Notfallmedizin up2date 2010; 5(3): 185
DOI: 10.1055/s-0030-1250310
Editorial

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Von seltenen zu häufigen Indikationen bei Notfalleinsätzen – Was macht die Qualität?

H. Thiele
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Publication Date:
21 September 2010 (online)

Die September-Ausgabe widmet sich entsprechend der Zielstellung der Notfallmedizin up2date wieder vielfältigen Themen, aber auch den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen in der Notfall- und Rettungsmedizin des letzten Jahres.

Nicht jeder tätige Notarzt wird unbedingt in seinem Berufsleben einen Chemie- oder Industrienotfall aktiv mit erleben. Anhand des dargestellten Beispiels im Kölner Norden aus dem Jahr 2009 wird aber umso mehr deutlich, welch weitreichende Folgen solch ein Unfall, der sich schnell zum Großschadensfall erwächst, haben kann. Deshalb sollte sicherlich jeder Notarzt ein Basiswissen über die Einsatzstrategie bei Gefahrgutunfällen besitzen. Vor allem sollte er wissen, welche Institutionen er informieren muss, um in den sehr komplexen Einsatzsituationen schnelle Hilfe zur Verfügung zu haben, die rational entscheiden kann. In dem Artikel zum Chemie- und Industrie-Notfall werden für den ersteintreffenden Notarzt, aber auch für den Leitenden Notarzt entsprechende, sehr praktische Handlungsanweisungen detailliert dargestellt.

Der Großteil der Notärzte kommt aus einem Erwachsenenfachgebiet. Daher stellen die Notfallversorgung und der Transport von Kindern ebenfalls für die meisten Kollegen eine Besonderheit dar. Durch geringe Einsatzhäufigkeit bei Kindern, ein relativ weites Diagnosespektrum und altersspezifische Besonderheiten ist der Erfahrungszuwachs durch aktive Tätigkeit für den einzelnen Notarzt eher limitiert. In dem Artikel Notfalltransporte im Kindesalter wird einem dabei umso deutlicher, dass Kinder keine kleinen Erwachsenen sind. Die zahlreichen Tabellen und Merksätze sollten aber auch dem „Erwachsenen“-Notarzt helfen, die spezifischen notfallmedizinischen Anforderungen beim Kind zu meistern, um die kleinen Patienten in hierfür spezialisierten Zentren zu transportieren und dadurch eine optimale Versorgung zukommen zu lassen.

Im Gegensatz zu den erstgenannten beiden Themen gehören Notfälle aus dem kardiologischen Gebiet zu den häufigsten Einsatzgründen im Rettungsdienst. Das EKG stellt für die Diagnosestellung als auch für die Differenzialdiagnose ein wesentlicher Pfeiler dar, was einem auch erlauben kann, eine Risikostratifizierung vorzunehmen. Da das EKG im akuten Koronarsyndrom auch über die weitere Behandlungsstrategie und die Zielklinik entscheidet, ist die Interpretation eines EKG daher eine Fähigkeit, die jeder Notarzt beherrschen sollte. Die im klinischen Alltag oft kommunizierte Begründung von Notärzten, dass sie keine Kardiologen seien und daher nicht entscheiden könnten, ob es ein ST-Strecken-Hebungsinfarkt sei, ist – in Anbetracht der sich daraus ergebenden Konsequenzen für den Patienten – daher nicht zu akzeptieren. An diesem Punkt spielt die Qualitätssicherung in der Notfallmedizin eine sehr wichtige Rolle. Nicht nur in der Klinik, sondern auch in der Notfallmedizin wurde die Bedeutung der Qualitätssicherung und des Qualitätsmanagements entdeckt. Die in dem von Gräsner und Lefering beschriebenen Elemente sind dafür sehr wichtig. Leider zeigt die klinische Praxis aber bisher noch, dass diese im Rettungsdienst sicherlich besser eingesetzt werden könnten. Es gibt immer noch Regionen in Deutschland, wo es keine einheitlichen Notarztprotokolle gibt oder aber das adäquate Ausfüllen der Protokolle nicht überwacht wird. Vielerorts ist der Ärztliche Leiter Rettungsdienst und seine Abteilung personell dazu gar nicht in der Lage, um dadurch die Einhaltung von Qualitätsstandards zu ermöglichen. Aus eigener Erfahrung zeigt sich wiederholt, dass zum Beispiel beim akuten Koronarsyndrom kein 12-Kanal-EKG angefertigt wird – obwohl das durch Leitlinien klar geregelt sein sollte – und Patienten dadurch erst einmal in eine nicht geeignete Klinik eingewiesen werden. In der dortigen Notaufnahme stellt sich dann später heraus, dass eine Sekundärverlegung in ein tertiäres Zentrum mit Katheterlabor notwendig ist, da es sich um einen ST-Strecken-Hebungsinfarkt handelt. Auf diesem Gebiet der Qualität ist im Vergleich zum derzeitigen Status in den Kliniken sicherlich noch einiges an Aufbauarbeit notwendig.

Ich wünsche Ihnen wieder viel Spaß bei der Lektüre der aktuellen Ausgabe der Notfallmedizin up2date!

Ihr Prof. Dr. med. Holger Thiele, Leipzig

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