Dtsch Med Wochenschr 2011; 136(16): 809
DOI: 10.1055/s-0031-1275808
Editorial
Kardiologie
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Herzinsuffizienz – eine wissenschaftliche und klinische Herausforderung

Heart failure – a scientific and clinical challengeG. Hasenfuß1 , E. Erdmann2
  • 1Abteilung für Kardiologie und Pneumologie, Herzzentrum der Universität Göttingen
  • 2Klinik für Kardiologie, Angiologie, Pneumologie und Internistische Intensivmedizin, Herzzentrum der Universität zu Köln
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Publication Date:
12 April 2011 (online)

Mit einer Prävalenz von 2 % ist die Herzinsuffizienz eine der wesentlichen Gründe für eine stationäre Krankenhausbehandlung in Europa. Aufgrund der demographischen Veränderungen und der verbesserten Überlebensrate nach Herzinfarkt als häufigste Ursache der Herzinsuffizienz nimmt die Prävalenz der Erkrankung stetig zu. Die sozio-ökonomische Relevanz ist erheblich, und die Sterblichkeit über 5 Jahre beträgt 50 %. Die Herzinsuffizienz präsentiert sich als akute und chronische, häufig progrediente Erkrankung mit den Varianten der systolischen und diastolischen Herzinsuffizienz. Während die systolische Herzinsuffizienz durch eine Minderung der Auswurfleistung gekennzeichnet ist, beruht die diastolische Herzinsuffizienz auf einer Störung der diastolischen Füllung des Herzens bei primär erhaltener Auswurfleistung. Ob die beiden Formen tatsächlich unterschiedliche Krankheitsentitäten oder lediglich zwei Varianten der prinzipiell gleichen Erkrankung darstellen, wird kontrovers diskutiert. Obwohl in den letzten Jahrzehnten wesentliche Erkenntnisse zur Pathophysiologie der Herzinsuffizienz gewonnen werden konnten, bleibt die therapeutische Perspektive von Patienten mit fortgeschrittener Herzinsuffizienz unbefriedigend.

Die Entwicklung der Herzinsuffizienztherapie über die vergangenen 30 Jahren lässt sich in drei Phasen einteilen. In der ersten Phase führte in den 1980-er Jahren die Erkenntnis der neurohumoralen Aktivierung bei Herzinsuffizienz zum erfolgreichen Einsatz der Hemmer des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems und der Betablocker. Dadurch konnten sowohl die Prognose als auch die Lebensqualität herzinsuffizienter Patienten signifikant verbessert werden. Eine zweite Verbesserung der Herzinsuffizienztherapie gelang in den darauf folgenden Jahren durch die Einführung von Geräten zur Defibrillation, Resynchronisation und mechanischen Unterstützung. In der dritten Phase der letzten Jahre kam es im Wesentlichen zu einer Modifikation und Intensivierung der Therapie und zu einer Ausweitung auf mildere Stadien der Herzinsuffizienz: 1. die Intensivierung der bradykardisierenden Betablockerwirkung durch Ivabradin, 2. die Gabe von Aldosteron-Antagonisten bereits im NYHA-Stadium II der Herzinsuffizienz, 3. die biventrikuläre Stimulation bereits im NYHA-Stadium II.

Nach dem bisher Gesagten stellt sich die kritische Frage nach dem Entwicklungspotential für die Herzinsuffizienztherapie in den kommenden Jahren und Jahrzehnten. Hier zeichnen sich vier verschiedene Grundrichtungen ab:

körperliches Ausdauertraining, die Entwicklung neuer Medikamente auf der Basis neuer molekularer und genetischer Erkenntnisse, regenerative Verfahren durch Stammzellen oder durch Eingriffe in den Zellzyklus und der Einsatz neuer Herzunterstützungssysteme.

Das Schwerpunktthema der 77. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie 2011 lautet Herzinsuffizienz und Regeneration. Während des Kongresses werden die genannten Aspekte sowie alle entscheidenden neuen Erkenntnisse in der Pathophysiologie, Diagnostik und Therapie der Herzinsuffizienz in unterschiedlichsten Programmpunkten erörtert.

Traditionsgemäß befasst sich das DMW Schwerpunktheft mit klinisch relevanten und innovativen Aspekten des Schwerpunktthemas der Jahrestagung. So widmet sich die Arbeit von Seebach et al. dem körperlichen Training bei Herzinsuffizienz. Dargestellt werden bisherige Studienergebnisse, Überlegungen zur Pathophysiologie sowie konkrete Trainingselemente. Die Arbeiten von Kandolf, Herrmann sowie Möller et al. setzen sich mit für die Differenzialdiagnostik wichtigen Krankheitsbildern auseinander: der Myokarditis, der Non-Compaction-Kardiomyopathie und der eosinophilen inflammatorischen Kardiomyopathie. Schließlich stellt Uta C. Hoppe die neuen, Guideline-relevanten Therapieverfahren vor, die in den vergangenen beiden Jahren publiziert wurden. Dazu gehört auch die kardiale Resynchronisation, deren Indikationsausweitung auf wenig symptomatische und vielleicht asymptomatische Patienten von C. Stellbrink erörtert wird.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir wünschen Ihnen einen spannenden und erkenntnisreichen Jahreskongress der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie. Gleichzeitig wünschen wir weiterführende Einblicke bei der Lektüre des vorliegenden Schwerpunkthefts.

Ihre

Prof. Dr. G. Hasenfuß

Prof. Dr. E. Erdmann

Prof. Dr. Gerd Hasenfuß

Abteilung für Kardiologie und Pneumologie
Herzzentrum der Universität Göttingen

37075 Göttingen

Phone: 0551/39-6351

Fax: 0551/39-6389

Email: hasenfus@med.uni-goettingen.de

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