Die Frage der Zulässigkeit der Ausführung und Abrechnung interventionell-radiologischer
Verfahren durch therapeutische Fachgebiete, insbesondere durch Fachärzte für Innere
Medizin und Angiologie, war seit einer Entscheidung des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen
vom 11. Mai 2005 (Az: L 11 KA 130/03) entschieden. Das Landessozialgericht NRW hatte
in der Entscheidung eine Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung für
die selbstständige und eigenverantwortliche Durchführung eines interventionell-radiologischen
Verfahrens durch Internisten mit dem Schwerpunkt Angiologie, aufgrund der Fachfremdheit
dieser Leistung, abgelehnt. Interventionell-radiologische Verfahren sind danach nicht
dem Gebiet der Angiologie zuzuordnen, sondern ausschließlich dem Gebiet der Radiologie
(vgl. Fortschr Röntgenstr 2006; 178: 132–133).
Mit Wirkung ab 2012 wurden nun die ärztlichen Weiterbildungsordnungen (WBO) der Landesärztekammern
in den einzelnen Bundesländern dahingehend geändert, dass nunmehr interventionelle
Verfahren in dem Weiterbildungsinhalt des Fachgebietes der Inneren Medizin und Angiologie
in größerem Umfang abgebildet worden sind. Inwiefern diese Änderung der WBO eine andere
Beurteilung der Fachfremdheit dieser Leistungen für Angiologen erfordert und zudem
Auswirkungen auf die Zulässigkeit der Ausführung und Abrechnung interventionell-radiologischer
Leistungen durch dieses Fachgebiet in der vertrags-ärztlichen Versorgung hat, soll
in diesem Beitrag erörtert werden.
Qualitätssicherungsvereinbarung zur interventionellen Radiologie
Qualitätssicherungsvereinbarung zur interventionellen Radiologie
Rechtsgrundlage für die Abrechnung von interventionell-radiologischen Leistungen im
Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung ist die Vereinbarung von Qualitätsmaßnahmen
nach § 135 Abs. 2 SGB V zur interventionellen Radiologie (Qualitätssicherungsvereinbarung
zur interventionellen Radiologie). Danach sind diese Leistungen grundsätzlich dem
Gebiet der Radiologie zuzuordnen.
§ 3 Abs. 1 und 2 der Qualitätssicherungsvereinbarung zur interventionellen Radiologie
enthalten für die diagnostischen Katheterangiografien und therapeutischen Eingriffe
(Nummern 34283, 34284, 34285, 34286 und 34287 des EBM) eine, der Regelung in § 4 Abs.
1 Kernspintomografie-Vereinbarung (KernspinV) und § 3 Abs. 1 der Qualitätssicherungsvereinbarung
zur MR-Angiografie vergleichbare, ausschließliche Zuordnung dieser Leistungen zum
Gebiet der Radiologie. Ebenso wie für die Bereiche der KernspinV und der MR-Angiografie
beruht diese ausschließliche Zuordnung der interventionellen Radiologie zum Fachgebiet
der Radiologie auf der gesetzlichen Grundlage in § 135 Abs. 2 S. 4 SGB V, die vom
Bundessozilagericht (BSG) und vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) als rechtmäßig
angesehen worden ist.
So hat das BVerfG bereits in seiner Entscheidung v. 16.7.2004 (Az.: 1 BvR 1127/01)
festgestellt, dass für Kardiologen der Ausschluss von der Abrechenbarkeit kernspintomografischer
Leistungen in der vertragsärztlichen Versorgung einen verfassungsrechtlich gerechtfertigten
Eingriff in die Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz (GG) darstellt. Das
BSG hatte sich in seinem Urteil v. 11.10.2006 (Az.: B 6 KA 1/05 R) auf die vorhergehende
Entscheidung des BVerfG gestützt und entschieden, dass „die Konzentration aller kernspintomografischen
Leistungen bei speziell qualifizierten Ärzten“ zur Sicherung der Wirtschaftlichkeit
der vertragsärztlichen Versorgung zulässig sei.
