Dtsch Med Wochenschr 2011; 136(19): 1027-1028
DOI: 10.1055/s-0031-1275839
Korrespondenz | Correspondence
Erwiderung
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Blutzucker-Senkung und kardiovaskulärer Vorteil: Was wissen wir heute? – Erwiderung

Glycemic control and cardiovascular benefit: What do we know today?M. Hanefeld, T. Forst
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Publication Date:
03 May 2011 (online)

In der Übersicht finden sich alle relevanten Ergebnisse der zitierten Studien sachlich und korrekt dargestellt [3]. Die Schlussfolgerung, dass Typ-2-Diabetiker von einer normnahen Blutzuckereinstellung profitieren, bezieht sich auf die in zahlreichen Studien belegte Riskoreduktion mikrovaskulärer Komplikationen durch eine Verbesserung der Blutzuckereinstellung. Auch in der ADVANCE-Studie konnte in der Gruppe der intensiviert behandelten Typ-2-Diabetiker eine Risikoreduktion für mikrovaskuläre Komplikationen und insbesondere für die diabetischen Nephropathie dargestellt werden [6].

Die von Herrn Egidi und Herrn Popert nicht verstandene Wertung der Ergebnisse der großen Langzeitstudien bezüglich kardiovaskulärer Vorteile wird von uns folgendermaßen formuliert: „ACCORD und ADVANCE zeigen jedoch keinen makrovaskulären Vorteil einer reinen HbA1c-Verbesserung”. Die Gefahren einer Hypoglykämie und eine kritische Stellung zu einer Übertherapie mit „vier oder mehr antidiabetischen Substanzgruppen” werden von uns hervorgehoben. Entgegen der Auffassung von Herrn Egidi und Herrn Popert, und im Einklang mit den Fachgesellschaften, sind wir der Meinung, dass sowohl aus der Nachbeobachtung der UKPD- und DIS-Studie als auch aus den Subanalysen der VADT- und ACCORD-Studie klare Hinweise auf den positiven Effekt einer optimierten Blutzuckereinstellung auch auf makrovaskuläre Endpunkte gezogen werden können.

So wurde in der Nachbeobachtung der UKPD-Studie in der ursprünglich intensiv behandelten Gruppe eine signifikante Reduktion myokardialer Ereignisse um 25 % beobachtet [4]. Inwieweit die Bedeutung dieser Ergebnisse, wie durch Herrn Egidi und Herrn Popert angemerkt, durch den in der UKPD-Studie erreichten mittleren HbA1c-Wert von 7,0 % geschmälert wird, bleibt uns unklar. Den beiden Kollegen dürfte auch nicht ganz unbekannt sein, dass ein HbA1c von 7 % der Zielwert der American Diabetes Association (ADA) ist und damit die UKPDS im Zielbereich liegt. Analog zu den positiven Ergebnissen der frühen Intervention in DIS und UKPDS enthüllte die Subanalyse der VADT-Studie, dass Patienten mit kurzer Diabetesdauer durch eine intensive Blutzuckerkontrolle ein reduziertes kardiovaskläres Risiko aufwiesen, während Patienten mit langer Diabetesdauer keinen kardiovaskulären Nutzen durch eine intensivierte Blutzuckereinstellung vorweisen konnten [2]. Eine im Mai 2010 veröffentlichte Analyse der ACCORD-Studie zu den Beziehungen von HbA1c, der Therapie der Glykämie und der Gesamtmortalität kommt zu dem Schluss, dass zwar die intensivierte Therapie insgesamt mit einem erhöhten Mortalitätsrisiko verbunden war, aber andererseits ein HbA1c > 7 % bei intensivierter Therapie mit einer erhöhten Mortalität assoziiert war. Diese Ergebnisse sind auch konsistent mit anderen epidemiologischen Analysen, die nahelegen, dass ein kontinuierlicher Risikogradient von niedrigeren zu höheren HbA1c-Werten besteht [9]. Wie durch Herrn Egidi und Herrn Popert richtig angemerkt, ergeben sich aus der ACCORD- und der VADT-Studie Hinweise auf ein potenzielles kardiovaskuläres Risiko durch Hypoglykämien. Auch wenn der kausale Zusammenhang zwischen Hypoglykämien und kardiovaskulären Ereignissen bisher nicht wissenschaftlich belegt ist, sind die Forderungen der Fachgesellschaften nach einer Optimierung der Blutzuckereinstellung unter weitmöglichster Vermeidung von Hypoglykämien sicherlich gerechtfertigt.

Die Metanalyse von Ray et al. ist in unserem Übersichtsartikel völlig korrekt zitiert. Aus dieser Metanalyse geht hervor, dass eine Absenkung des HbA1c um 0,9 % in den aufgeführten Studien mit einer Reduktion koronarer Ereignisse um 15 % einherging [8].

