Dtsch Med Wochenschr 2010; 135(12): 587-588
DOI: 10.1055/s-0030-1251896
Korrespondenz | Correspondence
Erwiderung
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Intima-Media-Dicke der Karotis-Arterie: ein Surrogatmarker für systemische Atherosklerose?

Erwiderung 2Intima-media thickness of carotid artery: a surrogate marker for systemic atherosclerosis?U. Nixdorff
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Publication Date:
16 March 2010 (online)

Der kritische Leserbrief zu der Pro-Contra-Diskussion zur klinischen und prognostischen Bedeutung der Intima-Media-Dicke (IMD) stärkt die von mir ebenfalls vertretene kritische Sicht dieses Parameters – wenn auch auf andere Bezüge der Kritik abgehoben wird.

Herr Dr. Saleh führt einen pathophysiologischen und einen methodischen Kritikpunkt aus. Er weist darauf hin, dass auch andere ätiopathogenetische Aspekte als die eigentliche Atherosklerose zu erhöhten IMD-Werten führen können. Eine klare Differenzierung der erwähnten Aspekte vom atherosklerotischen Prozess erscheint aber nicht möglich: Sowohl die genannten pathomorphologischen Substrate eines Gefäß-Remodelings, einer intimalen Hyperplasie und einer intimalen fibrozellulären Hypertrophie können u. a. Ausdruck des atherosklerotischen Prozesses sein. Das positive und schließlich negative Gefäß-Remodeling nach Glagov als prozesshafte Entwicklung der Atherosklerose ist gut belegt. Die (prä-)klinische Erfassung dieser histologischen Substrate ist allerdings im Gegensatz zur IMD-Messung klinisch schwierig und bietet sich deswegen für eine praktische präklinische Untersuchung weniger an. Die Abhängigkeit der IMD von Diabetes ist vielfach, sogar z. T. interventionell beeinflusst [6], belegt. Allerdings sind Diabetes mellitus wie auch der arterielle Hypertonus kardiovaskuläre Risikofaktoren der Atherosklerose und die klinischen Studien haben die Atherosklerose nicht ausgeschlossen. Die Zitierung nicht-atherosklerotischer Erkrankungen (Zitate 2 und 3 aus dem Leserbrief) beziehen sich nur auf den M. Fabry, der selten ist.

Aber es ist dem Leserbriefautor insgesamt für den wichtigen Hinweis zu danken, dass wie generell in der medizinischen Diagnostik diese immer in das klinische Gesamtbild gestellt werden muss. Die richtige Feststellung der messtechnischen Limitation, dass auch die hochauflösende Sonographie nicht zur isolierten Messung der Intima in der Lage ist, relativiert sich aufgrund der o. g. Ausführungen in der klinischen Bedeutung. Es existiert ja sogar die quasi philosophische Diskussion, ob die IMD-Erfassung mehr den universalen Alterungsprozess als intrinsische Arterienalterung, denn eine Pathologie erfasst („Der Mensch ist so alt wie seine Gefäße”, Thomas Sydenham, um 1650) [3]. Daher ist die Verwendung von Nomogrammen zur Wertung des individuellen Befundes sinnvoll, die auch die Bestimmung des Gefäßalters zulässt. Zur konstruktiven Schlussfolgerung dieser Diskussion scheint folgendes relevant: Der Untersucher sieht die Indikation und Bedeutung der IMD-Messung nicht nur am intermediären Risikoprofil, sondern auch besonders im mittleren Alter. Grund dafür ist die teilweise Aufhebung des Ergebnisses durch das höhere Alter mit seiner inhärent limitieren Prognose. Hohes Alter limitiert außerdem als zunehmende Komponente die etablierten Risiko-Scores.

