Key words
metabolic syndrome - diabetes - epidemiology - risk factors - prevention
Das metabolische Syndrom ist ein wichtiger Risikofaktor für die koronare Herzerkrankung
und den Typ-2-Diabetes. Es setzt sich aus den Einzelsymptomen zentralbetonte Fettleibigkeit,
Bluthochdruck, Dyslipidämie, und Insulinresistenz zusammen [1]. Beim gleichzeitigen Vorhandensein dieser Faktoren steigt das Risiko deutlich an.
Derzeit wird allerdings diskutiert, ob dieses Syndrom das Risiko von kardiovaskulären
Ereignissen besser vorhersagt, als die Summe der Einzelkomponenten [2]. Lebensstilfaktoren wie Mangel an körperlicher Aktivität und hyperkalorische Ernährung
sind hauptsächliche Einflussgrößen und machen das metabolische Syndrom zu einem speziellen
Problem in den industrialisierten und den sogenannten Schwellenländern. In letzteren
kommt es vor allem durch eine Verwestlichung des Lebensstils mit einer hochkalorischen
Ernährung und verminderter körperlichen Aktivität zu einer regelrechten Epidemie in
den nächsten Jahren [3].
Eine allgemein anerkannte Definition des metabolischen Syndroms gibt es bisher nicht.
Nach der ursprünglichen Definition der Weltgesundheitsorganisation (WHO) liegt ein
metabolisches Syndrom dann vor, wenn alle 3 nachfolgenden Risikofaktoren vorhanden
sind: Diabetes mellitus, ein gestörte Glukosetoleranz, ein pathologischer Nüchternblutzucker,
bzw. eine Insulinresistenz [1]. Zudem sind 2 der 3 folgenden Befunde notwendig: arterielle Hypertonie, eine Dyslipidämie,
oder eine viszerale Adipositas.
Durch weitere Erkenntnisse der relevanten Zusammenhänge sind weitere Definitionen
hinzugekommen. Die [Tabelle 1] zeigt die Details gängiger Definitionen. Mittlerweile ist erkannt worden, dass es
nicht das Übergewicht als solches, sondern vor allem die Fettverteilung ist, die das
nachfolgende Risiko von kardiovaskulären Erkrankungen stark beeinflusst. So ist es
vor allem das viszerale Fett, das spezielle endokrine Funktionen zu haben scheint,
und sich hier über die Einbeziehung des Taillenumfangs besser als Risikoprädiktor
einbeziehen lässt.
Die Definition des metabolischen Syndroms der Internationalen Diabetes Foundation
(IDF) wird allgemein akzeptiert und immer öfter in internationalen Untersuchungen
verwendet [1]. In diese Definition gehen Grenzwerte für den Bauchumfang als obligatorische Parameter
mit ein. Außerhalb von speziellen Studien ist es schwer, Daten zur Epidemiologie des
metabolischen Syndroms zu erhalten, da kein allgemein akzeptierter Code zur Verschlüsselung
existiert, sondern nur Informationen über die einzelnen Manifestationen erhältlich
sind.
Tab. 1 Entwicklung der Begriffsdefinitionen des metabolischen Syndroms [nach [1]].
Epidemiologie des metabolischen Syndroms
Epidemiologie des metabolischen Syndroms
In Deutschland erfüllt circa jeder 5. Bundesbürger die Kriterien des metabolischen
Syndroms wie aus den Daten des nationalen Gesundheitssurvey aus dem Jahr 1998 deutlich
wurde [5]. Dabei wurden die Kriterien des National Cholesterol Education Program (NCE) angewendet,
wie diese im ”Third Report of the Expert Panel on Detection, Evaluation, and Treatment
of High Blood Cholesterol in Adults“ (NCEP-ATP-III) formuliert wurden [1]. Eine neuere Untersuchung an 35869 Patienten im Alter von über 18 Jahren aus primärärztlichen
Praxen Deutschlands kommt zu ähnlichen Ergebnissen [6]. Die Prävalenz bei den Frauen betrug dabei 18,0 %, bei den Männern 22,7 %. In der
Studie wurden auch ein deutlicher, positiver Gradient mit dem Alter und eine inverse
Beziehung mit der Bildung beschrieben. Es zeigten sich starke regionale Zusammenhänge,
so waren höhere Zahlen in den östlichen Bundesländern zu finden. In Baden-Württemberg
waren insgesamt 17,1 % der Frauen und 21,1 % der Männer vom metabolischen Syndrom
betroffen.
