Pneumologie 2012; 66(04): 235-239
DOI: 10.1055/s-0031-1291874
Originalarbeit
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Implementierung einer geriatrischen frührehabilitativen Komplexbehandlung (GFK) in der akutstationären Pneumologie

Implementation of an Early Geriatric Rehabilitation in Acute Inpatient Pneumology
W. Ammenwerth
1   Klinik für Pneumologie, Lungenklinik Heckeshorn, HELIOS Klinikum Emil von Behring, Berlin
,
M. Nosul
2   Zentrum für Geriatrie und Physikalische Medizin, HELIOS Klinikum Berlin-Buch, Berlin
,
M. Berliner
2   Zentrum für Geriatrie und Physikalische Medizin, HELIOS Klinikum Berlin-Buch, Berlin
,
Ch. Duve
1   Klinik für Pneumologie, Lungenklinik Heckeshorn, HELIOS Klinikum Emil von Behring, Berlin
,
A. Guttenberger-Nowicki
3   Sozialdienst, HELIOS Klinikum Emil von Behring, Berlin
,
N. Schönfeld
1   Klinik für Pneumologie, Lungenklinik Heckeshorn, HELIOS Klinikum Emil von Behring, Berlin
,
T. Blum
1   Klinik für Pneumologie, Lungenklinik Heckeshorn, HELIOS Klinikum Emil von Behring, Berlin
,
T. T. Bauer
1   Klinik für Pneumologie, Lungenklinik Heckeshorn, HELIOS Klinikum Emil von Behring, Berlin
› Author Affiliations
Further Information

Korrespondenzadresse

Dr. Wilhelm Ammenwerth
HELIOS Klinikum Emil von Behring
Klinik für Pneumologie – Lungenklinik Heckeshorn
Walterhöferstraße 11
14165 Berlin

Publication History

eingereicht 10 November 2011

akzeptiert nach Revision 09 February 2012

Publication Date:
04 April 2012 (online)

 

Zusammenfassung

Hintergrund: Um den sich rasch entwickelnden Funktionsverlusten bei insbesondere älteren Patienten mit akut exazerbierter COPD frühzeitig entgegenzuwirken, wurde das Konzept „GFK in der akutstationären Pneumologie“ entwickelt. Wesentlicher Aspekt des Projekts ist die zielgruppenspezifische Ausrichtung unter Nutzung multiprofessioneller Fachkompetenz und Standards.

Methode: In dieser 1-jährigen Projektstudie wurden 58 akut exazerbierte COPD-Patienten in höherem Lebensalter (Mittel 74,8 ± 6,8 Jahre) mit geriatrietypischer Multimorbidität und akut- sowie rehabilitationsmedizinischem Behandlungspotenzial eingeschlossen. Mittels standardisierten Assessments wurde das Ergebnis der GFK durch ein multiprofessionelles Reha-Team im prospektiven Ansatz überprüft.

Ergebnisse: Die GFK begann im Median am 3. Tag (Spannweite 1. – 22. Tag) und dauerte im Median 16 Tage (Spannweite 9 – 29). Es konnte insbesondere in den Bereichen Mobilität (Timed-up-and-go, Median 19 (Spannweite 10 – 150) vs. 15 (Spannweite 7 – 120) Sekunden, p < 0,0001), Selbsthilfefähigkeit (Barthel-Index, Median 73 (Spannweite 5 – 95) vs. 95 (Spannweite 45 – 100) Punkte, p < 0,0001) und soziale Versorgung eine signifikante Verbesserung erreicht werden.

Schlussfolgerung: Eine GFK bei akut exazerbierten COPD-Patienten ist hervorragend in die pneumologische akutstationäre Behandlung integrierbar.


#

Abstract

Background: In order to counter the rapidly developing loss of function especially in elderly patients with acute exacerbation of chronic obstructive pulmonary disease (AE-COPD) the concept “early geriatric rehabilitation in acute inpatient pneumology” was developed. An essential aspect of the project was a targeted approach making use of multi-professional expertise and standards.

Methods: This 1-year feasibility study included a total of 58 patients with AE-COPD in advanced age (mean: 74.8 ± 6.8 years) with typical geriatric multimorbidity and necessity for acute medical as well as rehabilitation treatment. The results of the early geriatric rehabilitation by a multi-professional rehabilitation team were analyzed in a prospective study approach using standardized assessments.

