Hebamme 2011; 24(3): 140
DOI: 10.1055/s-0031-1288943
Editorial
© Hippokrates Verlag in MVS Medizinverlage Stuttgart GmbH & Co. KG

Danke, Mrs. Obama!

Birte Luther
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Publication Date:
20 September 2011 (online)

Liebe Leserinnen,

Stillen ist die adäquate und natürliche Art, die uns die Natur zur Verfügung gestellt hat, um Kinder zu ernähren, ihr Immunsystem zu unterstützen und gleichzeitig den notwendigen engen körperlichen Kontakt zwischen Mutter und Kind zu ermöglichen. Das Wissen um diese und andere Vorteile des Stillens gilt seit langem als gesichert. Aber was nützt diese Evidenz im Hinblick auf die tägliche Arbeit der Hebammen mit den Frauen und ihren Familien?

Wie viele Themen rund um die Geburt eines Kindes ist auch das Stillen in unseren westlichen Gesellschaften stark ideologiebesetzt. Besonders deutlich wird dies immer dann, wenn Prominente Äußerungen treffen, die nicht dem gesellschaftlichen Mainstream entsprechen. Eine solche Äußerung stammt von Michelle Obama im Februar 2011. Sie sagte, dass Kinder, die lange gestillt werden, sehr viel seltener unter krankhaftem Übergewicht leiden. In der Diskussion, die daraufhin einsetzte und sogar in der deutschen Tagespresse fortgesetzt wurde, spielte es keine Rolle, ob die Aussage wissenschaftlich haltbar ist oder nicht. Vielmehr wurde auf einer sehr polemischen Ebene diskutiert, die viele Emotionen freisetzte und damit endete, dass Michelle Obama seitens der Republikanerinnen eine Bevormundung der amerikanischen Frauen vorgeworfen wurde.

Hebammen bewegen sich in ihrer Arbeit mit den Frauen täglich in diesem Minenfeld zwischen Wissen und Ideologie, z. B. wenn sie zu einem Wochenbettbesuch kommen und von der Oma hören, dass sie ihre Kinder nicht gestillt hat und dass diese trotzdem gut geraten seien und man dies doch der Tochter oder Schwiegertochter, die Schwierigkeiten mit dem Stillbeginn hat, auch mal sagen müsse.

In dieser Ausgabe haben wir die zentralen Themen Stillen und Bonding kombiniert. Beide gehören zusammen. Um den wichtigen und störanfälligen Stillbeginn zu unterstützen, finden Sie u. a. eine reichlich bebilderte Praxisanleitung, die sehr gut als Kopiervorlage für die Beratung stillender Mütter verwendet werden kann.

Bei unserem letzten Herausgebertreffen haben wir uns die Frage gestellt, was letztendlich bei den betreuten Frauen von der Hebammenarbeit in Erinnerung bleibt. Was ist den Frauen besonders wichtig? Welchen längerfristigen Einfluss hat die Hebammenbetreuung überhaupt?

Um uns dieser Frage zu nähern, haben wir einen Fragebogen entwickelt, der sich an die Mütter richtet. Wir möchten Sie bitten, diesen Fragebogen an die von Ihnen betreuten Mütter, z. B. am Ende der Wochenbettbetreuung oder in den Rückbildungsgymnastik- oder Babymassagekursen zu verteilen.

Der Fragebogen ist auf S.142 abgedruckt und zusätzlich als Beilage in diesem Heft. Er kann kopiert oder von der Homepage des Hippokrates Verlags runtergeladen werden. Wir werden die Ergebnisse dann auswerten und in einer späteren Ausgabe unserer Zeitschrift publizieren.

Bitte helfen Sie mit! Kopieren Sie den Fragebogen für Ihre Frauen!

Schon jetzt herzlichen Dank für Ihre Unterstützung!

Außerdem gehen wir in einer Pro- und Kontra-Diskussion der Frage nach, ob Hebammen und Hebammenschülerinnen in Zukunft auch die Ultraschalltechnik erlernen sollten. – Was meinen Sie? Wir freuen uns auf Ihre Rückmeldungen!

Sie sehen, dieses Heft bietet viel Zündstoff und Anregungen zu Diskussionen. Der französische Philosoph Michel Foucault bezeichnete Diskurse als einen Vorgang der Herausbildung von Wahrheiten. Je intensiver Diskurse über ein Themengebiet geführt werden, desto mehr erscheinen sie als gesellschaftlich anerkennungswürdig, das ist die Komponente der Macht in den Diskursen. Insofern hat Mrs. Obama durch ihre Äußerung zum langen Stillen einen wichtigen Beitrag geleistet, das Thema wieder mehr ins Gespräch zu bringen.

Ich wünsche Ihnen viel Spaß beim Lesen und viele anregende Diskurse danach!

Herzlichst Ihre

Birte Luther

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