manuelletherapie 2011; 15(5): 194
DOI: 10.1055/s-0031-1281922
Kommentar

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Kommentar zum Leserbrief von J. Langendoen

J. Schomacher
Further Information

Publication History

Publication Date:
19 December 2011 (online)

Entwicklung ist gut und unaufhaltsam. Doch ist sie auch immer besser?

Die neuen IFOMT-Ausbildungsrichtlinien (Standards document, SD [3]) geben nicht mehr vor, was die Ausbilder lehren, sondern welche Kompetenzen die Lernenden erwerben sollen. Das Beispiel der Manipulation mag zeigen, dass dies nicht immer nur positiv ist. In der Vorgängerversion des SD wurde klar von rotatorischen Manipulationen speziell in der HWS abgeraten: „Orthopaedic manipulative therapists have developed some unique procedures which eliminate rotatory stresses and emphasize glide and distraction movements. Rotation and extension are recognized as being movements which can provide a hazard especially when applied to the cranio-vertebral region“ [2].

Im aktuellen SD ist diese Passage weggefallen und kein Hinweis mehr zu rotatorischen Manipulationen vorhanden. Die Lernenden sollen Kompetenz in Manipulation erwerben, doch ist damit eine rotatorische oder eine translatorische Manipulation gemeint?

Weiter soll diese Manipulation evidence-based sein, wie Appendix 3 besagt. Die gegenwärtige wissenschaftliche Evidenz spricht jedoch eher gegen die Manipulation an HWS [1] und LWS [4], weil sie weitgehend gleich wie Mobilisation und Placebo wirke, aber mehr Risiken beinhalte. Sollte dies in den Ausbildungsrichtlinien nicht zumindest angesprochen werden? Wie mir scheint, helfen hier die SD den Unterrichtenden und Lernenden wenig!

Weiter sollen Manualtherapeuten nun Kompetenz in 10 verschiedenen Dimensionen erwerben und 7 verschiedene Rollen ausüben können – und alles auf dem Niveau eines Master-Studiengangs. Dies soll in 500 Zeitstunden erreicht werden. Die Vorgängerversion des SD schrieb ein Minimum von 750 Zeitstunden vor. Vor knapp 20 Jahren beinhaltete die OMT-Weiterbildung in über 1000 Zeitstunden „nur“ manuelle und klinische Fertigkeiten und Fähigkeiten. Wie sollen es die heutigen Lernenden schaffen, viel mehr in der Hälfte der Zeit zu beherrschen?

So wie wir in der Therapie „patientenorientiert“ arbeiten wollen, so sollte sich ein Weiterbildungskonzept vielleicht auch an den Lernenden orientieren. Lernziele sehen auf dem Papier schön aus, doch eine klare Benennung der zu unterrichtenden Inhalte würde Ausbildern und Lernenden konkret helfen. Dies gilt insbesondere für den deutschsprachigen Raum, wo das Weiterbildungsangebot in Manueller Therapie sehr heterogen ist und ein Konsens für alle sinnvoll wäre. Entwicklung ist weiterhin nötig!

Literatur

  • 1 Gross A, Miller J, D‘Sylva J et al. Manipulation or mobilisation for neck pain: A Cochrane Review.  Manual Therapy. 2010;  15 315-333
  • 2 International Federation of Orthopaedic Manipulative Physical Therapists (IFOMPT) .Standards Document. IFOMPT; 2004 http://www.ifompt.org
  • 3 International Federation of Orthopaedic Manipulative Physical Therapists (IFOMPT) .Standards Document. IFOMPT; 2008 http://www.ifompt.com/About+IFOMPT/Standards+Document.html
  • 4 Rubinstein S M, Middelkoop van M, Assendelft W J et al. Spinal manipulative therapy for chronic low-back pain: an update of a Cochrane Review.  Spine. 2011;  36 E825-E846

Jochen Schomacher

Florastr. 5

8700 Küsnacht

Schweiz

Email: Jochen-Schomacher@web.de

    >