Rofo 2010; 182(9): 824-825
DOI: 10.1055/s-0030-126272
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Voraussetzungen der Entgeltgruppe Ä 3 sind zwingend für Eingruppierung als Oberarzt nach dem TV-Ärzte

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Publication Date:
25 August 2010 (online)

 
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Anmerkungen zum Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 09.12.2009Ä

Jahrzehntelang galt für sämtliche tarifangestellte Ärzte der Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT). Im Jahr 2006 sind die arztspezifischen Tarifverträge zwischen Marburger Bund einerseits und der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) bzw. der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) andererseits in Kraft getreten. Einer der wesentlichen Streitpunkte im Rahmen der Überleitung der Ärzte vom BAT in den TV-Ärzte/VKA bzw. TdL ist die Eingruppierung der "BAT-Oberärzte" in die Struktur der neuen Entgeltgruppen. So sieht der TV-Ärzte/VKA bzw. TdL erstmals im Vergleich zu den Vergütungsgruppen des BAT in der Entgeltgruppe (EG) Ä 3 eine eigenständige Entgeltgruppe für Oberärzte vor, deren Vergütung deutlich über derjenigen für Fachärzte in der EG Ä 2 liegt. Von besonderem Interesse war dabei bislang die Überleitung der sogenannten Titularoberärzte. Nach Aussagen des Marburger Bundes sei eine generelle Überleitung aller "BAT-Oberärzte", also auch der Titularoberärzte, in die EG Ä 3 des TV-Ärzte in den Tarifverhandlungen nicht durchsetzbar gewesen. Nunmehr ist auch durch die zu dieser Frage bereits ergangene höchstrichterliche Rechtsprechung bestätigt, dass für die tarifgerechte Eingruppierung in die EG Ä 3 des TV-Ärzte eine vor Inkrafttreten des TV-Ärzte erfolgte rein formale Ernennung zum Oberarzt allein keine Bedeutung hat. Das hier besprochene Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 09.12.2009 (Az.: 4 AZR 827/08) schließt sich der Reihe der Entscheidungen über Eingruppierungsklagen von Oberärzten an und führt im Einzelnen aus, was unter den nach § 12 TV-Ärzte/TdL für die Eingruppierung allein maßgeblichen Tätigkeitsmerkmalen eines Oberarztes im Tarifsinne zu verstehen ist.

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Sachverhalt

Der Kläger des der Entscheidung des BAG vom 09.12.2009 (Az.: 4 AZR 827/08) zugrunde liegenden Sachverhaltes ist seit über 10 Jahren an einem der Universitätskliniken des beklagten Landes als Arzt und seit 2000 nach Abschluss der Weiterbildung zum Facharzt der Radiologie dort als Facharzt tätig. Auf das Arbeitsverhältnis des Klägers findet seit November 2006 der TV-Ärzte/TdL Anwendung. Die Vergütung richtet sich seitdem nach der EG-Ä-2-Stufe 3. Im Jahr 2007 übernahm der Kläger im Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie des Universitätsklinikums die Tätigkeit als sogenannter "Programmverantwortlicher Arzt der Mammografie-Screening-Einheit" und ist im Organigramm des Instituts als "Funktionsoberarzt" ausgewiesen. Mit seiner Klage verlangt der Kläger eine Eingruppierung als Oberarzt in die EG-Ä-3-Stufe 1 des TV-Ärzte/TdL. Er ist der Auffassung, dass ihm aufgrund seiner Funktion als Programmverantwortlicher Arzt die medizinische Verantwortung für den Funktionsbereich Mammografie-Screening übertragen worden sei. Zudem seien die für die Übernahme der Position als Programmverantwortlicher Arzt erforderlichen Qualifikationen vergleichbar mit solchen, die die Weiterbildungsordnung für eine Schwerpunkt- oder Zusatzweiterbildung verlangen würde.

Sowohl das Arbeitsgericht als auch das Landesarbeitsgericht haben in ihren Entscheidungen dem Kläger entsprechend seinem Begehren eine Eingruppierung als Oberarzt in die EG Ä 3 zugesprochen. Das BAG hingegen hat sich in seinem Urteil dieser vorinstanzlichen Rechtsauffassung nicht angeschlossen und der Revision des beklagten Landes stattgegeben.

