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DOI: 10.1055/s-0032-1309530
Respiratorische Probleme bei Frühgeborenen: Nichtinvasive nasale Beatmung nach Surfactant-Gabe
Das Respiratory Distress Syndrome (RDS) gehört zu den häufigsten respiratorischen Problemen bei Frühgeborenen. Die Kinder erhalten heute im Allgemeinen Surfactant und werden kurze Zeit künstlich beatmet. Bronchopulmonale Dysplasien (BPD) bleiben im weiteren Verlauf aber eine wesentliche Komplikation. Risikofaktoren dafür umfassen u. a. längerzeitige endotracheale Intubation und künstliche Beatmung. Die frühe Extubation und Atmung des Kindes über ein NCPAP-System (nasal continuous positive airway pressure) konnten die Häufigkeit der BPD deutlich senken. Möglicherweise ist aber eine andere Form der Atemunterstützung noch besser geeignet? Ramanathan und Kollegen haben das untersucht.Publication History
Publication Date:
01 December 2012 (online)

J Perinatol 2012; 32: 336 – 343
Eine nasale IPPV (intermittent positive pressure ventilation) vermindert im Vergleich zu NCPAP die Notwendigkeit einer endotrachealen Intubation und führt seltener zu bronchopulmonalen Dysplasien. Dieses Ergebnis hat die US-amerikanische Gruppe in ihrer multizentrischen, randomisierten kontrollierten Studie mit insgesamt 110 Frühgeborenen vor der 30. Gestationswoche erhalten. Aufgenommen wurden Kinder mit RDS, die direkt nach der Geburt Surfactant (200 mg/kg) erhalten hatten und dann im Kreißsaal oder unmittelbar danach auf der Neugeborenen-Intensivstation intubiert werden mussten. Die Säuglinge wurden innerhalb von 2 h nach der Geburt randomisiert und erhielten, sobald sie die Extubationskriterien erfüllten, eine Atmungsunterstützung entweder mit NCPAP (5 cm H2O, 57 Kinder) oder mit einer nasalen IPPV (NIPPV, 53 Kinder). Primärer Endpunkt war die Notwendigkeit einer endotrachealen Intubation mit künstlicher Beatmung an Tag 7, sekundäre Endpunkte umfassten u. a. die Gesamtdauer der endotrachealen Intubation, Häufigkeit von klinischen BPD (Sauerstoffbedarf im korrigierten Gestationsalter von 36 Wochen) und Dauer des Klinikaufenthalts.
Die Ergebnisse zeigten in der NCPAP-Gruppe eine Intubation bei 24 Kindern (42 %) im Vergleich zu 9 Kindern (17 %) in der NIPPV-Gruppe (p = 0,005). Die Kinder in der NCPAP-Gruppe waren im Median insgesamt 7 Tage intubiert, die Kinder der NIPPV-Gruppe 1 Tag (p = 0,006). Die Häufigkeit von klinischen BPD betrug 39 % in der NCPAP-Gruppe und 21 % in der NIPPV-Gruppe. Die Gesamtdauer des Klinikaufenthalts unterschied sich nicht zwischen den beiden Gruppen.
FazitBei Frühgeborenen nach Surfactant-Gabe und frühzeitiger Extubation kann eine nasale IPPV die Notwendigkeit einer längerzeitigen Intubation im Vergleich zu NCPAP deutlich senken, so die Autoren. Dass dies nicht nur ein kosmetisches Ergebnis ist, sondern klinische Relevanz besitzt, zeigt das seltenere Auftreten von BPD in der NIPPV-Gruppe. Langzeituntersuchungen müssen klären, wie sich dieser Vorteil in die weitere respiratorische Entwicklung umsetzt.
Dr. Elke Ruchalla, Trossingen
1. Kommentar


PD Dr. Angela Kribs
Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendmedizin
Uniklinik Köln
Kerpener Str. 62
50931 Köln
Ramanathan und Mitarbeiter präsentieren die Ergebnisse einer prospektiv randomisierten kontrollierten Multizenterstudie zum Einsatz von NIPPV (nasal intermittent positive pressure ventilation) im Vergleich zu NCPAP (nasal continuous positive airway pressure) im Anschluss an eine möglichst frühzeitige Extubation bei Frühgeborenen mit einem Gestationsalter zwischen 26 0/7 und 29 6/7 Wochen. Bei den Kindern hatte zuvor wegen des Atemnotsyndroms die Notwendigkeit der Intubation und Beatmung innerhalb der ersten Lebensstunde zum Zweck der Surfactant-Gabe bestanden.
