Zeitschrift für Palliativmedizin 2012; 13(2): 51-52
DOI: 10.1055/s-0031-1274812
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Zur Sicherstellung der Betäubungsmittel-Versorgung für ambulante Palliativpatienten

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Publication Date:
22 March 2012 (online)

Liebe Leserinnen und Leser,

Qualität und Effektivität der ambulanten Palliativversorgung sind unmittelbar an die Verfügbarkeit notwendiger Medikamente gekoppelt – eine Erkenntnis, die so alt ist wie die ambulante Palliativversorgung selbst. In den Pionierzeiten wurde dabei oft die erschreckend geringe Zahl der Ärzte, die tatsächlich über Betäubungsmittel-Rezepte verfügt, als limitierender Faktor zur Sicherstellung von Qualität in der Versorgung angesehen. Spätestens mit den Erfahrungen aus der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung (SAPV) sind zusätzlich hinderliche und erschwerende Faktoren zu Tage getreten, dass eine intensive Diskussion über den Anpassungsbedarf der Rahmenbedingungen zum Betäubungsmittelverkehr im medizinisch-therapeutischen Kontext beginnen musste.

Die wichtigsten Forderungen, die aus den Unzulänglichkeiten der bestehenden Regelungen resultieren, lauten:

Diensthabende Apotheken sind dazu zu verpflichten, relevante Medikamente für die Palliativversorgung bereitzuhalten.

Eine überbrückende zeitbegrenzte Überlassung von Medikamenten, die unter die BtM-Verschreibungsverordnung fallen, muss den behandelnden Ärzten bei Folgebehandlungen von Notfällen gestattet werden und darf nicht – wie bisher – einen strafrechtlich relevanten Tatbestand darstellen.

Bislang ist nicht gewährleistet, dass Opioide verpflichtend in jeder diensthabenden Apotheke verfügbar sind. Die regionale BtM-Verfügbarkeit ist aber der Faktor, der über Gelingen oder Scheitern einer ambulanten Palliativbetreuung entscheidet: Oft ist eine Unverfügbarkeit von Opioiden der Grund für eine Krankenhauseinweisung. In diesen Fällen indiziert nicht der Unterstützungsbedarf des Betroffenen die Einweisung, sondern das strukturelle Defizit. Die Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin (DGP) begrüßt daher sehr, dass mit der Änderung der Apothekenbetriebsordnung ein wichtiger Schritt zur „Sicherstellung“ der verlässlichen Infrastruktur für Palliativpatienten und behandelnden Arzt getan wurde. Gleichzeitig ist die DGP weiterhin im Gespräch mit Apothekern und Apothekerverbänden, um die schon jetzt erfolgreichen regionalen Kooperationsmodelle zu analysieren und eine noch engere Zusammenarbeit in der Palliativversorgung zu erreichen. Diese Initiative wird durch das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) unterstützt.

Die notwendige Änderung hin zu einer rechtlich zulässigen Überlassung von Opioiden in zeitlich begrenzten Ausnahme- und Krisensituationen bleibt aus Sicht der DGP jedoch von einer verbesserten Vorratshaltung der Apotheken unberührt. Denn trotz der BtM-Verfügbarkeit in Apotheken gibt es erfahrungsgemäß immer wieder Situationen, in denen das Rezepteinlösen unzumutbar ist. Zum Beispiel dann, wenn ein Angehöriger das Krankenbett des Sterbenden verlassen muss um ein Rezept einzulösen, und dabei Gefahr läuft, zum Zeitpunkt des Todes außer Haus zu sein.

Die DGP hat in dieser lebhaften gesundheitspolitischen Debatte von Anfang an mitgewirkt. Sie vertrat die Kernforderungen der Leistungserbringer sowohl bei den Gesprächen mit dem BMG als auch im unmittelbaren Dialog mit Verbänden der Apotheker, um einer Änderung der Gesetzesvorgaben zu erreichen.

Die konzeptionelle Stärke der Fachgesellschaft, die Perspektiven der BtM-Verfügbarkeit für die Palliativversorgung multiprofessionell, wissenschaftlich-sachlich und gleichermaßen als Vertreter der allgemeinen und spezialisierten Versorgungsebene beleuchten zu können, trug wesentlich zu einer konstruktiven Entwicklung der Gespräche bei. Dies half nachhaltig, den Dialog nicht in politischen Grundsatzpositionen zu ersticken, sondern problemorientiert gemeinsam nach vorne zu denken. Durch Vernetzung der Kompetenzen aus der Sektion Pharmazie, der AG Ambulante Versorgung und des DGP-Vorstandes gelang es mit der Task-Force „BtM-Überlassung“, eine fachkundige und flexible Arbeitsebene zu etablieren, die sowohl dem BMG als auch dem Deutschen Apothekerverband (ABDA) auf Augenhöhe begegnen konnte.

Es ist sowohl in der Apothekerzeitung als auch im Deutschen Ärzteblatt zum Thema berichtet worden. Auch wenn zum jetzigen Zeitpunkt Stillschweigen über konkrete Umsetzungspläne der Ergebnisse aus den Gesprächsrunden im BMG vereinbart wurde, lässt sich festhalten: Über die notwendige Optimierung der gesundheitspolitisch strukturellen Rahmenbedingungen sowie über die hohe Priorität des Themas gibt es einen Konsens unter allen Beteiligten. Die DGP ist in besonderem Maße über den unbestrittenen Standpunkt erfreut, dass die Neuregelung der allgemeinen und spezialisierten Palliativversorgung gleichermaßen weiterhelfen muss.

Diese Entwicklung demonstriert auch das politische Gewicht, das die Palliativversorgung mittlerweile erreicht hat. SAPV wurde 2007 als gesetzlicher Anspruch für etwa 10% der Sterbenden eingeführt, jetzt stehen wir vor einer Änderung, die für alle ambulanten Palliativpatienten eine Verbesserung der Versorgungssicherheit gewährleistet.

Die DGP bedankt sich herzlich bei allen Mitstreitern aus den eigenen Reihen, die mit Ihren Beiträgen und Rückmeldungen daran mitgewirkt haben, die Diskussion über Gesetzesvorgaben und Betriebsordnungen mit Beispielen aus der Versorgungspraxis zu füllen. Der Dank geht auch an die Mitstreiter aus anderen Verbänden, sowie an die Mitarbeiter des BMG und der Bundesopiumstelle, die die Problematik erkannt haben und das Thema mit Nachdruck bearbeiten.

Ihr
Bernd Oliver Maier

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