Nach Auffassung des BAG ist für die Eingruppierung eines Arztes in die jeweilige Entgeltgruppe des TV-Ärzte/TdL allein der Wortlaut des § 12 TV-Ärzte/TdL maßgeblich. Demzufolge wird innerhalb der EG-09.12.2009Ä-3 des TV-Ärzte/TdL zwischen 2 Unterfallgruppen unterschieden:

  1. Oberarzt ist derjenige Arzt, dem die medizinische Verantwortung für Teil- oder Funktionsbereiche der Klinik bzw. Abteilung vom Arbeitgeber übertragen worden ist.

  2. Oberarzt ist ferner der Facharzt in einer durch den Arbeitgeber übertragenen Spezialfunktion, für die dieser eine erfolgreich abgeschlossene Schwerpunkt- oder Zusatzweiterbildung nach der Weiterbildungsordnung fordert.

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Medizinische Verantwortung für Teil- oder Funktionsbereich der Klinik

Wie das BAG in seinen Entscheidungsgründen ausführt, komme eine Eingruppierung in die EG Ä 3, 1. Unterfallgruppe in der vorliegenden Fallgestaltung daher nicht in Betracht, da es sich bei der dem Kläger übertragenen Tätigkeit als Programmverantwortlicher Arzt der Mammografie-Screening-Einheit nicht um die Übertragung der medizinischen Verantwortung für einen Teil- oder Funktionsbereich der Klinik bzw. Abteilung im tariflichen Sinne handele. Die Eintragung als "Funktionsoberarzt" in einem Institutsorganigramm sei dabei für die Frage der richtigen Eingruppierung ohne Bedeutung.

Aus dem tariflichen Gesamtzusammenhang ergebe sich, dass das Tätigkeitsmerkmal der medizinischen Verantwortung für einen Teil- oder Funktionsbereich nur dann erfüllt werden könne, wenn dem Oberarzt in dem betroffenen Bereich ein Aufsichts- und Weisungsrecht gegenüber dem medizinischen Personal, aber auch dem nicht ärztlichen Personal zugewiesen worden sei. Dabei müssten dem Oberarzt nicht nur Ärzte der EG Ä 1 (Assistenzärzte und Ärzte in Weiterbildung), sondern auch mindestens 1 Facharzt der EG Ä 2 unterstellt sein. Dies ergebe sich aus der systematischen Stellung der EG Ä 3 innerhalb der durch die Vergütungsordnung gestalteten Hierarchie der Entgeltgruppen. Die Formulierung "medizinische" Verantwortung mache deutlich, dass es nicht ausreiche, wenn dem Arzt lediglich organisatorische oder verwaltungstechnische Verantwortung obliege. Aus der Struktur der Entgeltgruppen in § 12 TV-Ärzte/TdL, insbesondere aus der Differenz der monatlichen Vergütung, folge, dass die medizinische Verantwortung der Oberärzte über die allgemeine ärztliche Verantwortung eines Assistenzarztes und eines Facharztes deutlich hinausgehe. Entsprechend seien Kliniken arbeitsteilig in der Weise organisiert, dass für die zahlreichen spezialisierten und fragmentierten Diagnose-, Behandlungs- und Pflegeabläufe krankenhausintern eine abgestufte Verantwortungsstruktur vorgesehen sei.

Zwar ergebe sich aus der Unterordnung der Oberärzte unter den leitenden Arzt und seinen ständigen Vertreter, die in die EG Ä 4 eingruppiert werden, dass die von dem Oberarzt wahrzunehmende medizinische Verantwortung keine Letztverantwortung sein kann. Innerhalb des ihm zugewiesenen Teil- oder Funktionsbereiches müsse jedoch nach den Ausführungen des BAG die Verantwortung des Oberarztes ungeteilt bestehen. Die medizinische Verantwortung für einen Teilbereich im Tarifsinne könne daher nicht bei mehreren Ärzten liegen. Etwas anderes gelte nur dann, wenn es sich um eine echte Arbeitsplatzteilung (Jobsharing) handele, nicht aber wenn die Alleinverantwortlichkeit des Arztes lediglich nur vorübergehend, z.B. bei Hintergrunddiensten, bestehe.

In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Rechtsstreit verneint das BAG die Erfüllung des Tatbestandsmerkmales der medizinischen Verantwortung für einen Teil- oder Funktionsbereich bereits aufgrund der Tatsache, dass dem Kläger bei seiner Tätigkeit als Programmverantwortlicher Arzt der Mammografie-Screening-Einheit keinerlei ärztliches Personal unterstellt worden sei. Die auf Grundlage von Kooperationsverträgen einbezogenen Fachärzte ständen in keinem Arbeitsverhältnis zu dem beklagten Land und seien daher als Externe nicht in das klinikinterne Über- und Unterordnungsgefüge eingebunden. Aufgrund dessen sei auch bereits fraglich, ob es sich bei der Mammografie-Screening-Einheit um einen möglichen Teil- oder Funktionsbereich der Klinik im Tarifsinne handele, da dies, so das BAG, eine eigenständige Verantwortungsstruktur unter Einschluss klinikinternen ärztlichen Personals voraussetze. Vorliegend seien in der Mammografie-Screening-Einheit jedoch niedergelassene Ärzte als Befunder tätig, die der Kläger im Rahmen seiner Tätigkeit als Programmverantwortlicher Arzt anleiten und überwachen würde.

