Gastroenterologie up2date 2010; 6(3): 150-151
DOI: 10.1055/s-0030-1255530
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Vasokonstriktoren zur Therapie des hepatorenalen Syndroms – welches Ziel verfolgen wir?

Matthias  Dollinger
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Publication Date:
30 August 2010 (online)

Kommentar zu:

Metaanalyse randomisierter Studien zur Behandlung des hepatorenalen Syndroms mittels Vasokonstriktoren

Systematic review of randomized trials on vasoconstrictor drugs for hepatorenal syndrome

Gluud LL, Christensen K, Christensen E, Krag A; Department of Internal Medicine, Copenhagen University Hospital Gentofte, Hellerup, Denmark

Hintergrund: Das hepatorenale Syndrom geht mit einer Vasodilatation im Splanchnikusgebiet mit konsekutiver renaler Vasokonstriktion einher. Eine Therapieoption besteht deshalb darin, den Splanchnikustonus durch Vasokonstriktoren zu erhöhen. Unklar ist jedoch, ob sich dies positiv auf die Mortalität auswirkt. L.L. Gluud et al. gingen dieser Frage nach.

Methoden: Die Autoren führten hierzu eine Metaanalyse verfügbarer Arbeiten durch, nach denen sie in Datenbanken bis Juni 2009 suchten. Eingeschlossen wurden randomisierte Studien mit Patienten, die an einem hepatorenalen Syndrom vom Typ 1 oder 2 litten. Die Behandlungsstrategien bestanden in Vasokonstriktoren alleine oder in Kombination mit Albumin versus keine Behandlung oder alleinige Albumingabe bzw. im Vergleich verschiedener Vasokonstriktoren oder Applikationsmodi untereinander. Primärer Endpunkt war die Gesamtmortalität; sekundäre Endpunkte waren unter anderem die Aufhebung des hepatorenalen Syndroms und eine Verbesserung der Nierenfunktion. Eingang in die Analyse fanden 10 Studien mit insgesamt 376 Patienten. Die Therapieschemata bestanden aus Terlipressin (alleine oder in Kombination mit Albumin) versus keine Intervention, Albumin alleine oder Noradrenalin plus Albumin, Octreotid plus Albumin versus Albumin alleine sowie Terlipressin plus Albumin als kontinuierliche Infusion oder Bolusgabe.

Ergebnisse: Generell reduzierten Vasokonstriktoren alleine oder in Kombination mit Albumin die Mortalität im Vergleich zu Albumin alleine oder keiner Intervention um 18 %. In Subgruppenanalysen zeigte sich dieser Effekt besonders ausgeprägt nach 15 Tagen Beobachtungsdauer (relatives Risiko [RR] 0,60) und nahm dann über 30, 60, 90 und 180 Tage Beobachtungsdauer ab (RR 0,74; 0,71; 0,89 und 0,83). Zudem konnte in der Analyse nach Medikamententyp Terlipressin in Kombination mit Albumin gegenüber Albumin alleine die Mortalität um 19 % reduzieren, was allerdings nur für ein hepatorenales Syndrom vom Typ 1 galt. Bezüglich anderer Optionen waren die Studien zu klein, um einen positiven oder negativen Effekt feststellen zu können.

Folgerung: Terlipressin in Kombination mit Albumin kann möglicherweise das Kurzzeitüberleben von Patienten mit einem hepatorenalen Syndrom vom Typ 1 verlängern. Die geringe Zahl an Patienten erlaubt jedoch, so die Autoren, keine Behandlungsempfehlungen für den Typ 2 oder andere Therapieoptionen.