Dem Wortlaut des Satzes 4 des § 135 Abs. 2 SGB V zufolge, welcher durch das Gesetz
zur Modernisierung der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Modernisierungsgesetz
[GMG] v. 14.11.2003, BGBl. I 2190) ergänzt wurde, können die Vertragspartner der Bundesmantelverträge
zur Sicherung der Qualität und der Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung Regelungen
treffen, nach denen die Erbringung bestimmter medizinisch-technischer Leistungen den
Fachärzten vorbehalten ist, für die diese Leistungen zum Kern ihres Fachgebiets gehören.
Demnach sind Fachärzte, die die betreffenden Untersuchungen zwar weiterbildungsrechtlich
ausführen dürfen, die Untersuchungen jedoch für ihr Gebiet nicht wesentlich und prägend
sind, sie daher die Untersuchungen nur bei eigenen Patienten und somit nicht regelmäßig
fachgebietsübergreifend erbringen, bei Vorliegen einer Vereinbarung gem. § 135 Abs.
2 S. 4 SGB V von der Leistungserbringung ausgeschlossen.
Während § 135 Abs. 2 S. 2 SGB V vorgibt, dass einem Vertragsarzt die Erbringung besonderer
Leistungen im Sinne des § 135 Abs. 2 S. 1 SGB V grundsätzlich zu erlauben ist, wenn
diese Leistungen weiterbildungsrechtlich in allen Bundesländern inhaltsgleich zu seinem
Fachgebiet gehören, enthält § 135 Abs. 2 S. 4 SGB V seinem Wortlaut nach ausdrücklich
eine Lockerung dieser engen Bindung an das landesrechtliche Weiterbildungsrecht („abwei-chend
von S. 2“) und erlaubt somit engere Vorgaben hinsichtlich der Qualifikationsanforderungen.
Hintergrund dieser Konzentration aufwendiger medizinisch-technischer Leistungen auf
Fachärzte mit Spezialkenntnissen ist die vom Gesetzgeber gewollte Steigerung der Leistungsqualität
sowie Vermeidung überflüssiger und damit unwirtschaftlicher Untersuchungen. Die Regelung
soll sowohl der Gesundheit der Versicherten, als auch der finanziellen Stabilität
und Funktionsfähigkeit der gesetzlichen Krankenversicherung dienen (vgl. Gesetzesbegründung
zu § 135 Abs. 2 S. 4 SGB V, BT-Drs. 15/1525, S. 124; BSG Urt. v. 11.10.2006 – B 6
KA 1/05 R). Auch wenn die, auf der Grundlage von § -135 Abs. 2 S. 4 SGB V erlassenen,
Vereinbarungen in die Berufsausübungsfreiheit betroffener Ärzte eingreifen, ist dieser
Eingriff aus Gründen des vorrangigen Gemeinwohls unter Einhaltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes
gerechtfertigt (vgl. Nichtannahmebeschluss des BVerfG v. 8.7.2010 – 2 BvR 520/07 sowie
Nichtannahmebeschluss v. 16.07.2004 – 1 BvR 1127/01). Die Frage, ob sich aus aktuellen
Änderungen des ärztlichen Weiterbildungsrechts Gesichtspunkte für die Zugehörigkeit
interventionell-radiologischer Leistungen auch zum Fachgebiet der Angiologie ergeben,
ist danach für die vertragsärztliche Versorgung ohne Bedeutung (vgl. BSG Urt. v. 10.11.2006
– B 6 KA 1/05 R).
Keine „gleichwertige Befähigung“ nach der Qualitätssicherungsvereinbarung
Keine „gleichwertige Befähigung“ nach der Qualitätssicherungsvereinbarung
Die Berechtigung zur Durchführung und Abrechnung von Leistungen der diagnostischen
Katheterangiografien und therapeutischen Eingriffen im Rahmen der vertragsärztlichen
Versorgung hängt somit allein von der Erteilung einer Genehmigung nach der Qualitätssicherungsvereinbarung
zur interventionellen Radiologie ab. Im Rahmen des Genehmigungsverfahrens nach § 9
Abs. 2 und 3 der Qualitätssicherungsvereinbarung zur interventionellen Radiologie
sind von dem antragstellenden Arzt Zeugnisse und Bescheinigungen vorzulegen, aus denen
hervorgehen muss, dass die in § 3 bis § 6 genannten fachlichen, apparativen, räumlichen
und organisatorischen Voraussetzungen erfüllt sind. Gem. § 9 Abs. 5 S. 2 der Qualitätssicherungsvereinbarung
zur interventionellen Radiologie kann die Genehmigung für die Ausführung und Abrechnung
von Leistungen der diagnostischen Katheterangiografien und therapeutischen Eingriffen
von der erfolgreichen Teilnahme an einem Kolloquium in den Fällen abhängig gemacht
werden, in denen der antragstellende Arzt im Vergleich zu der Qualitätssicherungsvereinbarung
eine abweichende, aber gleichwertige Befähigung nachweist.