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Qualifikation einer Schwerpunkt- oder Zusatzweiterbildung nach der Weiterbildungsordnung

Abschließend stellt das BAG in seinem Urteil vom 09.12.2009 (Az.: 4 AZR 827/08) fest, dass der Kläger auch nicht die Tätigkeitsmerkmale der 2. Unterfallgruppe der EG Ä 3 des TV-Ärzte erfülle. Der eindeutige Tarifwortlaut nehme diesbezüglich ausschließlich Bezug auf die Vorgaben der Weiterbildungsordnungen zum Erwerb von Qualifikationen, die Gegenstand der Schwerpunkt- und Zusatzweiterbildung und dazugehörigen Prüfung vor den Ärztekammern sind. Unstreitig seien vorliegend die für die Übernahme der Position eines Programmverantwortlichen Arztes erforderlichen Qualifikationen nicht in der Weiterbildungsordnung, sondern in einer einschlägigen Anlage zu dem zwischen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen abgeschlossenen Bundesmantelvertrag-Ärzte geregelt. Eine eventuelle Vergleichbarkeit der erworbenen Kompetenzen reiche im Hinblick auf den hierzu eindeutigen Tarifwortlaut nach Auffassung des BAG nicht aus.

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Fazit und Ausblick

Die vorstehend besprochene Entscheidung des BAG bestätigt nicht nur, dass allein die in § 12 TV-Ärzte/TdL für die EG Ä 3 genannten Tätigkeitsmerkmale für eine Eingruppierung als Oberarzt zwingend erfüllt sein müssen, sondern zeigt zudem die Grenzen auf, in welchen die einzelnen Tatbestandmerkmale im Tarifsinne zu definieren sind. Kann ein Arzt, auch wenn er unter Anwendung des BAT die Bezeichnung als Oberarzt führen durfte, die Tätigkeitsmerkmale der EG Ä 3 des TV-Ärzte nicht nachweisen, so erhält er zwar im Rahmen der Überleitung hinsichtlich der Höhe seines BAT-Gehalts, bzw., wenn bereits eine Überleitung in den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) erfolgte, seines TVöD-Gehalts Bestandschutz. Eingruppiert wird er jedoch in die EG Ä 2 der Fachärzte.

In diesem Zusammenhang ist zudem darauf hinzuweisen, dass nach dem TV-Ärzte auch kein Bewährungsaufstieg in eine höhere Entgeltgruppe, wie es die Vergütungsordnung des BAT noch vorsah, möglich ist. Dies hat zur Konsequenz, dass wenn der Arzt nicht die Tätigkeitsmerkmale der jeweiligen Entgeltgruppe, wie z.B. den Abschluss einer fachärztlichen Weiterbildung oder die Übertragung der medizinischen Verantwortung für einen Funktionsbereich, erlangt, er "ewig" in der jeweiligen Entgeltgruppe mit entsprechender maximaler Vergütung bei Erreichen der Endstufe eingruppiert bleibt.

Auch wenn durch die klar formulierten Voraussetzungen der Entgeltgruppen die Vorteile der neuen Eingruppierungsregelungen für die Ärzte in ihrer Transparenz und Vereinfachung der Eingruppierung ohne die Möglichkeit von rein formalen Titularoberärzten und Bewährungsaufstiegen liegen, so wird dies zu einem faktischen Rückgang der Anzahl der Oberärzte führen. Dies wird voraussichtlich jedoch nicht nur eine Erhöhung des Konkurrenzkampfes der Klinikärzte untereinander zur Folge haben, sondern wird zunächst aufgrund der teilweisen "Herabgradierung" bisheriger Oberärzte zu vermehrten hierarchischen Unstimmigkeiten der Klinikärzte untereinander führen, was wiederum erhebliche Auswirkungen auf das klinikinterne Arbeitsklima haben kann.

Dr. Peter Wigge
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Medizinrecht
Dr. Ulrike Tonner
Rechtsanwältin

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