Die Kinder in der NIPPV-Gruppe zeigten eine reduzierte Notwendigkeit der maschinellen Beatmung über den Endotrachealtubus während der 1. Lebenswoche, eine kürzere Dauer der maschinellen Beatmung über Endotrachealtubus insgesamt sowie eine geringere Rate an klinischer Bronchopulmonaler Dysplasien (BPD) und physiologischer Bronchopulmonaler Dysplasien. Da die BPD immer noch eine wesentliche Morbidität des Frühgeborenen mit Einfluss auf die Langzeitprognose im Hinblick auf pulmonale und neurologische Entwicklung sowie das Wachstum der Kinder darstellt, sollte jeder Methode, die eine Reduktion dieser Morbidität möglich machen könnte, Beachtung geschenkt werden. Es stellt sich jedoch mit Blick auf die berichtete Studie die Frage, wodurch der beobachtete Effekt erzielt wird. Die Autoren selbst werfen die Frage auf, ob der unter NIPPV im Vergleich zu NCPAP höhere Atemwegsmitteldruck (MAP) eine Rolle spielen könnte. Die Autoren verwerfen in der Diskussion diese Überlegung, da im Rahmen der Studie unter NCPAP Drucke bis zu 8 cm H2O zugelassen waren. Betrachtet man die für NIPPV zugelassenen Parameter (positiver endexspiratorischer Druck 5 cm H2O, inspiratorischer Spitzendruck 10 – 15 cm H2O, Inspirationszeit 0,5 s, Frequenz 30 – 40/min) zeigt sich, dass damit MAP-Werte über 8 cm H2O erzielt werden können. Daher ist die Frage gerechtfertigt, ob ein höherer MAP unter NCPAP alleine nicht denselben Effekt bringen könnte. Eine Studie zu dieser Frage wäre sehr interessant.
Die Autoren weisen in der berichteten Studie nach, dass bei Frühgeborenen das respiratorische Management im Anschluss an die Extubation für die Prognose nicht unerheblich ist.
Eine erhebliche Limitation der berichteten Studie besteht in der Nutzung unterschiedlicher Geräte zur Erzeugung des NCPAP, denen unterschiedliche Prinzipien zur Generierung des Druckes zugrunde liegen. Es ist bekannt, dass sich die 3 genutzten Prinzipien (Bubble-CPAP, SiPAP, konventioneller Ventilator-CPAP) sowohl in der Konstanz des erzeugten Druckes als auch in dem für die Inspiration bereitgestellten Volumen unterscheiden. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob es Unterschiede zwischen den Subgruppen gibt. Bei der insgesamt relativ geringen Fallzahl innerhalb der Studie ist diese Frage jedoch nicht zu beantworten.
Die Autoren weisen nach, dass bei Frühgeborenen das respiratorische Management im Anschluss an die Extubation für die Prognose nicht unerheblich ist und insofern der sorgfältigen Überwachung und Leitung der Post-Extubationsphase eine große Bedeutung zukommt. Offen bleibt jedoch, welche Rolle das mittlere Druckniveau spielt, ob wechselnde Druckniveaus erforderlich sind und welches Prinzip zur Erzeugung des Drucks das ideale ist. Zudem fehlen Kriterien, die die Beantwortung dieser Fragen mit Blick auf den individuellen Patienten erlauben. Dies ist ein bislang nur unzureichend bearbeitetes Feld neonatologischer klinischer Forschung. Vor allem deswegen liefern Ramanathan et al. mit der vorgestellten Studie einen interessanten Beitrag.
