Balint Journal 2010; 11(3): 83-87
DOI: 10.1055/s-0030-1247397
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© Georg Thieme Verlag Stuttgart ˙ New York

Die Entdeckung der Bipersonalität[1]

The Discovery of BipersonalityE. R. Petzold
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Publication Date:
01 September 2010 (online)

Zusammenfassung

Eine aktuelle spanische Übersetzung über eine bald nach dem letzten Krieg erschienene Pub­likation (1949) über „Wesen und Form der Bipersonalität“ macht auf Grundbedingungen und Möglichkeiten einer medizinischen Soziologie aufmerksam. Die zentralen Aussagen werden in fünf Punkten zusammengefasst: 1. Die Partnerschaft ist eine von vornherein gegebene Tatsache. 2. Einigend ist das gemeinsame Wertziel. 3. Fun­dierend für die Zusammenarbeit ist die Gegen­seitigkeit. 4. Die beteiligten Subjekte sind nicht „autonom“. 5. Die Solidarität gründet in Selbstverborgenheit. Persönliche Notizen und ein kleiner Briefwechsel zwischen Thure von Uexküll und Paul Christian unterstreichen die Bedeutung dieses psycho-sozio-somatischen Ansatzes – auch für die moderne Balintarbeit.

Abstract

A new spanish translation by Prof. F. Lolas Stepke, Santiago de Chile of a book about the “essence and forms of Bipersonality”, first published by Prof. P. Christian and Renate Haas in 1949 makes us aware of the conditions and possibilities of a medical Sociology, close to an anthropological medicine. The most important statements are: 1. Relationship is a fact from the start, (esp. when a patient comes to his or her doctor, ERP). 2. The common goal leads to unity. 3. Mutuality is fundamental for cooperation. 4. The involved subjects (persons) are not autonomous, independent or self governing. 5. Solidarity is based on self-seclusion. Personal notes and a small correspondence between Thure von Uexküll and Paul Christian emphasises the meaning of this psycho-socio-somatic concept – also for the Balintwork of our days.

1 Beispielsweise fand sich in Unterlagen von Petzold die Notiz eines Gespräches mit Prof. P. Christian vom 23.4.1985 wieder und einen kleinen Brief von Thure von Uexküll an Paul Christian vom 28.11.1988 und dessen  Antwort an Herrn von Uexküll vom 13.12.1988; z. B. aber auch eine Notiz in einer sehr persönlich gehaltenen „Reisebeschreibung“ V. v. Weizsäckers von 1945, 2007 erstmals in „Sinn & Form“ publiziert.

1 Beispielsweise fand sich in Unterlagen von Petzold die Notiz eines Gespräches mit Prof. P. Christian vom 23.4.1985 wieder und einen kleinen Brief von Thure von Uexküll an Paul Christian vom 28.11.1988 und dessen  Antwort an Herrn von Uexküll vom 13.12.1988; z. B. aber auch eine Notiz in einer sehr persönlich gehaltenen „Reisebeschreibung“ V. v. Weizsäckers von 1945, 2007 erstmals in „Sinn & Form“ publiziert.

2 Christian P.: Anthropologische Medizin. Theoretische Pathologie und Klinik psychosomatischer Krankheitsbilder, Berlin, Heidelberg, Springer 1989
1997: Medicina antropológica. Traduccion, nota preliminar y notas de Fernando Lolas Stepke, Santiago, Chile: Editorial Universitaria 1997

3 Erinnert sei an den Internisten Kongress in Wiesbaden 1949, auf dem Alexander Mitscherlich in Anwesenheit von Weizsäckers seine Thesen vortrug.

4 In einer sehr persönlichen, nicht für die Öffentlichkeit gedachten Reise­beschreibung von 1945, (eigentlich Tagebuchnotizen seiner Flucht aus Breslau, ERP) schreibt V. v. Weizsäcker, am 24.2.1945 in Leipzig, also gut ­einen Monat, nachdem er Breslau verlassen hatte, wo er seit 1941 Ordentlicher Professor für Neurologie und eines neurologischen Forschungsinstitutes war. „Nun begann ich wieder reichlich Kranke zu sehen. Christian, (der ja mit ihm in Breslau gewesen war, aber mit einigen der Breslauer ­Patienten einen anderen Fluchtweg gefunden hatte), hatte viele interessante Fälle auf seiner neurologischen Abteilung und wusste unser Bedürfnis nach interessanter Problematik immer zu befriedigen.“ (Zitiert aus der Z. „Sinn und Form“, 59 / 2007, 6. H. S. 738).

5 Perlitz V. und Petzold E. R.: Vom Gestaltkreis zur Synergetik: Die Bedeutung irreversibel-struktureller und dynamisch-funktioneller Kopplungen, PPmP 10 / 2006

6 M. Altmeyer, H. Thomä: Die vernetzte Seele – Die intersubjektive Wende in der Psychoanalyse, Klett-Cotta, 2006. Thema dieses Buches ist die Psychoanalyse und Intersubjektivität. Auffällig ist die Konzentration auf die intersubjektive Wende in der Psa und der weitgehende Verzicht auf system- und familientheoretische Konzepte, die dieser Wende vorausgingen, dafür aber ein eher schüchterner Versuch – besonders bei den deutschen Beiträgen, die philosophische Anregungen beispielsweise von Adorno, Habermas und Henrich in die Diskussionen mit aufzunehmen. Für jemanden, der diese Wende in der Balintarbeit seit vielen Jahren beobachtet, kein ganz uninteressanter Versuch, leider aber wird die Balintarbeit an keiner Stelle erwähnt. Dafür aber werden M. Balint und auch Alice erwähnt (8 ×). Interessanterweise gibt man den Arbeiten aus den dreißiger Jahren, also den stärker psychoanalytisch ausgerichteten den Vorzug. V. v. Weizsäcker wird 2 × genannt, P. Christian, dessen Theorie der psychotherapeutischen Methoden bei psychosomatischen Erkrankungen mit einem straffen Kapitel über die Intersubjektivität aus anthropologischer Sicht beginnt, wird nicht erwähnt. Man übt sich eben auch hier in der Kunst des Weglassens.

7 Uexküll: Psychosomatische Medizin, Urban & Fischer 5. A.1995

8 S. dazu P. Hahns Methodenkreis in: Ärztliche Propädeutik, Springer 1988 und Balint Journal 2006; 7: 13-18

9 Gemäß den Forderungen des „Gestaltkreises“ , dass man sich von Einem zum Anderen wenden, aber nicht beides zugleich überblicken, d. h. in der Übersicht besitzen kann. V v. Weizsäcker

Prof. Dr. med. E. R. Petzold

Goethestraße 5

72127 Kusterdingen

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