Suchttherapie 2010; 11(3): 107
DOI: 10.1055/s-0030-1264980
News & Trends

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart ˙ New York

Für Sie gefragt – Substitution und Recht – Neues aus der Rechtssprechung

Further Information

Publication History

Publication Date:
11 August 2010 (online)

 

Dr. Bernd Weber, Facharzt für Allgemeinmedizin mit dem Schwerpunkt Suchtmedizin, und Jörn Schroeder-Printzen, Fachanwalt für Medizin- und Sozialrecht, initiierten die Internetseite www.500Fragen.de. Auf dieser Webseite beantworten die Experten rechtliche Fragen zur Substitutionsbehandlung in kürzester Zeit. Eine Sammlung der Fragen erscheint seit 2009 als Buch im ecomed-Verlag[1]. In der Zeitschrift "Suchttherapie" stellen Ihnen die Autoren nun in jeder Ausgabe einige ausgewählte Fragen und Antworten zum Thema "Substitution und Recht" vor.

? Bei Einnahme unter ärztlicher Aufsicht in der Praxis schreiben wir einmal pro Woche pro Patient ein Rezept über 6 Tage. Wir erhalten die Polamidondosen vom Apotheker als NRF (Neues Rezeptur Formularium) in kindersicheren Einzelverpackungen, beschriftet mit Namen, Dosis und Vergabetag. Am Abend des Vergabetages werden die nicht abgeholten Dosen vernichtet. Der Apotheker trägt die Dosen aus seinem BtM-Buch aus, wenn die Lieferung an uns erfolgt. Müssen wir diese personenbezogenen Einzeldosen bei uns am Tag der Lieferung wieder in das BtM-Buch eintragen und dann am Tag der Vergabe wieder austragen? Der Aufwand ist gewaltig und eigentlich ist ja Dosis, Patient und Vergabetag schon durch den Apotheker dokumentiert.

Grundsätzlich verlangt § 13 Abs. 1 Satz 1 BtMVV auch das Führen eines Betäubungsmittelbuches bzw. entsprechender Karteikarten, wobei dieses nach § 13 Abs. 1 Satz 3 BtMVV auch in elektronischer Form geführt werden kann. Speziell für die Substitutionsbehandlung haben wir jedoch in § 13 Abs. 1 Satz 4 BtMVV eine Spezialvorschrift, die verlangt, dass der Nachweis der Betäubungsmittel patientenbezogen erfolgen muss. Daher ist ein Betäubungsmittelbuch nicht zu führen.

? Laut BtMVV (Betäubungsmittel-Verschreibungsordnung) soll das Substitutionsrezept dem Patienten mitgegeben werden und dieser gibt es in der Apotheke ab. Ist es erlaubt, der Apotheke das Rezept direkt aus der Praxis zu übergeben, damit mit dem BtM-Rezept kein Missbrauch (Fälschung oder Verlust) begangen werden kann?

Die Grundüberlegung der Mitgabe des Rezeptes lässt sich nicht mit der BtMVV in Einklang bringen, da dort zu den üblichen Verordnungen von Arzneimitteln eine ausdrückliche Ausnahme enthalten ist. Nach § 5 Abs. 5 Satz 1 BtMVV darf außer in den Fällen der Take-Home-Verordnung (§ 5 Abs. 8 BtMVV) die Verordnung nicht dem Patienten ausgehändigt werden. Der Weg des Rezepts wird vielmehr in § 5 Abs. 5 Satz 2 BtMVV beschrieben: Die Verschreibung darf nur vom Arzt selbst, seinem ärztlichen Vertreter oder durch das nach § 5 Abs. 6 Satz 1 BtMVV anerkannte Personal der Apotheke vorgelegt werden.

? Wir als Apotheke möchten eine Nutzungsvereinbarung über einen Raum in der Arztpraxis abschließen, in dem ein von uns finanzierter "CompWare®-Pola-Automat" steht. Ziel ist es, den Auto-maten gemeinsam zu nutzen, d.h. die Arztpraxis über Einzeldosierungen und die Apotheke über Take-Home-Rezepturen (jeweils verschiedene "Pola-Groß-flaschen" und getrennte Dokumentation). Eine räumliche Veränderung würde der Apothekerkammer gemeldet werden. Ist das rechtlich möglich?

Diese Verfahrensweise scheint bedenklich zu sein. Dies weniger aus substitutionsrechtlichen Überlegungen heraus als vielmehr aus apothekenrechtlichen Gründen. Zu denken ist zunächst an die Regelung von § 16 ApoG – Zweigapotheke. Diese bedarf zunächst einer Genehmigung, eine reine Anzeige dürfte nicht ausreichend sein. Ferner ist an § 11 ApoG zu denken, wonach es unzulässig ist, Rechtsgeschäfte vorzunehmen oder Absprachen zu treffen, die eine bevorzugte Lieferung bestimmter Arzneimittel, die Zuführung von Patienten, die Zuweisung von Verschreibungen oder die Fertigung von Arzneimitteln ohne volle Angabe der Zusammensetzung zum Gegenstand haben. Bei der beschriebenen Form ist an einen Verstoß gegen § 11 ApoG zu denken. Empfehlenswert ist es auf jeden Fall, vor Abschluss entsprechender Verträge Rücksprache mit der Apothekerkammer zu halten und sich von dort eine "Unbedenklichkeitsbescheinigung" geben zu lassen.

  • 01 Weber B , Schroeder-Printzen J . Substitution und Recht: ein rechtlicher Leitfaden für die substitutionsgestützte Behandlung Opiat-abhängiger in Deutschland. Landsberg: ecomed-Medizin; 2009. 
    >