsmaßnahmen und Informierung der SGB II-Fachkräfte über die einschlägigen Rechtsvorschriften im Bereich des Datenschutzes und der Schweigepflicht, die häufig nicht rechtskonform gehandhabt werden.

Abstract

Commissioned by the Federal Ministry of Health a study was carried out to get a comprehensive overview of existing provisions of job centres for addicted welfare recipients capable of working. Special focus of the study was advice and job placement with a focus on best-practice. The latest “Hartz IV” reform in labour market policy gave job centers new options for the support of unemployed with addictions and led to new cooperation needs between addiction counselling services and job centers. Within the new Social Law SGB II job centers have the opportunity to impose financial sanctions for long term unemployed with addictions who are not willing to see addiction counselling services. Two online-surveys were conducted in which 323 of existing 439 job centers took part and 80 of 135 addiction counselling services, who were named by the participating job centers as cooperating partners. Results show a large heterogeneity in the level of implementation as regards the organisational setting (number of unemployed per placement officer, level of addiction specific qualification, specific concepts for working with addicted unemployed) and the practice with addicted unemployed. This involves the recognition of addictions, the cooperation with addiction counselling services and addiction therapy, the imposition of sanctions and specific job placement programmes. Job integration of long term social security recipients with addictions is for the most part not successful. Progress can be made by an intensified cooperation with the addiction counselling and support system, a better placement officer/unemployed relation, addiction specific qualifications for placement officers, consideration of addiction specific needs in job placement programmes and – as practice is in many cases not in accordance with the law – information on data protection and professional secrecy.

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Prof. Dr. D. Henkel

Ebertsbronn 31

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