Zentralbl Chir 2012; 137(6): 596-597
DOI: 10.1055/s-0031-1284011
Sonstige
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Der Halberstädter Arzt Dr. Walter Krienitz – Einer der Erstbeschreiber von Magenbakterien

The Halberstadt Physician Dr. Walter Krienitz – One of the First to Describe Bacteria of the Stomach
S. Rickes
AMEOS Klinikum St. Salvator, Medizinische Klinik, Halberstadt, Deutschland
› Author Affiliations
Further Information

Publication History

Publication Date:
17 April 2012 (online)

Vom 27. – 28.1.2012 fand in Halberstadt unter der Leitung von Dr. Frank Eder – Chefarzt der Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Gefäßchirurgie des AMEOS Klinikums St. Salvator Halberstadt – das traditionelle Kehr-Symposium statt. Ein Teil der Veranstaltung war dem Leben und Schaffen von Prof. Dr. Hans Kehr und Dr. Walter Krienitz gewidmet. Während Hans Kehr sicherlich allen Chirurgen ein Begriff ist, dürfte Walter Krienitz vielen noch unbekannt sein. Der Zweck dieses Beitrags ist es daher, den Lesern die Person von Walter Krienitz – auf den eine der Erstbeschreibungen von Magenbakterien zurückgeht – und seine wissenschaftliche Beschreibung zu beleuchten. Dabei soll auch auf vorangegangen Publikationen verwiesen werden [1] [2] [3].

Im Jahr 2005 wurden die beiden Australier Marshall und Warren für die Entdeckung von Helicobacter pylori mit dem Medizinnobelpreis ausgezeichnet. Es bedurfte nur eines einfachen Lichtmikroskops, um diese bahnbrechende Beschreibung zu machen, die das Dogma des sterilen Magens ablöste. Zweifelsohne kann der sich aus dieser Entdeckung gewonnener Nutzen für die Menschheit kaum abgeschätzt werden. So können heute die peptische Ulkuserkrankung oder das MALT-Lymphom des Magens durch eine einfache Therapie geheilt werden.

Wie schwierig der Weg der Entdeckung von Helicobacter pylori war, verdeutlicht die Tatsache, dass bereits lange vor der Beschreibung von Marshall und Warren Wissenschaftler auf die Existenz von Bakterien im Magen hingewiesen haben [4] [5] [6]. Eine der Erstbeschreibungen von Bakterien im Magen geht auf den Halberstädter Arzt Dr. Walter Krienitz zurück [6].

Walter Krienitz wurde 1876 in Halberstadt geboren. Er besuchte in seiner Geburtsstadt das Domgymnasium bis zum Abitur 1896. Im gleichen Jahr begann er ein Medizinstudium an der Universität Würzburg. Im Wintersemester 1898 / 99 wechselte er an die Berliner Universität. Seine Lehrer waren die Professoren Fick, Boveri und Röntgen. 1899 bestand Krienitz das Physikum an der Universität Halle / Saale, wo er von den Professoren von Hippel und Roux ausgebildet wurde. 1902 erlangte Krienitz die Approbation. 1903 promovierte er in Halle / Saale über „Einen Fall von Adenom der Lunge“.

1906 heiratete Krienitz Marianne Finger ([Abb. 1]). Im gleichen Jahr veröffentlichte er eine Arbeit mit dem Titel „Ueber das Auftreten von Spirochäten verschiedener Form im Mageninhalt bei Carcinoma ventriculi“ [6]. Krienitz berichtete dabei über „zarte, an den Enden spitz auslaufende“ Bakterien im Magen. Anhand der unterschiedlichen Zahl und Verläufe der Windungen bildete er 3 verschiedene Gruppen. Ob die beobachteten Bakterien tatsächlich – wie von ihm vermutet – Spirochäten im Rahmen einer Lues entsprachen oder ob es sich um eine der Erstbeschreibungen von Helicobacter handelte, bleibt offen. Von 1906 bis 1928 war Krienitz in einer Privatklinik für Magen-, Darm- und Stoffwechselkrankheiten in Halberstadt tätig ([Abb. 2] und [Abb. 3]). Er war bekannt für seine gute Diagnose. 1912 wurde er durch ein Patent von Kaiser Wilhelm II. zum Stabsarzt der Landwehr ernannt. Ein Jahr später erfolgte eine weitere Veröffentlichung, diesmal mit dem Titel „Zur Erleichterung der Ernährung bei Ösophaguskarzinom“ [7]. Die in der damaligen Zeit auch im Ausland bestehende Resonanz seiner Publikationen wird dadurch bestätigt, dass er 1913 eine Anfrage bezüglich eines Sonderdruckes vom “College of Medicine and Surgery” der Universität Minnesota erhielt ([Abb. 4]).

Zoom Image
Abb. 1 Walter Krienitz mit seiner Ehefrau im Jahr 1906.
Zoom Image
Abb. 2 Die Privatklinik für Magen-, Darm- und Stoffwechselkrankheiten von Walter Krienitz in Halberstadt.
Zoom Image
Abb. 3 Walter Krienitz am Schreibtisch seiner Privatklinik in Halberstadt.
Zoom Image
Abb. 4 Brief vom „College of Medicine and Surgery” der Universität Minnesota mit der Bitte um Zusendung eines Sonderdruckes einer Publikation.

Walter Krienitz war lebenslustig und gesellig. Er hatte eine Vorliebe für Wein, sammelte Briefmarken und Münzen, wanderte und las gerne. Mitte der 20er Jahre erkrankte er an einer schweren Enzephalitis, vermutlich im Gefolge der sogenannten Spanischen Grippe (Encephalitis lethargica). Aufgrund einer zunehmenden rechtsseitigen Hemiplegie musste er seine ärztliche Tätigkeit 1928 beenden. Dr. Walter Krienitz starb 1943.

Im Jahr 2007 wurde in Halberstadt der „Walter Krienitz-Verein zur Förderung der Medizin e. V“ gegründet. Der Zweck des Vereins ist die Förderung des Erkenntnisfortschritts in der Medizin. Dazu zählen die Unterstützung von wissenschaftlichen Untersuchungen, die Unterstützung von Lehre und Ausbildung von Medizinstudenten und Ärzten sowie die Förderung wissenschaftlicher Untersuchungen zur Geschichte der Medizin. Der Vereinszweck wird auch durch künstlerische Projekte zur Erinnerung an Persönlichkeiten aus der Medizin verwirklicht. Weitere Informationen zum Verein findet man im Internet unter www.krienitzverein.de. Mittlerweile existiert in Halberstadt eine Bronzebüste von Walter Krienitz im gleichnamigen Park nahe des Krankenhauses ([Abb. 5]). So wird das Gedenken an ihn für die Nachwelt erhalten.

Zoom Image
Abb. 5 Bronzebüste von Krienitz im „Dr.-Walter-Krienitz-Park“ (Foto von Dieter Kunze aus Halberstadt).