Diese Regelung in § 9 Abs. 5 S. 2 der Qualitätssicherungsvereinbarung zur interventionellen
Radiologie beinhaltet jedoch keine Möglichkeit, einem „Nicht-Radiologen“ die Ausführung
und Abrechnung interventionell-radiologischer Leistungen zu genehmigen. Der Begriff
der „gleichwertigen Befähigung“ bezieht sich ausschließlich auf die Regelungen in
§ 3 Abs. 1 Nr. 2 – 4 sowie Abs. 2 Nr. 2 – 4 und damit auf die nachzuweisende Anzahl
der durchgeführten Eingriffe (Nr. 2), die Dauer der Tätigkeit im interventionell-radiologischen
Bereich (Nr. 3) sowie Tätigkeiten in diesem Bereich, die während der Weiterbildung
absolviert worden sind. Davon erfasst werden diejenigen Fälle, in denen aufgrund älterer
Facharztbezeichnungen in der Radiologie abweichende Inhalte in den Weiterbildungsordnungen
der Landesärztekammern enthalten waren. So hatte der Facharzt für Radiologie in der
Vergangenheit unterschiedliche Bezeichnungen und Weiterbildungsinhalte (z. B. Facharzt
für Radiologie, Facharzt für radiologische Diagnostik, Facharzt für diagnostische
Radiologie). Würde man einem „Nicht-Radiologen“ über die Regelung in § 9 Abs. 5 S.
2 der Qualitätssicherungsvereinbarung zur interventionellen Radiologie die Ausführung
und Abrechnung interventionell-radiologischer Leistungen gestatten, so würde dies
die bereits oben dargestellte Zielsetzung der Qualitätssicherungsvereinbarung zur
interventionellen Radiologie, nämlich diese Leistungen den Radiologen als Spezialisten
vorzubehalten, und somit der vom Gesetzgeber niedergelegten Intention nach § 135 Abs.
2 S.4 SGB V unterlaufen.
In diesem Zusammenhang ist auf die bereits oben angesprochenen Entscheidungen des
BSG und des BVerfG zur Berechtigung eines Kardiologen zur Abrechnung von Leistungen
nach der KernspinV hinzuweisen. Wie das BSG (Urt. v. 11.10.2006 – B 6 KA 1/05 R -,
a .a. O. S. 211) ausführt, ist im Einzelfall zwar nie auszuschließen, dass ein Arzt
einer bestimmten Fachrichtung für eine bestimmte hochspezialisierte Leistung in besonderer
Weise qualifiziert ist, die üblicherweise von Ärzten einer anderen Fachrichtung erbracht
wird, und dass umgekehrt ein Facharzt im Rahmen seiner Weiterbildung mit einer ganz
speziellen Leistung nur am Rande befasst worden ist. An derartig untypischen Situationen
müssen sich jedoch die Normgeber weder auf der Ebene des Gesetzes, noch im Rahmen
von Qualitätssicherungsvereinbarungen auf der Grundlage des § 135 Abs. 2 SGB V orientieren.
Normsetzung darf von typischen Sachverhalten und Konstellationen ausgehen, und einem
typischen Sachverhalt entspricht es, dass Ärzte, die langjährige Tätigkeit und Erfahrung
in der Kernspintomografie haben, die erforderliche Qualifikation zur Durchführung
zumindest derjenigen kernspintomografischen Untersuchungen der Herzregion besitzen,
die derzeit bereits Gegenstand der vertragsärztlichen Versorgung sind. Diese Ausführungen
des BSG sind aufgrund der identischen Genehmigungskonstellation in § 3 Abs. 1 und
2 der Qualitätssicherungsvereinbarung zur interventionellen Radiologie auf den Fall
der Abrechnung interventionell-radiologischer Leistungen vollständig übertragbar,
sodass die Erteilung einer Abrechnungsgenehmigung an einen Angiologen nach der Qualitätssicherungsvereinbarung
zur interventionellen Radiologie ausgeschlossen ist.