Results: The early geriatric rehabilitation started on median day 3 (range: 1st – 22nd) and lasted in median 16 days (range: 9 – 29). It achieved a significant improvement, particularly in mobility [timed up-and-go, median 19 (range: 10 – 150) vs. 15 (range: 7 – 120) seconds, p < 0.0001], self-help ability [Barthel index, median 73 (range: 5 – 95) vs. 95 (range: 45 – 100) points, p < 0.0001] and social care.

Conclusions: Early geriatric rehabilitation in a cohort of AE-COPD patients is feasible and can be integrated in an acute inpatient pulmonary care system.


#

Einleitung

Für die Effizienz einer ambulanten und stationären pneumologischen Rehabilitation, insbesondere bei der COPD, gibt es mittlerweile hinreichende Evidenz [1] [2] [3] [4] [5] [6] [7] [8] [9] [10]. In einer 2009 von Puhan und seinen Mitarbeitern veröffentlichten Metaanalyse zeigten sich eindeutige Effekte sowohl bezüglich der stationären Wiederaufnahmerate (number needed to treat [NNT] = 3) als auch bezüglich der nachfolgenden Mortalität (NNT = 6) [3]. Alle Behandlungsmaßnahmen in diesen Studien wurden in dafür spezialisierten ambulanten oder stationären Rehabilitationseinrichtungen durchgeführt, bei akut exazerbierten COPD-Patienten setzen rehabilitative Maßnahmen in der Regel erst nach der Akutbehandlung ein [11] [12] [13] [14]. In den meisten Studien fehlt die Berücksichtigung der Komorbidität, obwohl sie in hohem Maße bei COPD-Patienten vorhanden ist [15].

Für den geriatrischen Patienten, der aufgrund der demografischen Entwicklung auch in der Pneumologie eine stark wachsende Rolle spielt, existiert derzeit kein fachlich verbundenes geriatrisch-pneumologisches Konzept für die stationäre Akutbehandlung.

Am Beispiel des Schlaganfalls, als einem etablierten geriatrischen Krankheitsbild, konnte gezeigt werden, dass ein akuter Funktionsverlust umso stärker rückgängig gemacht werden konnte, je früher Rehabilitationsmaßnahmen einsetzten [16] [17]. Der frühestmögliche Beginn der Rehabilitation ist bereits der Zeitpunkt der stationären Aufnahme im Akutkrankenhaus. Unsere Hypothese ist, dass nur so das große Rehabilitationspotenzial der Frühphase optimal genutzt werden kann.

Daher haben wir im Sinne einer Machbarkeitsstudie die Integration einer geriatrischen frührehabilitativen Komplexbehandlung (GFK) in die stationäre akut-pneumologische Versorgung geprüft.


#

Methode

Das multiprofessionelle Behandlungsteam der GFK in der pneumologischen Akutklinik setzte sich aus qualifizierten Ärzten, Therapeuten und Fachkräften unter Leitung eines ärztlichen Koordinators wie folgt zusammen:

  • geriatrisch qualifizierter Arzt (Facharzt für Geriatrie aus dem Zentrum für Geriatrie und Physikalische Medizin des HELIOS Klinikum Berlin-Buch mit vollzeitiger Anstellung im HELIOS Klinikum von Behring, Trägerklinik der Lungenklinik Heckeshorn) mit fachärztlicher Behandlungsleitung

  • Facharzt für Pneumologie aus dem pneumologischen Akutkrankenhaus (Lungenklinik Heckeshorn)

  • Physiotherapeut/Krankengymnast

  • Atmungstherapeut

  • Ergotherapeut

  • Pflegefachkraft mit spezieller Schulung/Qualifikation

  • Sozialarbeiter

  • Ernährungsberater/Diätassistent

  • Logopäde

  • Seelsorger/Theologe

Zur Erbringung der GFK in der pneumologischen Akutklinik wurde lediglich eine Vollzeitstelle für einen Facharzt für Geriatrie eingerichtet. Alle weiteren infrastrukturellen Voraussetzungen waren im Klinikum bereits gegeben. Die Abrechnung der GFK erfolgte im Rahmen des DRG-Systems (DRG E42Z, OPS-Kode 8-550.1-3).

