Pädiatrie up2date 2012; 07(03): 219-220
DOI: 10.1055/s-0032-1310289
Journal Club
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Intensive Urotherapie wirkt nachhaltig

Further Information

Publication History

Publication Date:
28 August 2012 (online)

Die konservative Urotherapie als Behandlungsoption funktioneller Inkontinenz bei Kindern beinhaltet u. a. die Beratung bez. des Miktionsverhaltens, das Miktions- und Biofeedbacktraining oder die Physiotherapie. Einzelne Studien belegen, dass eine stationäre Urotherapie bei ca. 70 % der Kinder erfolgreich ist. Ob und wie lange dieser Effekt anhält, hat nun eine niederländische Studie untersucht. Wer in der Kindheit gut auf eine intensive Urotherapie anspricht, hat auch langfristig i. d. R. keine Miktionsbeschwerden. Zu diesem Ergebnis kamen Marianne Vijverberg, University Medical Center Utrecht/Niederlande, und Kollegen anhand einer Kohortenstudie mit 75 Patienten zwischen 6 und 17 Jahren. Diese wurden zwischen 1986 und 1990 wegen Blasenentleerungsstörungen oder überaktiver Blase stationär urotherapeutisch behandelt. Der Altersdurchschnitt der Kinder lag zu Beginn der Studie bei 9,9±2,4 Jahren. Die Patienten erhielten in einem intensiven, stationären Training Anleitungen zu Miktionsgewohnheiten wie Häufigkeit des Wasserlassens und der Sitzpositionen beim Toilettengang. Zudem wurde geschult, wie Obstipation und Harnwegsinfektionen verhindert werden könnten. Die Urotherapie beinhaltete auch die Untersuchung des Harnflusses durch Uroflowmessung, Biofeedback-Training und Anleitungen zur Verhaltensänderung.

Nach 6 Monaten wurden die Trainingsergebnisse anhand der folgenden Variablen gewertet: Art des Harndrangs, Einnässen am Tag, Miktionsfrequenz, Harndrang und Miktionsprofil. Dieselben 4 Variablen wurden für die Langzeitstudie im Jahr 2007 (durchschnittlich 17,9 Jahre später) erneut telefonisch abgefragt. Die Bewertung erfolgte jeweils anhand der Kategorien „gut“, „moderat“ und „schlecht“. Die Kurzzeitergebnisse unterschieden sich nicht signifikant von denen der Langzeitbeobachtung (p = 0,726). Von den 56 Patienten, die damals ein gutes Resultat erzielten, fielen 47 Patienten im Langzeitverlauf weiterhin in die Kategorie „gut“.

Von 7 Patienten mit zunächst „moderatem“ Erfolg konnten sich 5 Patienten zu einem „gut“ steigern. Auch von den 12 Patienten, deren Ergebnisse ursprünglich „schlecht“ ausfielen, verbesserten sich 11 Patienten zu einem „gut“. Im Durchschnitt waren diese 16 Patienten, die sich im Verlauf verbessert hatten, 2,1 Jahre nach der intensiven Urotherapie symptomfrei. Insgesamt wiesen 84 % der Patienten im Langzeitverlauf gute Resultate auf. Dennoch waren zum Zeitpunkt der Langzeitbeobachtung bei 8 Patienten die Werte noch immer „mangelhaft“, bei 4 Patienten sogar „schlecht“. Die Autoren untersuchten außerdem, inwiefern das Alter der Patienten bei Therapiebeginn die Wirksamkeit der Urotherapie beeinflusste. Obwohl ältere Kinder nach 6 Monaten offensichtlich bessere Resultate erzielten, war dieser Effekt im Langzeitverlauf nicht mehr nachweisbar (p = 0,687).

Fazit: Die Studie liefere mehrere Argumente, funktionelle Störungen des unteren Harntraktes schon im Kindesalter urotherapeutisch zu behandeln, so die Autoren. Zwar wurde ein Großteil derjenigen Patienten, die kurzfristig höchstens moderat auf die Urotherapie ansprachen, im späteren Verlauf auch spontan symptomfrei, aber trotzdem sei Abwarten keine Option, weil sonst behandelbare Ursachen übersehen werden könnten. Zudem verbessere die Urotherapie die Lebensqualität der Patienten, da Inkontinenz im Kindesalter einen negativen psychologischen Effekt habe. Die Autoren sehen zudem einen finanziellen Vorteil frühzeitiger urotherapeutischer Behandlung: Die Kosten für Arztbesuche und Medikamente fielen ansonsten über die Jahre höher aus.

Dr. Bettina Rakowitz, Sachsen b. A.