Der Klinikarzt 2010; 39(10): 472
DOI: 10.1055/s-0030-1268358
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© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart ˙ New York

Standard bei invasiven Candida-Infektionen – Hohe Erfolgsrate bei schwer kranken Patienten mit Candidämie

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02 November 2010 (online)

 
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Invasive Candida-Infektionen stellen für schwer kranke Patienten ein massives Problem dar. Dies zeigt sich in der hohen Mortalität, die bis zu 50 % betragen kann. Die wichtigsten Risikofaktoren sind die Schwere der Grunderkrankung, Immunsuppression sowie verspätete oder inadäquate Therapie. Eine relativ neue und erfolgreich bei invasiven Candida-Infektionen eingesetzte Gruppe semisynthetischer antimykotischer Substanzen sind die Echinocandine. Sie attackieren den Pilz durch nicht-kompetitive Inhibition der 1,3-b-D-Glucan-Synthese, was zum Zusammenbruch der Zellwand und zum Tod der Pilzzelle führt. Es sind keine Kreuzresistenzen zu älteren Antimykotika bekannt. Primäre Resistenzen wurden in Einzelfällen beschrieben, das Potenzial für sekundäre Resistenzen wird als gering eingestuft. "Echinocandine zeigen auch keine antagonistischen Effekte, wenn sie in Kombination mit Amphotericin B oder Azolen eingesetzt werden", so Prof. Dr. Andreas Groll, Zentrum für Knochenmarktransplantation und Abteilung für pädiatrische Hämatologie/Onkologie der Universitätskinderklinik Münster. Gegenwärtig sind Anidulafungin, Caspofungin und Micafungin zugelassen. Das antimykotische Spektrum umfasst neben Candida albicans auch alle anderen Candida-Spezies. Bei diesen Infektionen haben Anidulafungin und Caspofungin Erstlinienindikation.

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Penicilline unter den Antimykotika?

"Die Echinocandine haben sehr günstige pharmakodynamische und pharmakokinetische Eigenschaften. Sie sind sehr gut verträglich, weil sie keine durch ihren Wirkmechanismus bedingte Toxizitäten aufweisen. Die Entwicklung dieser Substanzen ist eine wichtige Innovation mit deutlichem Einfluss auf die Therapiepraxis", sagte Groll. Anidulafungin fällt dabei durch eine stabile Ringstruktur und eine einzigartige, lipophile Seitenkette auf. Diese Besonderheit erklärt die biologische Halbwertzeit, die fehlende hepatische Metabolisierung, das größere Verteilungsvolumen und die potente antimykotische Wirkung. "Das Interaktionspotenzial ist sehr gering und die Substanz kann auch bei Leber- und Niereninsuffizienz ohne Dosisanpassung eingesetzt werden", ergänzte Dr. Michael Girschikofki, Krankenhaus Elisabethinen, Linz.

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Hochwirksam bei fast allen Candida-Spezies

Hinsichtlich seiner antimykotischen Wirkung weist Anidulafungin gleichmäßig niedrige minimale Hemmkonzentrationen (mit Ausnahme bei C. parapsilosis) auf. Laut Dr. Haran T. Schlamm, Pfizer Global Research and Development, New York, wird zurzeit der Frage nachgegangen, ob es klinisch sinnvoll wäre, C. parapsyílosis-Infektionen doch mit Anidulafungin zu behandeln. Generell sind die MICs (minimale Hemmkonzentration) von Anidulafungin deutlich niedriger als die von Fluconazol und weisen in diesem Zusammenhang auch auf die hohe antimykotische Potenz von Anidulafungin bei fluconazolresistenten Candidastämmen hin.

Mittels in-vitro-Modellen ist es gelungen, so Girschikofski, eine gute Wirksamkeit von Anidulafungin auf Biofilmen nachzuweisen. "Der Biofilm ist die Umgebung, in der der Pilz tatsächlich lebt, wenn eine Infektion beispielsweise über einen Katheter erfolgt. Im Biofilm ist das Milieu anders als außerhalb, kann Einfluss auf die Wirksamkeit von Antimykotika haben und Resistenzen begünstigen. Im Gegensatz zu den Azolen sind Echinocandine auch im Biofilm sehr wirksam."

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Überlegen im Vergleich zu Fluconazol

Als einziges Echinocandin wurde Anidulafungin in einer Studie [1] mit Fluconazol verglichen. Die Erfolgsrate bei schwer kranken Patienten mit Candidämie lag bei 76 % und war damit der Fluconazol-Therapie um 15,4 % überlegen. Schlamm bezeichnete die niedrige Erfolgsrate unter Fluconazol als überraschend, zumal es sich bei den Erregern um fluconazolsensible Pilze handelte. Ein interessanter Befund dieser Studie war außerdem, dass sich der Vorteil von Anidulafungin quer durch alle Patientensubgruppen abzeichnete. Kritisch kranke Patienten mit hepatischer und Multiorgandysfunktion scheinen von der Therapie mit Anidulafungin besonders zu profitieren.

Der Einsatz von Anidulafungin im klinischen Alltag wurde und wird gegenwärtig, so Schlamm, in einem umfangreichen Programm von Phase-IV-Studien in zahlreichen Ländern und unterschiedlichen Settings untersucht. Zur Wirksamkeit bei Aspergillose laufen klinische Studien mit der Kombination Anidulafungin und Voriconazol.

Reno Barth, Wien

Quelle: 44. Wissenschaftliche Tagung der Deutschsprachigen Mykologischen Gesellschaft e. V. gemeinsam mit der Österreichischen Gesellschaft für Medizinische Mykologie e.V.

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MYK 2010 in Wien: Breites Spektrum der medizinischen Mykologie

Dem breiten Spektrum der medizinischen Mykologie widmete sich die MYK 2010 in Wien, zu der rund 300 Mykologen aus dem deutschsprachigen Raum und dem europäischen Ausland anreisten. Mykosen haben in den vergangenen 30 Jahren deutlich zugenommen. Im klinischen Alltag stellen sie insbesondere bei immungeschwächten Patienten eine lebensbedrohliche Komplikation dar.

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Onkologen und Intensivmediziner wissen um die Problematik der invasiven Mykosen. Prophylaxe, frühzeitige diagnostische Maßnahmen und effektive therapeutische Strategien stehen deshalb im Mittelpunkt des Interesses. Mykosen betreffen darüber hinaus fast alle medizinischen Fachbereiche. Die Themen reichen von der reiseassoziierten seltenen Dermatomykose über pilzbedingte HNO-Erkrankungen, Augenerkrankungen bis hin zu pädiatrischen Mykosen. Tagungsleiterin Prof. Birgit Willinger sieht einen Fokus in der Frage nach seiner frühzeitigen und sicheren mykologischen Diagnostik. Die therapeutischen Optionen haben sich mit innovativen Antimykotika wie den Echinocandinen in den letzten Jahren erheblich verbessert. Hinsichtlich der Wirksamkeit und Verträglichkeit hat diese Substanzklasse völlig neue therapeutische Perspektiven eröffnet, die insbesondere schwer kranken Patienten zugute kommen.

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Literatur

  • 01 Reboli A C, et al . N Engl J Med. 2007;  356 2472-2482
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Literatur

  • 01 Reboli A C, et al . N Engl J Med. 2007;  356 2472-2482
 
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