In die GFK eingeschlossen wurden im Zeitraum von 09 /2010 bis 08 /2011 Patienten mit folgenden Merkmalen:

  • akut-exazerbierte chronisch-obstruktive Lungenerkrankung (COPD)

  • geriatrietypische Multimorbidität

  • höheres Lebensalter (Alter > 70 Jahre), wobei die geriatrietypische Multimorbidität im Sinne des biologischen Alters Vorrang vor dem kalendarischen Alter hatte

  • manifeste Fähigkeitsstörungen

  • Rehabilitationsfähigkeit

  • kurativer, akutmedizinischer und rehabilitationsmedizinischer Behandlungsbedarf

Jeder neu stationär aufgenommene Patient mit COPD wurde auf die o. g. Kriterien hin für die Eignung der GFK evaluiert. Der Patient wurde über die Behandlungsmaßnahmen im Rahmen der GFK aufgeklärt. Die Zustimmung des Patienten war Voraussetzung für den Beginn der Rehabilitationsmaßnahme.

Zu den Eingangsuntersuchungen gehörte die leitliniengerechte pneumologische Diagnostik der COPD inklusive Lungenfunktionsanalyse mit spirometrischer Messung der 1-Sekunden-Kapazität (syn. Forciertes Einsekundenvolumen, FEV1), der inspiratorischen Vitalkapazität (VC) und die Bestimmung des Verhältnisses FEV1/VC für die Beurteilung der Atemwegsobstruktion [18] [19]. Als Referenzwerte für die Spirometrie bei Erwachsenen dienten die Empfehlungen der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl [20]. Körpergröße und -gewicht wurden für die Berechnung des Body Mass Index (BMI; Körpergewicht in Kilogramm geteilt durch Quadrat der Körpergröße in Metern) gemessen. Außerdem wurde ein standardisiertes geriatrisches Aufnahmeassessment in den Bereichen Selbsthilfefähigkeit (Barthel-Index = BI), Mobilität (Timed-up-and-go = TUG), Kognition (Mini-Mental-Status = MMST), Emotion (Geriatrische Depressionsskala = GDS-4) und soziale Versorgung (Soziales Assessment durch den Sozialdienst) gemäß ICD-10-GM U50-U52 [21] durchgeführt. Vor Entlassung des Patienten aus der pneumologischen Akutklinik wurde das Ergebnis der GFK mittels standardisiertem Entlassungsassessment in den Bereichen Selbsthilfefähigkeit (BI) und Mobilität (TUG) überprüft. Obligat wurde ein Entlassungsmanagement durchgeführt, dazu gehörte die Vorbereitung der ambulanten medizinischen, pflegerischen, physiotherapeutischen und sozialen Versorgung.

Im Rahmen der täglichen aktivierend-therapeutischen Pflege wurden Mobilisierung, Körperpflege, An- und Auskleiden, Essen und Trinken, Aktivierungstherapie, Pneumonie-, Sturz- und Thromboseprophylaxe durchgeführt. Die Patienten erhielten mehr als 10 Therapieeinheiten pro Woche jeweils von mindestens 30 Minuten aus den Therapiebereichen Physiotherapie, Ergotherapie und physikalische Therapie. Zudem wurde jeder Patient von einem Ernährungsberater, einem Atmungstherapeuten und einem Seelsorger konsultiert. Es fand eine multiprofessionelle, wöchentliche Teambesprechung mit wochenbezogener Dokumentation bisheriger Behandlungsergebnisse und weiterer Behandlungsziele statt.

Somit wurden bei allen Patienten die Vorgaben des OPS-Kodes 8-550 erfüllt (OPS 2011, Operationen- und Prozedurenschlüssel – Internationale Klassifikation der Prozeduren in der Medizin).

