Dialyse aktuell 2011; 15(09): 524-526
DOI: 10.1055/s-0031-1295596
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Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

CNI-freie, immunsuppressive Erhaltungstherapie in der Nierentransplantation – Behandlung mit mTOR-Inhibitor verbessert Nierenfunktion signifikant und nachhaltig

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Publication Date:
10 November 2011 (online)

 
 

Die immunsuppressive Erhaltungstherapie mit dem mTOR-Inhibitor (mTOR: "mammalian Target of Rapamycin") Everolimus ist in der Transplantationsmedizin – etwa bei Herztransplantationen – inzwischen eine etablierte Methode. In der Nierentransplantation setzt sich die Therapiestrategie, bei der statt einer Kombination mit Calcineurininhibitoren (CNI) wie Ciclosporin A oder Tacrolimus auf ein everolimusbasiertes Regime gesetzt wird, nur zögerlich durch. Die Ergebnisse der ZEUS-Studie, deren 12-Monats-Daten [ 1 ] und die aktuell vorliegenden Langzeitergebnisse, 36 Monate [ 2 ], die Prof. Oliver Witzke, Essen, auf dem Nephrologie-Kongress im September in Berlin präsentierte, könnten den Strategiewechsel nun beschleunigen: Die Studie zeigt, dass ein früher Wechsel von CNI auf Everolimus die Nierenfunktion signifikant (p < 0,0001) verbessert, ohne die Wirksamkeit und Sicherheit zu beeinträchtigen. Die 36-Monats-Daten demonstrieren darüber hinaus, dass nierentransplantierte Patienten auch über den längeren Zeitraum konsistent profitieren.

Die Rationale der Studie ist die bekannte dosisabhängige nephrotoxische Wirkung der hochwirksamen CNI, erläuterte Witzke das Grundproblem: "Schon nach 1 Jahr ergeben sich unter der Behandlung histologische Probleme und morphologische Läsionen, die wahrscheinlich auf den CNI zurückzuführen sind." Bei zunehmendem Schweregrad der Läsionen ist der Langzeiterfolg der Transplantation gefährdet und es droht ein Transplantatverlust. Vor diesem Hintergrund untersuchten Prof. Klemens Budde, Berlin, und Mitarbeiter an 15 deutschen und 2 schweizer Zentren, ob die Umstellung von einem CNI-basierten Regime auf Everolimus 4,5 Monate nach Nierentransplantation zu einer verbesserten Nierenfunktion führt. Die Untersuchung, angelegt auf 12 Monate und eine anschließende Beobachtungsphase bis Monat 60, ist die größte ihrer Art in Deutschland.

Talblutspiegel im unteren Bereich

Die ZEUS-Studie ist eine multizentrische, prospektive Open-Label-Studie, in die 503 de-novo-transplantierte Patienten eingeschlossen wurden. Die 300 randomisierten Patienten waren im Alter zwischen 18 und 65 Jahren (mittleres Alter 47 Jahre), davon 60 % männlichen Geschlechts. Das Spenderalter durfte maximal 65 Jahre sein (mittleres Alter 47 Jahre). In fast 3 Viertel der Fälle wurden Verstorbenenspenden verwendet. Alle Patienten erhielten zunächst eine 4-fach-Kombination aus einer Induktion mit einem Interleukin-2-Rezeptor-Antikörper (Basiliximab 20 mg i. v. Tag 0 sowie 2 Stunden vor und 4 Tage nach Transplantation), dem CNI Ciclosporin, dem DNA-Synthesehemmer Mycophenolsäure (MPS, 1440 mg/d oral) sowie Kortikosteroiden (mehr als 5 mg/d Prednisolonäquivalent oral).

Nach 4,5 Monaten wurden 300 Patienten in einem ausgewogenen Verhältnis hinsichtlich Alter, Geschlecht und weiterer Charakteristika randomisiert: Ein Arm mit 145 Patienten setzte die initiale Therapie fort; im experimentellen Arm wurden 155 Patienten auf ein CNI-freies Regime umgesetzt, in dem Everolimus den CNI ersetzte. "Die Randomisierung erfolgte nach strengen Kriterien", so Witzke. Bedingungen waren eine ausreichende Nierenfunktion mit einem Serumkreatinin von maximal 3 mg/dl, eine Proteinurie von weniger als 1 g/d und eine Abstoßung nach Banffklassifikation von maximal Grad I. Primärer Endpunkt war die glomeruläre Filtrationsrate (GFR) als Parameter der Nierenfunktion.

Im Ciclosporinarm wurde bis Monat 12 mit einer mittleren Dosis von 221 mg/d ein C0-Spiegel ("pre-dose trough level": Talblutspiegel unmittelbar vor Gabe der nächsten Dosis) von 119 ng/ml erreicht. Im Everolimusarm war die mittlere Dosis 3,7 mg/d und der C0-Spiegel 6,7 ng/ml (Abb. [ 1 ]). Beide Talblutspiegel lagen damit laut Witzke im unteren angestrebten Bereich.