Die Proactive-Studie ist unstrittig die erste Studie, die den Effekt einer spezifischen pharmakologischen Intervention auf kardiovaskuläre Ereignisse prospektiv randomisiert untersuchte [1]. In dieser Studie wurde eine signifikante Reduktion des kombinierten Endpunkts nicht tödlicher Herzinfarkt, Schlaganfall und Tod in der mit Pioglitazon behandelteten Gruppe dargestellt. Auch wenn dies nicht der primäre Endpunkt der Studie war, handelt es sich entgegen der Auffassung der von Egidi und Popert um einen vorab definierten und im statistischen Analyseplan vorab erfassten, und somit absolut legitimen Zielparameter der Studie. So wurde in der Pioglitazon behandelten Gruppe im Vergleich zu Kontrollgruppe eine signifikante 16 %ige Reduktion dieses klinisch bedeutsamen kombinierten Endpunktes erreicht.

Richtig ist, dass in der PROactive-Studie bei 5,7 % der Pioglitazon und bei 4,1 % der Placebo behandelten Patienten eine Herzinsuffizienz als unerwünschte Nebenwirkung registriert wurde. Somit wurde in der Pioglitazongruppe ein um 1,6 % erhöhtes absolutes Risiko für eine dekompensierte Herzinsuffiziens dargestellt. Eine erhöhte kardiovaskuläre Mortalität ergab sich hieraus jedoch nicht. Aus verschiedenen Metaanalysen und Kohortenstudien zeigt sich, dass unter einer Therapie mit Pioglitazon im Vergleich zu einer Therapie mit Metformin mit einer gesteigerten Inzidenz einer Dekompensation einer Herzinsuffziens zu rechnen ist. Im Vergleich mit Sulfonylharnstoffen kann unter Pioglitazon jedoch keine erhöhte Inzidenz einer Dekompensation einer Herzinsuffzienz dargestellt werden, während unter einer Therapie mit Insulin das größte Risiko zur Dekompensation einer Herzinsuffizienz zu beobachten ist [5] [7].

Richtig ist, dass die Zulassung für Rosiglitazon zwischenzeitlich durch die EMA in den Ruhezustand versetzt wurde. Wie in unserer Übersicht auch bereits völlig treffend aufgeführt wurde, weisen die beiden Glitazone nach allen bisher vorliegenden wissenschaftlichen Daten ein unterschiedliches kardiovaskuläres Wirkprofil auf.

Literatur

  • 1 Dormandy J A. et al . Secondary prevention of macrovascular events in patients with type 2 diabetes in the PROactive Study (PROspective pioglitAzone Clinical Trial In macroVascular Events): a randomised controlled trial.  Lancet. 2005;  366 1279-1289
  • 2 Duckworth W. et al . Glucose control and vascular complications in veterans with type 2 diabetes.  N Engl J Med. 2009;  360 129-139
  • 3 Hanefeld M, Schönauer M, Forst T. Blutzucker-Senkung und kardiovaskulärer Vorteil: Was wissen wir heute?.  Dtsch Med Wochensch. 2010;  135 301-307
  • 4 Holman R R, Paul S K, Bethel M A. et al . 10-year follow-up of intensive glucose control in type 2 diabetes.  N Engl J Med. 2008;  359 1577-1589
  • 5 Karter A J. et al . Pioglitazone initiation and subsequent hospitalization for congestive heart failure.  Diabet Med. 2005;  22 986-993
  • 6 Patel A. et al . Intensive blood glucose control and vascular outcomes in patients with type 2 diabetes.  N Engl J Med. 2008;  358 2560-2572
  • 7 Rajagopalan R. et al . Association between congestive heart failure and hospitalization in patients with type 2 diabetes mellitus receiving treatment with insulin or pioglitazone: a retrospective data analysis.  Clin Ther. 2004;  26 1400-1410
  • 8 Ray K K. et al . Effect of intensive control of glucose on cardiovascular outcomes and death in patients with diabetes mellitus: a meta-analysis of randomised controlled trials.  Lancet. 2009;  373 1765-1772
  • 9 Riddle M. et al . Epidemiologic relationships between A1c and all-cause mortality during a median 3.4-year follow-up of glycemic treatment in the ACCORD trial.  Diabetes Care. 2010;  33 983-990

Prof. Dr. med. M. Hanefeld

Zentrum für Klinische Studien GWT-TUD GmbH

Fiedlerstraße 34

01307 Dresden

Prof. Dr. T. Forst

Institut für klinische Forschung und Entwicklung

Parcusstr. 8

55116 Mainz

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