Die Auswertung aller Daten erfolgte mit dem Statistikprogramm IBM® SPSS® Statistics 19 für Windows®. Bei der deskriptiven Statistik wurden die kontinuierlichen Variablen als Mittelwerte ± Standardabweichung angegeben. Als Maß für die Veranschaulichung bei nicht normalverteilten Merkmalen wurde der Medianwert (50. Perzentil) inklusive Angabe der Spannweite benutzt. Eventuelle Mittelwertunterschiede zweier abhängiger Gruppen (Assessment-Ergebnis vor GFK vs. Assessment-Ergebnis nach GFK) wurden beim Vergleich von Merkmalen mit Normalverteilung mittels gepaarten T-Test ermittelt, bei nicht normalverteilten Messgrößen wurde der Wilcoxon-Test für Paardifferenzen herangezogen. Grundsätzlich wurde das Signifikanzniveau eines Ergebnisses bei einem p < 0,05 als signifikant bewertet.


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Ergebnisse

Zur Auswertung gelangten die Daten von insgesamt 58 Patienten (21 männliche Patienten, 37 weibliche Patienten) mit akut exazerbierter COPD. Das mittlere Alter betrug 74,8 ± 6,8 Jahre. Der Body Mass Index (BMI) lag im Mittel bei 26,2 ± 6,6 kg/m2. Die Lungenfunktionsprüfung wurde im Median am 6. Tag des stationären Aufenthaltes durchgeführt (4. – 21. Tag). Das in einer Sekunde maximal exspirierte Volumen (FEV1) lag für das gesamte Kollektiv (n = 58) bei durchschnittlich 0,82 ± 0,34 l bzw. 38 ± 13 % des individuellen Sollwertes. Diese lungenfunktionsanalytischen Werte verdeutlichen die klinische Relevanz der Atemwegsflusslimitation innerhalb des untersuchten Kollektivs. Gemäß der COPD-Schweregradeinteilung nach der aktuellen GOLD-Klassifikation von 2010 [22] befanden sich 19 % der Patienten im Stadium II, 20,7 % im Stadium III und 60,3 % im Stadium IV. Im Durchschnitt waren die weiblichen Patienten älter, die männlichen Patienten hatten dagegen eine höhere Komorbidität. Die deskriptiven Daten des Patientenkollektivs finden sich in [Tab. 1].

Tab. 1

Deskriptive Daten der Patientengruppe (n = 58). BMI = Body Mass Index. FEV1 = Forciertes exspiratorisches Volumen in 1 Sekunde.

Parameter

Weibliche Patienten
(n = 37)

Männliche Patienten
(n = 21)

Gesamt
(n = 58)

Alter
(Jahre)

75,9 ± 6,6

72,8 ± 7,0

74,8 ± 6,8

Größe
(cm)

160,0 ± 6,2

174,3 ± 5,2

165,1 ± 9,1

Gewicht
(kg)

64,6 ± 19,2

82,2 ± 15,0

71,0 ± 19,6

BMI
(kg/m2)

25,6 ± 7,3

27,1 ± 5,2

26,2 ± 6,6

FEV1
(l)

0,70 ± 0,21

1,05 ± 0,42

0,82 ± 0,34

FEV1
(% Soll)

39,3 ± 12,7

36,2 ± 13,3

38,2 ± 12,9

COPD-Stadium
(GOLD II/III/IV)

(7/9/21)

(4/3/14)

(11/12/35)

Nebendiagnosen
(n)

8,2 ± 3,1

9,5 ± 3,2

8,6 ± 3,2

Die frührehabilitative Komplexbehandlung wurde im Median am 3. Tag (1. – 22. Tag) des stationären Aufenthaltes in der pneumologischen Akutklinik begonnen. Die mediane Verweildauer in der Akutklinik lag bei 19 Tagen (14 – 42 Tage). Die Dauer der GFK betrug im Median 17 Tage (9 – 29 Tage) und beinhaltete median 26 Behandlungseinheiten (20 – 57 Einheiten). Das multiprofessionelle Rehabilitationsteam konnte insbesondere in den Bereichen Mobilität (Timed-up-and-go, Median 19 [10 – 150] vs. 15 [7 – 120] Sekunden, p < 0,0001) und Selbsthilfefähigkeit (Barthel-Index, median 73 [5 – 95] vs. 95 [45 – 100], p < 0,0001) eine signifikante Verbesserung erreichen. Die Ergebnisse der Assessments bei Aufnahme und Entlassung sind in [Tab. 2] aufgeführt und in den Bereichen Selbsthilfefähigkeit und Mobilität gegenüber gestellt. Grafische Darstellungen der Assessment-Verläufe für diese beiden Bereiche finden sich in den [Abb. 1] und [Abb. 2].