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Abb. 1 Medikamentenexposition zu Monat 12 (Mittelwerte).
SD = "Standard Deviation", C0 = "pre-dose trough level"

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Hochsignifikant bessere und anhaltende Nierenfunktion

In Monat 12 nach Nierentransplantation zeigte sich im primären Endpunkt "ein dramatischer Unterschied zwischen den beiden Gruppen", berichtete Witzke. In der Kovarianzanalyse der ITT-Population (ITT: "Intention to Treat") war die GFR nach Nankivell unter Everolimus um 9,9 ml/min höher als in der Kontrollgruppe (71,8 ml/min vs. 61,9 ml /min) (Abb. [ 2 ]). Absolute Werte zeigten eine Nankivell-GFR von 10,6 ml/min, nach anderen Formeln berechnet erreichte der Wert 13,1 ml/min (Cockcroft-Gault) bzw. 8,6 ml/min (MDRD: "Modification of Diet in Renal Disease"). Dass dieses Ergebnis anhaltend ist, demonstrierte die Analyse der jetzt vorliegenden 36-Monats-Daten (Abb. [ 3 ]), so Witzke: "Mit einer GFR von 7,6 ml/min in der Formel nach Nankivell war die Differenz in der ITT-Population auch im Langzeitverlauf hochsignifikant."

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Abb. 2 Primärer Endpunkt: Nierenfunktion/angepasster Wert (Kovarianzanalyse) zu Monat 12 (GFR Nankivell).
GFR = glomeruläre Filtrationsrate
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Abb. 3 Sekundärer Endpunkt Nierenfunktion: absolute Werte zu Monat 36.
GFR = glomeruläre Filtrationsrate, MDRD = "Modification of Diet in Renal Disease"

Es kam aber zu mehr Abstoßungsreaktionen in der Everolimusgruppe. Die kumulative Wahrscheinlichkeit für eine akute Abstoßungsreaktion (BPAR: "Biopsy Proven Acute Rejection") war vor der Randomisierung, also unter der Quadrupeltherapie für alle Patienten, bei den Patienten, die später unter CNI blieben, höher als in der Gruppe, die nach 4,5 Monaten konvertierte. Nach der Randomisierung waren akute Abstoßungsreaktionen im Everolimusarm häufiger (9,7 % vs. 3,4 % beziehungsweise 15 vs. 5 Patienten).

Über die Dauer von 12 Monaten war die Rate jedoch vergleichbar mit 14,9 % (23 Patienten) unter Everolimus gegenüber 15,1 % (22 Patienten) unter CNI.

Über die gesamte Beobachtungsdauer von 36 Monaten häuften sich BPAR-Abstoßungen im Everolimusarm auf 13 % (20 Patienten) vor allem im ersten Jahr, im CNI-Arm waren es 4,8 % (7 Patienten). Allerdings sei der überwiegende Anteil mild ausgeprägt gewesen – bei 16 der 20 Patienten blieb die akute Abstoßung auf Grad I in der Banffklassifikation beschränkt, wie Witzke erläuterte: "Also auf eine zelluläre Abstoßungsreaktion, die für das Transplantat wahrscheinlich keine negativen Auswirkungen hat."

Grad II erreichten nur 3 Patienten (vs. 1 Patient), 1 Patient wurde als Borderline beurteilt. Hinsichtlich eines Transplantatverlusts, der bei je 2 Patienten vorkam, oder Tod, bei 3 Patienten unter CNI und einem unter mTOR, war kein signifikanter Unterschied festzustellen.


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Stellenwert der Proteinurie noch fraglich

Daten zur Sicherheit und Verträglichkeit zeigten vergleichbare Ergebnisse für die beiden Strategien. Im Everolimusarm waren Stomatitis und Diarrhö häufiger, ebenso unerwünschte hämatologische Wirkungen wie Thrombopenie als bekannte Nebenwirkung (11,0 % vs. 3,4 %) und Anämie (27,1 % vs. 23,4 %). Die Lipidwerte waren erhöht, die Proteinausscheidung leicht gesteigert. "Welchen Stellenwert die Proteinurie von im Median 200 mg/d angesichts einer besseren Nierenfunktion hat, muss sich im weiteren Verlauf zeigen", konstatierte Witzke. Während die Infektionsrate im Everolimusarm leicht höher war (35,5 % vs. 33,8 %), war die Rate an Infektionen mit dem Zytomegalievirus (CMV) mit 18 % in beiden Armen gleich hoch. Pneumonien waren dagegen im CNI-Arm leicht erhöht; auch Lymphozelen bildeten sich hier häufiger. Zwischen Monat 12 und 36 entwickelten 7 CNI-Patienten und 4 Everolimuspatienten einen Tumor.


