Endoskopie heute 2011; 24(3): 153
DOI: 10.1055/s-0031-1283745
Editorial

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart ˙ New York

Schwerpunktheft kolorektales Karzinom

J. F. Riemann, H. J. Schulz
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Publication Date:
26 September 2011 (online)

Das kolorektale Karzinom gibt immer wieder ­Anlass und Gelegenheit, neue und wichtige Ergebnisse im Rahmen der Grundlagen- wie der Versorgungsforschung in einem Schwerpunktheft zusammenzufassen. Dies ist nicht zuletzt der ­Tatsache geschuldet, dass dieser zwar langsam wachsende, aber in seiner finalen Ausprägung doch für den Patienten schreckliche Tumor trotz großer Fortschritte nichts von seinem Schrecken verloren hat. Dazu gehört auch, dass er nach wie vor für Frauen und Männer gemeinsam der zweithäufigste Tumor ist. 

Fortschritte sind eindeutig in der Prävention erzielt worden. Trotz mancher Unkenrufe lässt sich schon heute gut belegen, dass seit Einführung der Vorsorgekoloskopie über 100 000 Darmkrebsfälle verhindert worden sind, ganz zu schweigen von der noch viel höheren Zahl, die in den nächsten Jahren durch die konsequente Ektomie großer Adenome zu erwarten ist. Die Grundlagenforschung hat bei Aufdeckung der Entstehungswege neue Wachstumsformen definiert, die einem ­besonderen Risiko zugeordnet werden können. Männer stellen eine wichtige Zielgruppe in der Ansprache dar, da sie offensichtlich früher an ­diesem Tumor erkranken. Das bisher opportunistische Screening wird wahrscheinlich einem ­or­ganisierten Einladungsverfahren analog zum Mamma-Screening weichen, wie es der Nationale Krebsplan zum Thema „Weiterentwicklung der Darmkrebsfrüherkennung“ vorgeschlagen hat. 

Die Bildtechnik hat inzwischen Standards gesetzt, die nicht mehr unterschritten werden können. Ausgefeilte Chromoendoskopie-Verfahren, sei es mit echten Farben, sei es virtuell, versetzten heute den endoskopierenden Arzt in die Lage, sehr treffsicher auch eine klare Diagnose zu stellen, die er durch den Pathologen als Zweitmeinung bestätigt oder verworfen bekommt. Diese Entwicklung wird vor allem für die „kleinen“ Adenome bedeutend werden, geht es hier doch darum, was wie bewertet werden muss. Diese Diskus­sion, die gerade beginnt, wird richtungsweisend wie spannend. 

Zwei Beiträge von renommierten Pathologen, denen an dieser Stelle noch einmal ganz besonders für ihr Engagement gedankt sein soll, verdienen auch ganz besondere Aufmerksamkeit. Neue Forschungserkenntnisse aus der jeweiligen Arbeitsgruppe haben unser Wissen sehr bereichert. So verstehen wir inzwischen viel besser die Entstehungswege des kolorektalen Karzinoms; wir haben uns mit dem serratierten Pathway vertraut gemacht, der möglicherweise besonders für die rechtsseitig lokalisierten Karzinome verantwortlich ist. Der Koloskopiker hat in diesem Dickdarmabschnitt eine besondere Bringschuld, weil dieser nach der Literatur den Hauptlokalisationsort übersehener Karzinome darstellt. Die klinische wie forschungsaktive Kooperation mit den Pathologen wird für die bereits andiskutierte Frage nach der Wertigkeit der „kleinen“ tubulären Adenome von entscheidender Relevanz sein. 

Die endoskopischen Resektionstechniken sind in den letzten Jahren immer besser geworden. Der nicht komplett abgetragenen Polyp ist eine der Hauptursachen für das „Intervallkarzinom“. Die Differenzialindikation, wann wie und mit welchem Erfolg abgetragen werden soll, werden in diesem didaktisch meisterhaften Beitrag klar und übersichtlich dargestellt. Man spürt im Duktus den Experten! Das kann all denen, die gerade ­anfangen nur Recht sein und bestärkt die, die sich in vielen Jahren eine eigene Expertise zugelegt haben. Man lernt aber nie aus; von daher kann dieser Beitrag auch fortgeschrittenen Kollegen helfen. Der nicht selbst endoskopierende Arzt wird mit Fakten vertraut gemacht, die er nachfragen und seinem Patienten gegebenenfalls darstellen kann. 

Letztlich haben sich auch die Operationstechniken wesentlich verbessert. Nicht nur der Zugangsweg ist anders geworden; auch Tandem-Eingriffe spielen eine immer größere Rolle. Inwieweit die neue Technik von NOTES weiteren Fortschritt bringt, wird gegenwärtig interdisziplinär gerade auch von der Arbeitsgruppe untersucht, die sich der Mühe dieses Beitrages unterzogen hat. 

Last but not least: für manche Patienten kom­men Vorsorge, Früherkennung und kausale Therapie zu spät. Auch für sie gibt es Hoffnung; die pallia­tive, also symptomatische Behandlung von Tumorstenosen oder anderen tumorassoziierten Problemen hat sich weiter entwickelt. Neue Stents, neue Beschichtungen und vieles mehr stehen im Arsenal des Gastroenterologen zur Verfügung. 

Freuen Sie sich mit uns auf ein spannendes Heft, das zu einem scheinbaren „Alltagsthema“ vieles Neues aufzeigt, viel Stoff für Informationen und Diskussionen bietet und deutlich macht, wie sehr die Medizin im Fluss ist. In Abwandlung des guten alten Mottos „wer viel fragt, erfährt viel“ könnte man nach Lektüre diese Heftes sagen „wer viel liest, erfährt viel“. 

Prof. Dr. J. F. Riemann
Prof. Dr. H.-J. Schulz

Im September 2011

Prof. Dr. J. F. Riemann

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