Zoom Image
Abb. 1 Ergebnisse des Aufnahme-Assessments [1] und Entlassungs-Assessments [2] für den Bereich Selbsthilfefähigkeit [Barthel-Index].
Zoom Image
Abb. 2 Ergebnisse des Aufnahme-Assessments [1] und Entlassungs-Assessments [2] für den Bereich Mobilität [Timed-up-and-go: Schweregrad 1 = < 10 Sek. (Alltagsmobilität uneingeschränkt), Schweregrad 2 = 11 – 19 Sek. (geringe Mobilitätseinschränkung), Schweregrad 3 = 20 – 29 Sek. (funktionell relevante Mobilitätseinschränkung), Schweregrad 4 = > 30 Sek. (ausgeprägte Mobilitätseinschränkung), Schweregrad 5 = Bettlägerigkeit (Immobilität)].
Tab. 2

Ergebnisse der geriatrischen Aufnahme- und Entlassungs-Assessments.

Bereiche

Aufnahme-Assessment

Entlassungs-Assessment

p

Selbsthilfefähigkeit

Barthel-Index
(Punkte)

72,5 (5 – 95)

95 (45 – 100)

 < 0,0001

Mobilität

TUG
(Sekunden)

19 (10 – 150)

15 (7 – 120)

 < 0,0001

TUG
(Schweregrad)

3 (1 – 5)

2 (1 – 5)

 < 0,0001

Kognition

MMST
(Punkte)

27 (5 – 30)

 – 

 – 

MMST
(leichtgradige Demenz)

(8 /58 = 13,8 %)

 – 

 – 

MMST
(Demenz)

(2 /58 = 3,4 %)

 – 

 – 

Emotion

GDS
(n ≥ 1 Punkt)

(6 /58 = 10,3 %)

 – 

 – 

TUG = Timed-up-and-go: Schweregrad 1 = < 10 Sek. (Alltagsmobilität uneingeschränkt), Schweregrad 2 = 11 – 19 Sek. (geringe Mobilitätseinschränkung), Schweregrad 3 = 20 – 29 Sek. (funktionell relevante Mobilitätseinschränkung), Schweregrad 4 = > 30 Sek. (ausgeprägte Mobilitätseinschränkung), Schweregrad 5 = Bettlägerigkeit (Immobilität); MMST = Mini-Mental-Status nach Folstein: Schweregrad 1 = 24 – 30 Punkte (normal), Schweregrad 2 = 17 – 23 Punkte (leichtgradige Demenz), Schweregrad 3 (Demenz); GDS = Geriatrische Depressionsskala (Short Version GDS-4).

Mit Hilfe des Sozialdienstes und der sozialen Assessments wurde bei 21 Patienten (36 %) erstmals der Antrag auf eine Pflegestufe gestellt, bei 4 Patienten (7 %) eine Höherstufung der Pflegestufe befürwortet und bei 9 Patienten (16 %) eine AHB beantragt. Bei 28 Patienten (48 %) wurden Hilfsmittel (z. B. Rollatoren, Sauerstoffgeräte, Pflegebetten) verordnet und zusammen mit anderen wohnumfeldverbessernden Maßnahmen für eine optimierte Versorgung im ambulanten Bereich gesorgt.


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Diskussion

Im Rahmen der multiprofessionellen Behandlung von COPD-Patienten erwies sich die Zusammenarbeit der beiden Teilgebiete Pneumologie und Geriatrie innerhalb des akut-pneumologischen Settings als außordentlich fruchtbar. Sowohl die inhaltliche als auch formale Realisierung der Vorgaben des OPS-Kodes 8-550 waren in vollem Umfang und bei jedem Patienten gewährleistet. Die Evaluationsmethoden leiteten sich dabei ausschließlich aus der Geriatrie ab, da es sich führend um eine Akutbehandlung handelte. Klassische Verlaufsparameter der Rehabilitationsmedizin in der Pneumologie (z. B. Evaluation der krankheitsspezifischen Lebensqualität, Erfassung des subjektiven Dyspnoeempfindens, Quantifizierung der körperlichen Leistungsfähigkeit etc.) kamen noch nicht zur Anwendung und sollten Gegenstand weiterer prospektiver Studien sein, die COPD-Patienten mit und ohne GFK vergleichen. Bei den beiden wesentlichsten Parametern (BI + TUG) des geriatrischen Assessments konnte unter Einbeziehung der GFK eine signifikante Verbesserung erreicht werden. Die GFK innerhalb einer akut-pneumologischen Behandlung kann als gut durchführbar angesehen werden.