Schwieriger ist es Daten von Kindern zu erhalten. Hier kann aber ein Blick auf die
Einzelkomponenten des metabolischen Syndroms helfen, aktuelle und zukünftige Entwicklungen
der Krankheitslast abzuschätzen. Die Daten der bevölkerungsweit durchgeführten Einschulungsuntersuchungen
sind dabei ein sehr wertvolles Instrument, das es erlaubt, alle Kinder eines Jahrgangs
in geografisch definierten Regionen zu erfassen. Dabei kann quasi von einer Vollerhebung
ausgegangen werden.
Eine Auswertung der verfügbaren Daten der einzelnen Bundesländer von Moss und Kollegen
zeigt bereits im Vorschulalter starke regionale Unterschiede der Prävalenz des Übergewichts,
bzw. der Adipositas [7]. So wurde die höchste Häufigkeit von 11,6 bzw. 5,4 % im Saarland beschrieben, in
Baden-Württemberg lag sie bei 9,6 %, bzw. 3,7 %. Am niedrigsten war die Häufigkeit
des Übergewichts in Sachsen und Brandenburg mit jeweils 8,4 % und 8,5 % ausgefallen.
Eine Adipositas fand sich in beiden Ländern bei 3,3 %.
Daten aus dem Kinder- und Jugendsurvey zeigen, dass 15 % der Kinder und Jugendlichen
im Alter von 3 bis 17 Jahren übergewichtig sind [8]. Die Daten zeigen einen besonders starken Anstieg des Übergewichts bei den 7–10-jährigen
Kindern im Vergleich zu den Vorschulkindern. Hier wird deutlich, dass vor allem Primärpräventionsstrategien
bereits im frühen Kindesalter ansetzen sollten, um zu wirken und weisen damit das
Vorschulkinderalter oder die ersten Schuljahre als spezielles ”window of opportunity“
aus. Immer mehr Förderprogramme zielen deshalb auf Kindertagesstätten und Kindergärten
ab, um gesunde Ernährung und ausreichende Bewegung als Erziehungs- und Gesundheitsförderkonzepte
in den Alltag von Kindern zu integrieren.
Deutlich wird in allen Untersuchungen auch eine besondere Betroffenheit der Kinder
mit Migrationshintergrund. Die gute Nachricht der Studie von Moss und Kollegen [7] ist, dass die Prävalenz des Übergewichts und der Adipositas in den letzten 4–6 Jahren
nicht weiter angestiegen ist, sondern teilweise sogar leicht rückläufig scheint. Ein
Vergleich der Daten aus dem KIGGS mit Referenzwerten aus den 1980er und 1990ern zeigte
zuvor einen 50 %igen Anstieg.
Epidemiologie des Diabetes mellitus
Epidemiologie des Diabetes mellitus
Der Diabetes mellitus ist mit die häufigste Stoffwechselerkrankung in den industrialisierten
Ländern. Auch durch den demografischen Wandel mitbedingt, nimmt die Häufigkeit der
Erkrankung weltweit zu [3]. In Deutschland leiden etwa 5 % der Bevölkerung an einem Diabetes, 90 % davon haben
den Typ-2-Diabetes. In einer Untersuchung in 12 Hausarztpraxen im Raum Ludwigsburg
lag die Prävalenz des Diabetes mellitus im Patientengesamtkollektiv aller beteiligten
Praxen bei 6,4 % [9]. Die Häufigkeit steigt ab dem 50. Lebensjahr steil an. Unter den männlichen 61–70-jährigen
Versicherten der AOK Baden-Württemberg lag die Prävalenz bereits bei circa 22 % und
nimmt im höheren Lebensalter weiter zu [Abb. 1] [10].
Mindestens 2 Drittel der Typ-2-Diabetiker haben zusätzlich zu ihrer Grunderkrankung
noch andere Krankheiten wie Hypertonie und Fettstoffwechselstörungen [11]. Personen mit einem metabolischen Syndrom und/oder Diabetes haben ein besonders
hohes Risiko für arteriosklerotisch bedingte Folgekrankheiten. Circa 75–80 % der Diabetiker
sterben an kardiovaskulären Erkrankungen [4]. Weitere Folgekrankheiten sind die Nephropathie mit der Gefahr der Dialysepflichtigkeit,
die Retinopathie mit der Gefahr der Erblindung, die periphere arterielle Verschlusskrankheit
und die Neuropathie, die bis hin zur Amputation der betroffenen Gliedmaßen führen
kann.
