Der Klinikarzt 2012; 41(2): 74
DOI: 10.1055/s-0032-1307439
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Durchfallerkrankungen: Seit EHEC wieder im Fokus des Interesses

Dieter Schilling
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Publication Date:
01 March 2012 (online)

Chronische und akute Durchfallerkrankungen sind Thema des Schwerpunktes in dieser Ausgabe der interdisziplinären Zeitschrift klinikarzt. Durch das massiv erhöhte Auftreten von Infektionen mit Enterohaemorrhagischen Escherichia-Coli-Bakterien (EHEC) Mitte Mai bis Ende Juni 2011 im Norden Deutschlands sind Durchfallerkrankungen bei Laien wie auch bei Medizinern wieder einmal in den Fokus des Interesses geraten. Die größte monozentrische Fallserie aus dem Klinikum Barmbeck [1] zeigt eindrücklich, dass toxinproduzierende Enteritiserreger nicht nur eine lokale Infektion, sondern auch eine lebensbedrohliche Systemerkrankung induzieren können. Der EHEC-Ausbruch zeigt aber auch, dass selbst in Ländern mit hohem Hygienestandard solche Situationen zu gravierenden Problemen in der geregelten medizinischen Versorgung führen können.

Infektiöse Enteritiden sind sehr häufige Erkrankungen, die durch eine unübersichtliche Vielfalt von Erregern verursacht werden können. Das klinische Spektrum reicht dann eben auch von milden transienten Diarrhöen, die keine Indikation zur stationären Behandlung darstellen, bis hin zu lebensbedrohlichen Krankheitsbildern [2].

Die Diarrhö stellt eines der häufigsten gastrointestinalen Leitsymptome dar. Sie ist aber auch ein Symptom vieler extraintestinaler Erkrankungen, so dass es schwierig ist, genaue epidemiologische Daten zu erfassen. Die Daten, die wir von infektiös induzierter Diarrhö kennen, beruhen auf Statistiken zu den meldepflichtigen Erregern. Im Jahre 2009 waren dies immerhin 351 506 Fälle [3].

Die Patienten mit schwer verlaufenden infektiösen Diarrhöen und die Patienten, bei denen während des stationären Aufenthaltes Diarrhöen auftreten (nosokomiale Diarrhö), machen schließlich mehr als ein Drittel aller stationär behandlungspflichtiger internistischer Patienten aus. Gerade die nosokomial auftretenden Diarrhöen verlängern den Krankenhausaufenhalt und erhöhen Morbidität und Mortalität [4]. Clostridium difficile, die häufigste Ursache für nosokomiale Diarrhöen, hat in den letzten 10 Jahren einen enormen Inzidenzanstieg gezeigt [5].

Risikofaktoren für eine Infektion sind in erster Linie das Alter, sowie die Einnahme von Antibiotika und von Protonenpumpeninhibitoren [6], also im Grunde Folgen der demographischen Entwicklung unserer Gesellschaft, aber auch ganz klar Folgen unseres ärztlichen Handelns!

Wie oben schon erwähnt, kann die Diarrhö natürlich auch ein klinisches Zeichen einer extraintestinalen Erkrankung sein. Hier ist der internistisch breit ausgebildete Gastroenterologe gefragt, der gerade die chronische Diarrhö in den richtigen Kontext stellen kann und auch in der Lage ist, nach entsprechender Ausschlussdiagnostik die Diarrhö als funktionelle Erkrankung darzustellen.

Ich hoffe, wir können in den folgenden Beiträgen die zahlreichen Facetten dieses Symptoms ausreichend beleuchten und wünschen Ihnen eine erkenntnisreiche und unterhaltsame Lektüre.

 
  • Literatur

  • 1 Dücker C, Dautel P, Wagner K, Przewozna J, Oehlerking S, Repenthin J, Brünng R, Meyer TN, Faiss S. Klinische Symptomatik, Therapie und Verlauf stationär behandelter EHEC/EHEC-HUS Patienten. Dtsch Med Wochenschr 2011; 136: 1770-1776
  • 2 Epple HJ, Zeitz M. Enteritis infectiosa. Internist 2011; 52: 1038-1046
  • 3 Vogelmann R. Infektiöse Diarrhoe. Der Gastroenerologe 2010; 6: 549-557
  • 4 Weis S, Grimm M. Nosokomiale Diarrhoe. Der Internist 2011; 2: 167-176
  • 5 Barbut F, Corthier G, Charpak Y et al. Prevalence and pathogenicity of Clostridium difficile in hospitalized patients. Arch Intern Med 1996; 156: 1449-1454
  • 6 Loo VG, Bourgault AM, Poirier L et al. Host and Pathogen Factors for Clostridium difficile Infection and Colonisation. N Engl J Med 2011; 365: 1693-1703