Die Ergebnisse dieser Arbeit lassen die Vorteile der frührehabilitativen Komplexbehandlung für geriatrische Patienten in der pneumologischen Akutbehandlung bereits erkennen und stellen die Grundlage für weitere Untersuchungen dar. Vergleichende Studien sollten künftig zeigen, ob – ebenso wie bei der Behandlung des Schlaganfalls – eine sehr früh einsetzende Reha-Behandlung als integrativer Bestandteil der Akutbehandlung geriatrischer Patienten einer klassischen Reha, die in der Regel erst nach der pneumologischen Akutbehandlung einsetzt, überlegen ist. Wesentliche Studienendpunkte solcher Untersuchungen sollten jene Parameter sein, die für die Langzeitbehandlung und klassische Reha-Maßnahmen bei COPD-Patienten aussagekräftig sind. Dazu gehören Exazerbationsfrequenz, Hospitalisierungsrate und -dauer, Lebensqualität und Luftnotempfinden. Weiterhin untersucht werden müssen dabei der Nutzen geriatrischer Reha-Indikatoren und deren Korrelation zu pneumologischen Reha-Indikatoren.

Die GFK in der akutstationären Pneumologie im Rahmen einer Leistungserbringung gemäß Paragraph 108 SGB V als völlig neue Form der pneumologischen Rehabilitation tritt nicht in Konkurrenz mit bereits vorhandenen Strukturen (klassische stationäre Rehabilitation gemäß Paragraph 111 SGB V oder ambulante pneumologische Rehabilitation in dafür spezialisierten Einrichtungen), sondern ist als zusätzliches Glied einer Rehabilitationskette zur Reduktion von Funktionsverlusten und Verbesserung der Prognose zu verstehen.


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Interessenkonflikt

Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Unterstützung

Diese Studie wurde unterstützt durch die Stiftung Oskar Helene- Heim, Berlin.

  • Literatur

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Korrespondenzadresse

Dr. Wilhelm Ammenwerth
HELIOS Klinikum Emil von Behring
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  • 21 Borchelt M, Kolb G, Lübke N et al. Gemeinsame Arbeitsgruppe der Bundesarbeitsgemeinschaft der Klinisch-Geriatrischen Einrichtungen e.V., der Deutschen Gesellschaft für Geriatrie e.V. und der Deutschen Gesellschaft für Gerontologie und Geriatrie e.V. Abgrenzungskriterien der Geriatrie V1.3. Stand 2004. [Online] Verfügbar unter: http://www.geriatrie-drg.de/public/docs/Abgrenzungskriterien_Geriatrie_V13_16-03-04.pdf
  • 22 Global Initiative for Chronic Obstructive Lung Disease (GOLD). Update 2010. http://www.goldcopd.com

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Abb. 1 Ergebnisse des Aufnahme-Assessments [1] und Entlassungs-Assessments [2] für den Bereich Selbsthilfefähigkeit [Barthel-Index].
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Abb. 2 Ergebnisse des Aufnahme-Assessments [1] und Entlassungs-Assessments [2] für den Bereich Mobilität [Timed-up-and-go: Schweregrad 1 = < 10 Sek. (Alltagsmobilität uneingeschränkt), Schweregrad 2 = 11 – 19 Sek. (geringe Mobilitätseinschränkung), Schweregrad 3 = 20 – 29 Sek. (funktionell relevante Mobilitätseinschränkung), Schweregrad 4 = > 30 Sek. (ausgeprägte Mobilitätseinschränkung), Schweregrad 5 = Bettlägerigkeit (Immobilität)].