Abb. 1 Prävalenz des Typ-2-Diabetes bei 61–70-jährigen Versicherten der AOK [nach [10]].
Ansatzpunkte für Prävention und Früherkennung
Ansatzpunkte für Prävention und Früherkennung
Das Risiko des Diabetes ist modifizierbar. Neben genetischen Risikofaktoren und dem
Alter spielen modifizierbare Risikofaktoren eine ganz entscheidende Rolle in der Kausalität
der Diabetes-assoziierten Morbidität und Mortalität. Speziell eine Erhöhung der körperlichen
Aktivität, eine gesunde Ernährung und eine Gewichtsreduktion sind aussichtsreiche
Ziele einer Primärprävention [4]. Mittlerweile ist durch viele randomisierte Studien belegt, dass sowohl durch Änderung
der Ernährungsgewohnheiten und durch mehr körperliche Aktivität als auch durch pharmakologische
Konzepte wie beispielsweise die Gabe von Metformin eine Reduzierung des Diabetes zu
erreichen ist; die erzielte Risikoreduktion fiel dabei mit den nicht-pharmakologischen
Konzepten am höchsten aus [12].
Da mittlerweile ein Großteil unserer Bevölkerungen gefährdet ist, sind Präventionsmaßnahmen
auf Bevölkerungsebene notwendig. Diese sollten die identifizierten Risikofaktoren
betreffen und möglichst früh im Kindesalter ansetzen. Zudem sollten passende Programme
auch für Jugendliche, Erwachsene und ältere Personen entwickelt werden und in deren
Lebenswelten integriert werden. Diese Programme dürfen nicht nur auf den Einzelnen
ausgerichtet sein, sondern müssen auch infrastrukturelle, kommunale und planerische
Aspekte beinhalten, die unsere Schulen, Gebäude sowie öffentliche Lebensräume betreffen,
um wieder eine Umgebung zu schaffen, die beispielsweise wieder das Spielen im Freien
oder die Benutzung des Treppenhauses als selbstverständliche und angenehme Tätigkeit
erfahrbar machen.
Zudem sollte in der Praxis auch eine konsequentere Behandlung von kardiovaskulären
Risikofaktoren im Sinne der Sekundärprävention erfolgen. Wie frühere Untersuchungen
gezeigt haben, ist die medikamentöse Betreuung der Patienten gemessen an den Empfehlungen
der Fachgesellschaften noch nicht optimal [Tab. 2] [9]
[13].
Eine konsequentere Behandlung von Hypertonie und Fettstoffwechselstörungen ist mit
einer Reduzierung der Diabetes-assoziierten kardiovaskulären Erkrankungen, die bei
75–80 % der Patienten zum Tode führen, verbunden. Dies ist auch bei älteren Patienten
der Fall.
Aber auch neue Konzepte zur Früherkennung von Personen mit einem erhöhten Risiko können
zu einer früheren Therapie und einer Senkung der assoziierten Morbidität genutzt werden
[14]. So könnte die Einbeziehung des HbA1c zum Nüchternglukosewert als Früherkennungsmaßnahme zur Identifizierung von Risikopersonen
einen Mehrwert bedeuten.
Neben großem, persönlichem Leid resultieren aus diesen Krankheiten ein immenser Versorgungsbedarf
und erhebliche direkte und indirekte Folgekosten für die Gesellschaft. Auch mit aus
diesen Gründen ist eine verbesserte Prävention medizinisch und sozialpolitisch von
größter Bedeutung. Ein Erfolg in diesen Bereichen scheint wahrscheinlicher, wenn es
gelingt, die verschiedensten Disziplinen in diese Aufgabe einzubeziehen und die Lebenswelten
unserer Gesellschaft so zu gestalten, dass Präventionsbedürfnisse sich als selbstverständliche
Verrichtungen und Gegebenheiten in den Alltag integrieren lassen. Das kann uns nur
gelingen, wenn wir vermitteln können, dass diese Präventionsaufgaben nicht nur als
medizinische, sondern als fundamentale Aufgaben unserer ganzen Gesellschaft anzusehen
sind, auch um die Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft in einer globalisierten Welt
langfristig sicher zu stellen.
Autorenerklärung
Der Autor erklärt, dass für diesen Artikel keine Interessenkonflikte bestehen.
Tab. 2 Bekannte Begleiterkrankungen und sonstige Medikation bei Patienten mit Diabetes [nach
[9]].