Kennen Sie Werner Forßmann? Der Mann hat etwas geleistet, was für die Medizin ähnlich
bedeutend ist wie die Mondlandung für die Raumfahrt: Es war im Sommer 1929 in der
Auguste-Victoria-Klinik Eberswalde. Zusammen mit einer OP-Schwester, die ihm assistierte,
schlich sich der junge Assistenzarzt Forßmann in einer Mittagspause in den OP-Saal.
Dort öffnete er seine Armvene und schob sich einen Harnkatheter über die Ellenbeuge
bis zum Herzen vor. Dann stieg er mit der Schwester und dem liegenden Katheter in
den Keller zum Röntgenraum und dokumentierte das Ganze mit einer Thoraxaufnahme. Damit
hatte er den ersten Herzkatheter in der Geschichte der Medizin gelegt. Verrückt? Schon.
Aber ohne solche Erfindungen würde sich die Innere Medizin – grob gesprochen – wohl
heute noch ausschließlich mit der Applikation von Pillen beschäftigen. Erst Errungenschaften
wie der Herzkatheter oder das Endoskop erlaubten Internisten, direkt an Krankheitsherden
als Kardiologen, Gastroenterologen oder Pneumologen aktiv zu werden. Welche Perspektiven
sich jungen Medizinern heutzutage eröffnen, die sich auf einen solchen Teilbereich
der Inneren Medizin spezialisieren möchten, erfahren Sie im Artikel „Von Arrythmie
bis Zoeliakie ” auf. Die Perspektiven Werner Forßmanns waren nach seinem Selbstversuch
eher mies. Er ging kurz danach an die Charité in Berlin. Sein dortiger Chef war ein
gewisser Ferdinand Sauerbruch. Dieser reagierte ungnädig, als er von Forßmanns Tat
erfuhr. Berühmt wurden Sauerbruchs Worte, als er Forßmann hinauswarf: „Mit solchen
Kunststückchen habilitiert man sich in einem Zirkus und nicht an einer anständigen
deutschen Klinik!”
Apropos: Wie finden Sie eigentlich unser Titelbild? Ist das Thema Arztserien seriös
genug für eine anständige deutsche Fachzeitschrift? Wir meinen ja – schließlich sitzt
der gemeine Deutsche pro Tag ca. drei Stunden vor dem Fernseher [1]. Entsprechend
groß ist der Einfluss, den dieses Medium auf uns ausübt. Im Artikel „Quotenhengste
in weiß” beleuchten wir deshalb, welche Rolle Scrubs & Co. im Leben hiesiger Jungmediziner
spielen – und ob die Flimmerkistenärzte als Vorbilder taugen. Wer meint, dass wir
damit die Macht des Fernsehens überschätzen, sollte sich mal fragen, warum die Rechtsmedizin
seit den ersten Staffeln der Serie CSI plötzlich keine Nachwuchssorgen mehr hat …
TV-Ärzte waren zu Forßmanns Zeit noch Mangelware. Er hätte auch keine gebraucht. Sein
Leben verlief selbst wie ein Film. Von seinen Fachkollegen verlacht, wandte er sich
enttäuscht von der Kardiologie ab. Im Krieg war er Sanitätsoffizier. Danach landete
er in einer kleinen Praxis im Schwarzwald, später in Bad Kreuznach. Hier erreichte
ihn 1956 völlig überraschend eine Nachricht aus Stockholm. Für seine Erfindung des
Herzkatheters wurde ihm der Nobelpreis verliehen.
Einen preisverdächtig guten Herbst
wünscht Ihnen
Dr. med. Dieter Schmid, Redaktionsleitung
[1] AGF/GfK TV Scope, SWR Medienforschung, www.mediendaten.de