Zentralbl Chir 2012; 137(3): 213
DOI: 10.1055/s-0031-1284045
Editorial
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Thoraxchirurgie im Wandel

Thorax Surgery and the Changing Times
B. Passlick
1   Abt. Thoraxchirurgie, Chirurgische Klinik, Universitätsklinikum Freiburg, Deutschland
› Author Affiliations
Further Information

Publication History

Publication Date:
18 June 2012 (online)

Zoom Image

Wie alle anderen chirurgischen Fachdisziplinen befindet sich auch die Thoraxchirurgie in einem ständigen Anpassungsprozess im Hinblick auf Indikationsstellung und operativer Technik. Dabei ist dieses Spannungsfeld nicht nur durch die Innovationen im eigenen Fachgebiet geprägt, sondern auch durch die technische Weiterentwicklung der Nachbardisziplinen (Pneumologie, Strahlentherapie, Herzchirurgie). Im aktuellen Heft des „Zentralblatts“ werden diese Entwicklungen beispielhaft aufgeführt. Besonders eklatant ist die Entwicklung im Rahmen des Stagings von Lungenkarzinompatienten. Mehr als 50 Jahre galt die zervikale Mediastinoskopie nach Carlens / Specht als die invasive Stagingmethode der Wahl, um einen mediastinalen Lymphknotenbefall nachzuweisen oder auszuschließen. Innerhalb weniger Jahre ist diese Technik nun fast vollständig von der endobronchialen Ultraschall-Untersuchung mit transtrachealer bzw. transbronchialer Punktion der peribronchialen Lymphknoten abgelöst worden. Obwohl die Expertise des Thoraxchirurgen im Hinblick auf Anatomie und Metastasierungsverhalten des Lungenkarzinoms von eminenter Bedeutung für die Indikation und Durchführung dieser innovativen Technik ist, ist es nicht in allen thoraxchirurgischen Abteilungen durchgängig gelungen, das primäre Staging des Mediastinums in chirurgischer Hand zu halten. Umso mehr erscheint es von eminenter Bedeutung, spezifische Behandlungsabläufe zu definieren, die es erlauben, alle Lungenkarzinompatienten, die aus chirurgischer Sicht operabel erscheinen, auch als Solche zu identifizieren und einem operativen Eingriff zuzuführen.

Ein zweites in thoraxchirurgischen Kreisen intensiv diskutiertes Thema ist die videoassistierte thorakoskopische Lappenresektion (VATS-Lobektomie). Wurde diese Operationstechnik vor kurzem auch bei frühen Lungenkarzinomen (Stadium I A / B) auf nationalen und auch internationalen Kongressen noch heftig diskutiert, scheint die Operationstechnik nun als Methode der Wahl in geeigneter Situation akzeptiert zu sein. Wie bei der Einführung vieler anderer neuer chirurgischer Techniken wurde es auch bei der Etablierung der VATS-Lobektomie versäumt, rechtzeitig randomisierte Untersuchungen in größerem Stil aufzulegen, um die Effektivität und Nützlichkeit unserer Operationstechniken darzustellen. Dies lässt die chirurgischen Ergebnisse manchmal im Vergleich zu anderen Fachdisziplinen (Strahlentherapie, Medizinische Onkologie) in einem ungünstigen Licht erscheinen, da entsprechende Studien mit dem dazu gehörigen Evidenzlevel nicht publiziert wurden oder als nicht durchführbar dargestellt werden. Hier besteht ein großes Manko, welchem in der Zukunft unbedingt entgegengetreten werden muss, da sonst die Befürchtung besteht, in der internationalen „scientific community“ keine ausreichende Anerkennung zu finden.