Hepatology 2010; 51: 576 – 584

(zusammengefasst von Dr. med. Johannes Weiß, Bad Kissingen)

Evidenz durch Metaanalysen. Derzeit verfügbare Studien zur Behandlung des hepatorenalen Syndroms mittels Vasokonstriktoren leiden wie viele untersucherinitiierte Studien unter mangelnder Systematik, Größe und vor allem fehlender finanzieller Unterstützung durch potente private oder institutionelle Geldgeber. Sie überprüfen unterschiedliche Substanzen (Terlipressin, Octreotid und Noradrenalin), Applikationswege (Bolus- versus Dauerinfusion) und Dosierungen mittels erheblich variierender Untersuchungsmethoden (Randomisierung, Verblindung, Studiendesign) und zu kleiner Fallzahlen. Zwar kann eine Metaanalyse Fallzahlen durch gemeinsame Analyse der Studienpatienten steigern, dafür sollte aber ein Mindestmaß an Übereinstimmung bezüglich der Untersuchungsbedingungen herrschen. Es ist daher nicht überraschend, dass die Metaanalyse von Gluud et al. mehr Fragen aufwirft, als sie beantwortet. Dies gilt nicht nur für die fehlenden Therapieempfehlungen zum hepatorenalen Syndrom Typ 2 oder zu anderen Vasokonstriktoren als Terlipressin, sondern insbesondere für die primäre Fragestellung der Metaanalyse selbst, der Verbesserung der Gesamtmortalität.

Ziel der Therapie. Als Studienparameter wird die Gesamtmortalität am geringsten durch die Wahl der Untersuchungsbedingungen beeinflusst und wurde daher von den Autoren ausgewählt. Erstmals konnte ein Überlebensvorteil für die Behandlung mit Terlipressin in einer Metaanalyse gezeigt werden, allerdings nur innerhalb der ersten 15 Tage nach Therapiebeginn. Zu späteren Zeitpunkten gleicht sich die Überlebensstatistik wieder an; die für eine ursächliche Analyse notwendigen Daten wie Rezidivhäufigkeit, Todesursachen oder Progress der Leberzirrhose fehlen jedoch. Es wird häufig die Frage gestellt, ob ein solches Ergebnis Therapieaufwand und -kosten rechtfertigt. Eine Antwort lässt sich nur geben, wenn das hepatorenale Syndrom nicht fälschlicherweise als Krankheit per se betrachtet wird, sondern als Symptom einer dekompensierten Leberzirrhose. Zwar wirkt es beruhigend, dass Terlipressin auch einen Überlebensvorteil bietet, wichtiger ist jedoch der Effekt auf das Symptom, die renale Funktion. Eine dauernde Besserung der Gesamtmortalität kann nur eine Behandlung der zugrunde liegenden portalen Hypertension und Leberzirrhose erreichen. In Deutschland wurde u. a. für diese Situation ein neues Allokationssystem für die Lebertransplantation eingeführt, das Patienten mit schlechter Nierenfunktion priorisiert. Falls keine Transplantation in Betracht kommt, kann ein transhepatischer, portosystemischer intrahepatischer Shunt (TIPS) die portale Hypertension korrigieren. Beides ist aber nur möglich, solange sich der Patient noch in einem akzeptablen klinischen Zustand befindet.

Fazit. Das hepatorenale Syndrom ist Zeichen einer dekompensierten Leberzirrhose und damit letztendlich einer terminalen Leberinsuffizienz. Vasokonstriktoren erlauben, die renale Funktion des Patienten bis zur weiterführenden Behandlung der portalen Hypertension und Zirrhose kurzfristig zu stabilisieren. Dieser Untersuchungsparameter sollte sich in künftigen Studien und Metaanalysen widerspiegeln. Die einseitige Analyse der Überlebensdaten greift zu kurz und lenkt vom eigentlichen Therapieziel ab. Die wichtigste Frage für den verantwortlichen Arzt stellt sich vor dem Beginn und nicht am Ende der medikamentösen Therapie: Wie behandle ich die Grunderkrankung, nicht nur das Symptom?

Dr. M. M. Dollinger

Klinik für Innere Medizin I
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

Ernst-Grube-Straße 40
06120 Halle (Saale)

Email: matthias.dollinger@medizin.uni-halle.de

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