Der messtechnische Aspekt der Messlokalisation entspricht meinem wesentlich ausgeführten Contra-Argument: Atherosklerose ist systemisch, aber asymmetrisch. Während Herr Dr. Saleh den bekannten und leider immer noch nicht international standardisierten Messalgorithmus innerhalb des supraaortalen Arteriensegements der A. carotis diskutiert, hatte ich auf das gesamte Körperarteriensystem abgehoben. Zur Diskussion des Leserbriefautors ist zu sagen, dass die gemittelte Messung an allen drei Karotissegmenten (A. carotis communis, interna und externa) gemäß der ARIC-Studie am umfassendsten und zuverlässigsten ist. Aus praktischer Sicht steht die erzielte diagnostische Zuverlässigkeit aber in keinem Verhältnis zum diagnostischen Aufwand. Meist Schallkopf-ferne Wand der A. carotis communis 1 cm proximal der Bifurkation verwendet (Methode nach Touboul [4]), die weniger als die Schallkopf-nahe Wand unterschätzt wird [5] . Außerdem besitzt sie den belegten Vorteil einer geringeren Variabilität als die Messung der A. carotis interna [2]. Damit spricht leichte Durchführbarkeit und gute Reproduzierbarkeit für dieses praktische Vorgehen. Die Berücksichtigung der Messung während der Diastole macht den Befund verlässlicher. Es ist bei fehlender Standardisierung dem Leserbriefautor aber recht zu geben, dass der Befund immer die Messlokalisation anzugeben hat, dem wir in unserem Institut auch nachkommen. Wichtig ist der Hinweis an dieser Stelle, dass sich die geführte Diskussion immer dann relativiert, wenn sich morphologische Plaque-Strukturen (meist im Bifurkationsbereich) finden lassen. Die erfolgte IMD-Vermessung wird in ihrer prognostischen Bedeutung erheblich relativiert [1] und wird sogar durch die Indikation der präventivmedizinischen Pharmakotherapie (ASS, Statine) klinisch weitestgehend unbedeutend.

Die von Herrn Dr. Saleh zitierte Arbeit zur Bedeutung von Surrogatparametern (Zitat 5 aus dem Leserbrief) ist eine allgemeine theoretisch-statistische Arbeit, die durch den mehrfach nachgewiesenen Zusammenhang von IMD-Wert und Ereignisrate zumindest praktisch relativiert wird. Den Zitatautoren Boissel et al. ist allerdings zuzustimmen, dass man mit Surrogatparametern vorsichtig umgehen und deren Interpretation in den Zusammenhang klinischer Endpunkte (hier insbesondere der kardiovaskulärer Risikofaktoren) stellen sollte.

Literatur

  • 1 Ebrahim S, Papacosta O, Whincup P. et al . Carotid plaque, intima media thickness cardiovascular risk factors, and prevalent cardiovascular disease in men and women. The British Regional Heart Study.  Stroke. 1999;  30 841-850
  • 2 Howard G, Sharrett R, Heiss G. et al, for the ARIC Investigators . Carotid artery initmal-medial thickness distribution in general population as evaluated by B-Mode ultrasound.  Stroke. 1993;  24 1297-1304
  • 3 Lakatta E G, Levy D. Arterial and cardiac aging: major shareholders in cardiovascular disease enterprises. Part I: aging arteries: a „set up” for vascular disease.  Circulation. 2003;  107 139-146
  • 4 Toubol P J, Prati P, Scarabin P Y. et al . Use of monitoring sortware to improve the measurement of carotid wall thickness by B-mode imaging.  J Hypertension. 1992;  10 37-41
  • 5 Wong M, Edelstein J, Wollman J, Bond M G. Ultrasonic-pathological comparison of the human arterial wall.  Arterioscler & Thromb. 1993;  13 482-486
  • 6 Yokoyama H, Katakami N, Yamasaki Y. Recent advances of intervention to inhibit progression of carotid intima-media thickness in patients with type 2 diabetes mellitus.  Stroke. 2006;  37 2420-2427

Prof. Dr. med. Uwe Nixdorff F.E.S.C.

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