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DOI: 10.1055/s-0030-1270236
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart ˙ New York
Tuberkulose – Sputum-Schnelltest erkennt multiresistente Stämme innerhalb von 2 Stunden
Publication History
Publication Date:
13 December 2010 (online)
Boehme CC, Nabeta P, Hillemann D et al. Rapid molecular detection of tuberculosis and rifampin resistance. N Engl J Med 2010; 363: 1005-1015


Abb. 1 Länder, die bis September 2009 mindestens einen Fall von XDR-Tb gemeldet hatten. XDR-Tb = extrem arzneimittelresistente Tuberkulose Quelle: WHO
Thema: Im September 2010 wurde im "New England Journal of Medicine" eine Arbeit zur schnellen molekularbiologischen Diagnose einer Tuberkulose und zur gleichzeitigen Feststellung einer eventuellen Rifampicinresistenz veröffentlicht.
Projekt: Es handelt sich um ein automatisiertes Real-time-PCR-Testsystem (Gene Xpert) (PCR: "Polymerase-Kettenreaktion), der Test läuft unter der Bezeichnung "MTB/RIF-Test" (MTB: Mycobacterium tuberculosis, RIF: Rifampicin). Einer der Vorteile der Methode: Alle Reagenzien für die Lyse der Bakterien, die Nukleinsäure-Extraktion, die Amplifikation und die Detektion sind in einer Kartusche enthalten. Hierzu wird das Untersuchungsmaterial hinzugefügt - somit besteht nur eine geringe Infektionsgefahr.
Das Verfahren wurde in einer Multizentrumsstudie unter Kontrolle des Sponsors, der "Foundation for Innovative New Diagnostics" (FIND) getestet. Eingeschlossen waren insgesamt 1730 Patienten aus Peru, Aserbaidschan, Südafrika und Indien. Parallel wurden von allen Patienten Sputumproben und Kulturen angelegt, außerdem eine konventionelle PCR.
Ergebnis: Der MTB/RIF-Test erkannte unter den kulturpositiven Proben 551 von 561 sputumpositiven Proben. Wichtig ist insbesondere das Ergebnis bei den kulturpositiven aber sputumnegativen Proben: 124 von 174 wurden erkannt, ein nochmaliger Test mit dem System erhöhte die Sensitivität in dieser wichtigen Patientengruppe auf 85,1 %, ein 3. Test sogar auf 90,2 %. Die Spezifität lag bei 604 von 609 Patienten ohne Tuberkulose. Im Vergleich zu phänotypischen Resistenztests erkannte das System 200 von 205 Rifampicinresistenzen korrekt sowie 504 von 514 rifampicinsensiblen Stämmen.
Fazit: Zusammenfassend steht damit ein Test zur Verfügung, mit dessen Hilfe man innerhalb von 2 Stunden die Diagnose einer Tuberkulose und das Vorhandensein einer Rifampicinresistenz mit hoher Sensitivität und Spezifität stellen kann.
Prof. Gerd-Dieter Burchard, Hamburg
#Kommentar
Dies ist eine wirklich bahnbrechende Arbeit. Man muss sich nur das Ausmaß der Tuberkulose weltweit und das Problem der Resistenzentwicklung klar machen, um die Konsequenzen dieser Studie zu erkennen. Nur ein geringer Teil der weltweit geschätzten 500 000 Patienten mit multiresistenter Tuberkulose und der 1,37 Millionen Patienten mit HIV-Tb-Koinfektion haben Zugang zu ausreichend sensitiver Diagnostik und Resistenztestung. Daraus resultieren Verzögerungen in der Diagnostik, insbesondere bei sputumnegativer Tuberkulose bei HIV-Koinfektion, und das führt wiederum zu erhöhter Letalität, sekundären Resistenzen und fortlaufender Transmission.
In den meisten Entwicklungsländern wird die Tuberkulose empirisch ohne Resistenztestung behandelt. Damit ergibt sich zum Beispiel die Frage, ob ein Patient, der nach 2 Monaten noch sputumpositiv ist, ein "slow converter" ist oder ob er eine MDR-Tb hat. Eine große Studie aus Peru konnte gerade zeigen, dass eine sputumpositive Probe an Tag 60 nicht unbedingt eine Resistenz anzeigt [1]. Andererseits muss man zunehmend auch mit primären Resistenzen rechnen - ein rascher Test auf Rifampicin wäre also extrem hilfreich für das Management.
Selbstverständlich müssen die Ergebnisse in anderen Studien überprüft werden - man kann aber festhalten, dass die Studie äußerst sorgfältig und stringent durchgeführt wurde. Alle Untersuchungen fanden in einem Referenzlabor statt, die Proben aus Aserbaidschan im Deutschen Nationalen Referenzzentrum (NRZ) für Mykobakterien in Borstel unter der Leitung von Dr. Sabine Rüsch-Gerdes.
Die Frage ist natürlich, ob sich das System in weiteren Studien bewährt und in Entwicklungsländern zum Einsatz kommen kann - auch unter Kostengesichtspunkten. Wenn das gelingt, hat die Methode das Potenzial, das Management der Tuberkulose zu revolutionieren.
Prof. Gerd-Dieter Burchard, Hamburg
Literatur
Literatur


Abb. 1 Länder, die bis September 2009 mindestens einen Fall von XDR-Tb gemeldet hatten. XDR-Tb = extrem arzneimittelresistente Tuberkulose Quelle: WHO