physiopraxis 2012; 10(01): 16-17
DOI: 10.1055/s-0031-1301084
physiowissenschaft
© Georg Thieme Verlag Stuttgart - New York

Joana Grawe – Die Reitsitzanalystin

Eva Trompetter

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Publication Date:
05 January 2012 (online)

 

Vielen Reittrainern ist nicht klar: Ein Dressurreiter braucht bestimmte körperliche Voraussetzungen, um optimal auf einem Pferd zu sitzen. Talent alleine reicht nicht. Joana Grawe hat diese Wissenslücke entdeckt und für ihre Bachelorarbeit ein videogestütztes Analyse- und Therapiekonzept entwickelt.


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(Foto: J. Grawe)
Joana Grawe

… ist 27 Jahre alt und lebt in Hannover. Sie arbeitet in der „Reha am Stadion“, einem Rehazentrum mit chirurgisch-orthopädischem und sportphysiotherapeutischem Schwerpunkt. Nach ihrer Ausbildung zur Physiotherapeutin schloss sie den Bachelorstudiengang „Physiotherapie“ an der Hochschule Hildesheim ab. Sie ist fasziniert von den zahlreichen Möglichkeiten, die Gesundheit von Mensch und Tier zu fördern. Bereits mit sechs Jahren saß Joana Grawe das erste Mal auf dem Pferd. Mittlerweile hat sie eine B-Trainer-Lizenz für den Leistungssport erworben. Beim Dressurtraining fiel ihr auf: Vielen Trainern ist nicht bewusst, dass die Gründe für einen schlechten Sitz des Reiters auf dem Pferd auch in erworbenen (zum Beispiel durch Schreibtischarbeit) oder bereits bestehenden körperlichen Defiziten wie einer Skoliose liegen können. Sie als Physiotherapeutin hat einen Blick dafür. Bisher profitieren allerdings nur wenige Reiter von physiotherapeutischem Know-how. Das will Joana Grawe gerne ändern.

Physiotherapeutische Analyse des Reiters im Dressursitz

Die Bachelorarbeit

Etwa 1,6 Millionen Deutsche sind aktive Reiter. Sie lieben den harmonischen Bewegungsaustausch mit dem Pferd – in allen Gangarten und Sitzformen. Der korrekte Sitz auf dem Pferd ist die zentrale Voraussetzung dafür. Denn nur darin kann der Reiter das Pferd optimal führen und stört dessen Rhythmus und Bewegungsabläufe nicht. Besonders anspruchsvoll ist der ausgesessene Dressursitz im Trab, bei dem der Reiter im Sattel sitzen bleibt und die Bewegungen des Pferdes durch seinen Körper fließen lässt.

Manche Reiter haben jedoch Schwierigkeiten, die geforderte Sitzposition auf dem Pferderücken einzunehmen. Um der Ursache dafür auf den Grund zu gehen, hat Joana Grawe in ihrer Bachelorarbeit die Bewegungsabläufe des trabenden Dressurreiters und des Pferdes analysiert. Dazu führte sie zunächst eine Literaturrecherche durch. Mit ihr wollte sie herausfinden, ob die Bewegungsabläufe von Pferd und Reiter kompatibel sind und welche Auswirkungen die Bewegungen des Pferdes auf das muskuloskeletale System des Reiters haben. Auf Basis dieser Ergebnisse hat sie dann ein Analyse- und Behandlungskonzept für diejenigen Reiter entwickelt, die den Sitz nicht optimal einnehmen können oder beim Reiten Beschwerden haben. Das Konzept umfasst eine physiotherapeutische Befundaufnahme in Kombination mit einer Videoanalyse des „reiterlichen Sitzes“ und der Bewegungen des Reiters auf dem Pferd. Die Behandlung erfolgt entsprechend der Probleme des Sportlers. Im Mittelpunkt der Therapie steht, die Körperwahrnehmung des Reiters zu schulen sowie sein Bewegungsgefühl auf dem Pferd zu verbessern. Zudem erhält er ein Eigenübungsprogramm. Den Abschluss der Therapie bildet eine erneute Videoanalyse.


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Ergebnisse

Joana Grawe hat herausgefunden, dass …

  • > die Bewegungsabläufe von Pferd und Reiter im ausgesessenen Trab kompatibel sind.

  • > die Gelenke im Dressursitz eine Mittelstellung einnehmen. Diese ermöglicht es der Muskulatur, sich dem Pferderhythmus entsprechend anzuspannen.

  • > es für den optimalen Sitz auf dem Pferd einige körperliche Voraussetzungen braucht, zum Beispiel ein frei bewegliches Becken.

  • > sich vor allem bereits bestehende Problematiken, etwa degenerative Veränderungen der LWS und schlechtes Körperund Bewegungsgefühl, negativ auf den Sitz auswirken.


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Fazit

Zusammenfassend kann Joana Grawe festhalten, dass …

  • > im Dressursport nicht immer von optimalen körperlichen Voraussetzungen und einem richtigen Sitz des Reiters ausgegangen werden kann. Um negativen Auswirkungen auf den Bewegungsapparat vorzubeugen und den Sitz zu optimieren, ist ein physiotherapeutisches Analyse- und Behandlungskonzept bedeutsam.

  • > die Physiotherapie Reiter als Zielgruppe noch kaum entdeckt hat.

  • > weitere Untersuchungen auch die Bewegungsabläufe von Pferd und Reiter in Schritt und Galopp einbeziehen sollten.

→ Grawe J. Bewegungsabläufe des trabenden Dressurreiters – Physiotherapeutische Analyse des trabenden Reiters im Dressursitz und Möglichkeiten der Intervention. Bachelorarbeit an der Hochschule für angewandte Kunst und Wissenschaft (HAWK) in Hildesheim; 2011


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(Foto: J. Grawe)