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Statement von Prof. Oliver Witzke, Essen
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"Aufgrund der wirklich guten Studiendaten werden in Zukunft sicher vermehrt Patienten auf das CNI-freie Regime umgestellt. Ein wichtiger Punkt dabei: Die Umstellung sollte in engem Konsens mit dem Patienten erfolgen. Denn manche Patienten bleiben lieber bei ihrer gewohnten Therapie, andere Patienten werden die gebotene Chance, eine Langzeitverbesserung für ihr Transplantat zu erfahren, wahrnehmen wollen."

Wie ist die ZEUS-Studie einzuordnen?

Für die CNI-freie Therapie sind verschiedene Konzepte möglich. Welcher Zeitpunkt für die Konversion optimal ist, oder ob Everolimus schon initial als De-novo-Therapie zum Einsatz kommen sollte, ist nicht abschließend geklärt. So hat etwa die CALLISTO-Studie [ 3 ] keinen Vorteil für den verzögerten Einsatz von Everolimus gegenüber dem frühen Einsatz hinsichtlich der Wiederherstellung der Nierenfunktion gezeigt. Die Wirksamkeit und Sicherheit war für beide Strategien gleich. Auch Wundheilungsstörungen traten weder bei initialer noch bei verzögerter Therapie vermehrt auf. Komplikationen der Wundheilung waren unter dem mTOR-Inhibitor Sirolimus in früheren Studien ein Problem: Hohe Talblutspiegel von über 12 ng/ml waren hier mit einer erhöhten Rate an Wundheilungsstörungen und Lymphozelenbildung assoziiert. Witzke bezeichnete das Konzept der ZEUS-Studie als überzeugend: "Weil es eine Neigung zu vermehrten akuten Abstoßungsreaktionen gibt, sollten wir die Patienten nicht zu früh umstellen. Dieses Risiko sollten wir nicht eingehen – auch wenn noch unklar ist, welchen Stellenwert die Abstoßung angesichts der guten Nierenfunktion für die Langzeitfunktion des Transplantats hat." In der ZEUS-Studie sei dieses Problem mit der Konversion nach 4,5 Monaten gut gelöst. Sein Fazit: "Die Studie hat gezeigt, dass die Umstellung von CNI auf eine everolimusbasierte Therapie in Monat 4,5 nach De-novo-Transplantation die Nierenfunktion signifikant verbessert und auch im Langzeitverlauf wirksam und sicher ist."

Michael Koczorek, Bremen

Dieser Beitrag entstand mit freundlicher Unterstützung der Novartis Pharma GmbH, Nürnberg.
Die Beitragsinhalte stammen vom Symposium "Neue und aktuelle immunsuppressive Strategien mit Everolimus", veranstaltet von der Novartis Pharma GmbH, Nürnberg, auf dem Kongress für Nephrologie, Berlin.
Der Autor ist freier Journalist.


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  • Literatur

  • 1 Budde K, Becker T, Arns W et al. Everolimus-based, calcineurin-inhibitor-free regimen in recipients of de-novo kidney transplants: an open-label, randomised, controlled trial. Lancet 2011; 377: 837-847
  • 2 Budde K et al. Presentation ATC. Philadelphia 2011 (36-Monats-Daten)
  • 3 Albano L, Berthoux F, Moal MC et al. Incidence of delayed graft function and wound healing complications after deceased-donor kidney transplantation is not affected by de novo everolimus. Transplantation 2009; 88: 69-76

  • Literatur

  • 1 Budde K, Becker T, Arns W et al. Everolimus-based, calcineurin-inhibitor-free regimen in recipients of de-novo kidney transplants: an open-label, randomised, controlled trial. Lancet 2011; 377: 837-847
  • 2 Budde K et al. Presentation ATC. Philadelphia 2011 (36-Monats-Daten)
  • 3 Albano L, Berthoux F, Moal MC et al. Incidence of delayed graft function and wound healing complications after deceased-donor kidney transplantation is not affected by de novo everolimus. Transplantation 2009; 88: 69-76

 
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Abb. 1 Medikamentenexposition zu Monat 12 (Mittelwerte).
SD = "Standard Deviation", C0 = "pre-dose trough level"
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Abb. 2 Primärer Endpunkt: Nierenfunktion/angepasster Wert (Kovarianzanalyse) zu Monat 12 (GFR Nankivell).
GFR = glomeruläre Filtrationsrate
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Abb. 3 Sekundärer Endpunkt Nierenfunktion: absolute Werte zu Monat 36.
GFR = glomeruläre Filtrationsrate, MDRD = "Modification of Diet in Renal Disease"
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