Dtsch Med Wochenschr 2011; 136: S55
DOI: 10.1055/s-0031-1286084
Zusammenfassung | Abstract
Qualitätsmanagement
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Lernen aus der Analyse von Haftpflicht-Versicherungsfällen

What could we learn from liability medical malpractice claims?A. Meyer1
  • HELIOS Kliniken GmbH, Berlin
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Korrespondenz

Andreas Meyer

HELIOS Kliniken GmbH

Friedrichstraße 136

10117 Berlin

Phone: 030/521321-451

Email: andreas.meyer@helios-kliniken.de

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Publication Date:
06 September 2011 (online)

Table of Contents

Lediglich für den Bereich der Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen werden Arzthaftungsfälle systematisch erfasst und Ergebnisse durch die Ärztekammern veröffentlicht. Für 2010 waren dies 11 016 Fälle, was ca. einem Viertel aller Behandlungsfehlervorwürfe entsprechen soll [1]. Das Fehlen einer Gesamtstatistik überrascht, denn bei einer Fehlerrate von rund 30 % kann Haftpflicht-Fällen eine sehr hohe Relevanz für die Fehleranalyse und -vermeidung zugerechnet werden.

Als einer der wenigen Leistungserbringer erfasst Helios Haftpflicht-Ansprüche pro Klinik und publiziert diese bis hin zur Darstellung von sogenannten „Never Events” wie Seiten-/Verwechslungen und verbliebene Fremdkörper in seinen Jahresberichten (Tab. [1] ).

Tab. 1 Haftpflichtfälle bei HELIOS. Nach Melde-/Antragsjahr.

2008

2009

2010

6/2011

Haftpflicht-Fälle gesamt:

634

731

645

272

Haftpflicht-Fälle Akut

584

671

601

245

Akutquote auf 1000 vollst. Fälle

1,1

1,1

1,0

0,8

Seiten-/Verwechslung

4

4

5

3

Fremdkörper

18

19

14

9

Schlichtungsstellenverfahren:

Anträge bei SST

194

226

252

105

SST-Fehlerquote

30,0 %

26,8 %

27,6 %

30,2 %

Der Großteil der Ansprüche gegen Helios wird mittlerweile ohne Einbezug eines Versicherers durch einen zentralen Dienst bearbeitet. Neben besserer Kommunikation und schnellerer Klärung gegenüber dem Patienten ist eine verbesserte Analyse hinsichtlich Risiko- und Qualitätsmanagement-Maßnahmen das Ziel.

Alle Ansprüche werden in einer Datenbank nach verschiedenen Kategorien kodiert. Diese umfassen u. a. Vorwurf/Fehlerursache, juristische Bewertung und Finanzdaten. Seit der Ersterfassung im Jahr 2007 sind mehr als 3000 Ansprüche und haftungsrelevante Vorfälle aufgezeichnet. Dieses Behandlungsfehler-Register ermöglicht jederzeit spezifische Auswertungen. Quartalsweise erfolgt eine Berichterstattung mit Klinikvergleich. Ergänzend zum Qualitätsmanagement mit Routinedaten werden Haftpflicht-Fälle nun den medizinischen Fachgruppen für Peer Reviews oder Fall-Kasuistiken zur Verfügung gestellt. Zum Beispiel konnten aus der Analyse von „Never Events” Schwachstellen beim Einsatz der OP-Checklisten identifiziert werden. Die Fachgruppe Pflege führte auf Basis von Dekubitus-Fällen überhaupt erstmals ein zentrales Review durch.

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Haftpflichtverfahren als Indikator der Qualitätsmessung?

Wie Critical Incident Reporting (CIRS), Patient Safety Indicator (PSI) oder Qualitätssicherung mit Routinedaten (QSR)/Initiative Qualitätsmedizin (IQM) stellt auch ein Haftpflicht-Register eine Methode der Qualitätsmessung dar. Weil Ansprüche sowieso bearbeitet werden müssen, entfällt ein zusätzlicher Erhebungsaufwand weitgehend. Die einzelnen Anspruchszahlen mögen gering sein, deren Erkenntnis- und Mehrwert ist jedoch bemerkenswert. Zunächst geben die im Zuge der Klärung der Haftungsfrage vorliegenden medizinischen Gutachten und Stellungnahmen oft einen einzigartigen Einblick in Fehlerursachen und im Sinne des „Aus Fehlern Lernens”. Zudem werden bei Haftpflichtverfahren eine ganze Reihe an Ereignissen bekannt, die in Routinedaten bisher nicht umfasst sind, z. B. der Anästhesie oder Handchirurgie. Aber auch bei gut abgebildeten Behandlungen wie der Orthopädie/Unfallchirurgie – woraus ein Großteil der Haftpflichtverfahren resultiert – werden Probleme durch die Rückspiegelung der Ergebnisse nach dem stationären Aufenthalt oft erst direkt nachvollziehbar. Inwieweit Haftpflicht als Querschnittsindikator statistischen Anforderungen genügen kann – etwa als Maß für Patientensicherheit – müsste Gegenstand der weiteren Versorgungsforschung sein. In den USA sind jedenfalls umfangreiche Haftpflicht-Benchmark-Reports inzwischen etabliert [2].

Autorenerklärung: Es bestehen keine finanziellen Interessenkonflikte in Zusammenhang mit diesem Artikel.

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Literatur

  • 1 Bundesärztekammer .Statistische Erhebung der Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen für das Statistikjahr 2010. Berlin; 2011
  • 2 Ruoff MPH, CPHRM G. (Ed.) Annual Benchmarking Report – Malpractice Risks in Obstetrics. CRICO Strategies, 2010. Cambridge; 2011
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  • 1 Bundesärztekammer .Statistische Erhebung der Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen für das Statistikjahr 2010. Berlin; 2011
  • 2 Ruoff MPH, CPHRM G. (Ed.) Annual Benchmarking Report – Malpractice Risks in Obstetrics. CRICO Strategies, 2010. Cambridge; 2011
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