Arzneimittelforschung 2010; 60(11): 692-693
DOI: 10.1055/s-0031-1300714
PMS-Symposium: Innovative Therapies in Hepatology
Editio Cantor Verlag Aulendorf (Germany)

Von der Virusentdeckung zur Impfstoffentwicklung am Beispiel des Hepatitis B-Virus (HBV)

Michael Roggendorf
Institut für Virologie, Universitätsklinikum Essen
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Publication Date:
30 December 2011 (online)

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Seit der Entdeckung des Australia-Antigens, des Hüllproteins des Hepatitis B-Virus (HBsAg), durch Blumberg und der Darstellung des kompletten Viruspartikels durch Dane in den 60er Jahren dauerte es ca. 15 Jahre, bis der erste Impfstoff gegen Hepatitis B zur Anwendung kam. Die Hepatitis B-Impfstoffe der ersten Generation, die seit 1982 zur Verfügung standen, wurden aus Viruspartikeln hergestellt, die aus dem Plasma von chronischen Virusträgern gewonnen wurden. Nach Reinigung und mehreren Inaktivierungsschritten hat sich dieser Impfstoff als sehr immunogen und sicher erwiesen.

Etwa Mitte der 80er Jahre wurde dieser so genannte Plasmaimpfstoff durch einen gentechnisch hergestellten Impfstoff ersetzt. Dieser Impfstoff enthält ebenfalls das HBsAg, das in gentechnisch veränderten Hefezellen vermehrt und aufgereinigt wurde. Neben den Hefezellen wurden auch HBsAg-produzierende Säugetierzellen eingesetzt. Die Viruspartikel, die ausschließlich aus Hüllproteinen und HBsAg bestehen, unterscheiden sich morphologisch nicht von den Viruspartikeln, die im Plasma chronisch infizierter Patienten nachgewiesen werden. Der in den heutigen Impfstoffen enthaltene Genotyp A2 schützt auch vor Infektionen mit den anderen Genotypen (A bis H).

Weltweit existieren ca. 350 Millionen Hepatitis B-Vi-rusträger. Vor allem HBV-infizierte Mütter übertragen das Virus in einem hohen Prozentsatz auf die neugeborenen Kinder. Seit der Einführung der generellen Hepatitis B-Impfung kam es in vielen Ländern zu einem deutlichen Rückgang der akuten Hepatitis B-Infektion, vor allem bei Neugeborenen HBV-positiver Mütter und bei Jugendlichen, bei denen das Virus sexuell übertragen wird. Langfristig wird die von der WHO seit dem Jahre 1992 für alle Länder empfohlene Impfstrategie auch die Spätfolgen wie chronische Hepatitis, Leberzirrhose und primäres Leberzellkarzinom deutlich reduzieren. Schon jetzt konnte gezeigt werden, dass in Ländern mit hoher Trägerrate wie Taiwan das Risiko bei Kindern, ein Leberzellkarzinom zu entwickeln, um 50% reduziert werden konnte.

Die Grundimmunisierung besteht aus drei Impfungen, die zum Zeitpunkt 0, nach 4 Wochen und nach 6 Monaten verabreicht werden. Die Verträglichkeit des Hepatitis B-Impfstoffs ist sehr gut. Gelegentlich kommt es zu Rötung, Schwellung oder leichtem Schmerz an der Injektionsstelle. Allgemeinreaktionen wie leichte bis mäßige Temperaturerhöhung, Frösteln, Kopf- und Gliederschmerzen oder Müdigkeit sind selten.

Nach der Grundimmunisierung mit drei Dosen Impfstoff bilden mehr als 90% der Kinder, Jugendlichen und jungen Erwachsenen spezifische Antikörper im schützenden Bereich (> 10 IU/1) aus. In der überwiegenden Mehrheit werden Anti-HBs-Konzentrationen von > 100 IU/1 erreicht, allerdings erst nach der dritten Impfung.

Die Wirksamkeit des Hepatitis B-Impfstoffs wurde in mehreren kontrollierten Studien an Gruppen mit hohem Hepatitis B-Risiko wie homosexuellen Männern, medizinischem Personal, Kindern in Hochendemiege-bieten und Neugeborenen chronisch infizierter Mütter, analysiert.