E-Mail: angela.kribs@uk-koeln.de
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2. Kommentar


Prof. Dr. Ulrich H. Thome
Universitätsklinik für Kinder- und Jugendmedizin
Zentrum für Frauen- und Kindermedizin
Abteilung Neonatologie
Liebigstr. 20a, Haus 6
04103 Leipzig
Im Rahmen der Verbesserung der respiratorischen Therapie findet die nichtinvasive Applikation von CPAP (continuous positive airway pressure) oder nichtinvasive intermittierende Beatmung zunehmende Beachtung als schonendere, weniger lungenschädigende Möglichkeit, Frühgeborene mit spontaner Atemanstrengung zu unterstützen, als das mit endotrachealem Tubus der Fall wäre. Bisher konnte jedoch nicht nachgewiesen werden, dass der frühe Einsatz von nasalem CPAP die Inzidenz der bronchopulmonalen Dysplasie zu reduzieren vermag. Ursächlich hierfür könnte sein, dass der initiale frühe Einsatz von nasalem CPAP zu einem Verzicht auf die Surfactant-Therapie führte, oder dass zu viele Frühgeborene mit dieser Atemunterstützung nicht auskamen und letztendlich doch intubiert und maschinell beatmet werden mussten. Nasale intermittierend positive Druckbeatmung hat sich als effektivere Möglichkeit herausgestellt und vermag die Notwendigkeit einer Intubation und invasiven Beatmung mehr zu reduzieren als alleiniger CPAP.
Die Autoren der hier diskutierten Studie vermuteten, dass eine Kombination von früher Surfactant-Gabe, gefolgt von früher Extubation mit anschließender Unterstützung durch nasale intermittierende Druckbeatmung im Vergleich zu nasalem CPAP zu einer Reduktion der Notwendigkeit invasiver Beatmung und zu einer Reduktion der bronchopulmonalen Dysplasie beitragen könnte. Die Studienintervention war darauf angelegt, alle Kinder rasch zu extubieren und dann mit nasalem CPAP oder nasaler IPPV-Beatmung (intermittent positive pressure ventilation) weiter zu unterstützen. Zu beachten ist jedoch, dass extrem unreife Kinder unter 26 Schwangerschaftswochen ausgeschlossen waren, vermutlich da diesen eine zu geringe Chance auf eine hinreichende respiratorische Funktion mit nichtinvasiver Beatmung zugebilligt wurde.
Insgesamt ist dies ein beeindruckendes Ergebnis einer ordentlich geplanten und durchgeführten Studie.
Es wurden 110 Kinder randomisiert, die Randomisierung funktionierte gut und ergab eine Gleichverteilung demografischer Daten in beide Studiengruppen. Im Endergebnis ergab sich für die mit nasaler IPPV versorgten Kinder eine wesentliche Reduktion der Notwendigkeit einer invasiven maschinellen Beatmung an Tag 7 sowie eine Reduktion der bronchopulmonalen Dysplasie nach der physiologischen Definition und eine Reduktion der Zahl der Kinder, die in einem Reifealter von 36 Schwangerschaftswochen noch zusätzlichen Sauerstoff benötigten. Insgesamt ist dies ein beeindruckendes Ergebnis einer ordentlich geplanten und durchgeführten Studie. Der große Unterschied bei der Häufigkeit des Langzeit-Outcomes bronchopulmonaler Dysplasien ist vermutlich darauf zurück zu führen, dass die nasale IPPV-Beatmung wesentlich erfolgreicher die Re-Intubation der Frühgeborenen zu verhindern vermochte als die nasale CPAP-Unterstützung. Als Nachteil der Studie ist die fehlende Verblindung zu beachten, dies ist jedoch ein Nachteil, der allen Beatmungsstudien innewohnt, da eine Verblindung des Personals technisch nicht möglich ist.
Als Fazit ist zu ziehen, dass nasale IPPV-Beatmung gegenüber allen Kindern, die mit nasaler CPAP-Atemhilfe nicht auskommen, einen wesentlichen Vorteil darstellt und eingesetzt werden sollte. Weitere Studien sind notwendig, insbesondere wäre sehr interessant, zu untersuchen, ob eine Synchronisation der nasalen IPPV-Beatmung noch günstigere Ergebnisse zu erzielen vermag.
E-Mail: ulrich.thome@medizin.uni-leipzig
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