Weiterbildungsrechtliche Zuordnung zur Angiologie zweifelhaft
Weiterbildungsrechtliche Zuordnung zur Angiologie zweifelhaft
Ungeachtet dessen, dass nach den obigen Ausführungen die Durchführung und Abrechnung
von Leistungen der diagnostischen Katheterangiografien und therapeutischen Eingriffen,
trotz Änderungen der WBO, allein Fachärzten der Radiologie vorbehalten ist, da im
Rahmen der vertragsärztlichen Leistungserbringung im Sinne der Qualitätssicherungsvereinbarung
zur interventionellen Radiologie weiterbildungsrechtliche Vorgaben ohne Bedeutung
sind, stellt sich die Frage, ob durch die aktuellen Änderungen der WBO mit Wirkung
zum 01.01.2012 überhaupt interventionell-radiologische Leistungen dem Fachgebiet der
Inneren Medizin und Angiologie zugeordnet worden sind.
So spricht der neue Wortlaut in Abschnitt B Nr. 13.2.1 WBO, der das Fachgebiet der
Inneren Medizin und Angiologie definiert, lediglich im Rahmen der Beschreibung des
Weiterbildungsinhalts von „interventionellen Eingriffen“ und nennt diesbezüglich auch
keine eigenen definierten Untersuchungs- und Behandlungsverfahren. Zudem enthalten
auch die, nach Änderung der WBO, aktualisierten Richtlinien über den Inhalt der Weiterbildung
für das Fachgebiet der Angiologie keine Konkretisierung des Nachweises für erworbene
Kenntnisse in „interventionellen Eingriffen“ und insbesondere keine Richtzahlen. Allein
die Aufnahme des Begriffs „interventionelle Eingriffe“ in die Formulierung der Weiterbildungsinhalte
lässt nicht darauf schließen, dass die Durchführung interventionell-radiologischer
Verfahren zum Fachgebiet der Angiologie gehört. „Interventionell-radiologische Verfahren“
werden auch weiterhin ausdrücklich nur in Abschnitt B Nr. 29 WBO als Teil des Weiterbildungsinhaltes
und der defi-nierten Untersuchungs- und Behandlungsverfahren für das Fachgebiet der
Radiologie genannt. Folglich ist davon auszugehen, dass Leistungen der interventionellen
Radiologie auch nach dem neuen Weiterbildungsrecht allein dem Fachgebiet der Radiologie
zuzuordnen sind.
Fazit
Fazit
Die aktuellen Änderungen der WBO, die mit Wirkung ab 2012 in Kraft getreten sind,
haben nicht dazu geführt, dass diese Leistungen nunmehr zum Fachgebiet der Inneren
Medizin und Angiologie gehören. Sie bewirken insbesondere keine Zulässigkeit der Durchführung
und Abrechnung interventionell-radiologischer Leistungen durch Angiologen im Rahmen
der vertragsärztlichen Versorgung. Im Gegenteil führen sie aufgrund ihrer ungenauen
Formulierung und fehlenden Umsetzung in den Richtlinien zu weiteren Unklarheiten und
Missverständnissen. Aufgrund dessen ist festzuhalten, dass auch nach Änderung der
WBO allein Fachärzte der Radiologie interventionell-radiologische Leistungen im Rahmen
der vertragsärztlichen Versorgung erbringen und abrechnen dürfen, sofern sie im Besitz
einer Genehmigung im Sinne der Qualitätssicherungsvereinbarung zur interventionellen
Radiologie sind. Dies gilt nicht nur aufgrund der gesetzlichen Bestimmung in § 135
Abs. 2 S. 4 SGB V, wonach keine Bindung an das landesrechtliche Weiterbildungsrecht
besteht, sondern auch aufgrund des eindeutigen Wortlauts in § 3 Abs. 1 und 2 der Qualitätssicherungsvereinbarung
zur interventionellen Radiologie. Fachärzten für Innere Medizin und Angiologie kann
daher auch zukünftig keine Genehmigung zur Abrechnung dieser Leistungen in der GKV
erteilt werden. Aufgrund der nicht eindeutig erkennbaren weiterbildungsrechtlichen
Zugehörigkeit dieser Leistungen zum Fachgebiet Innere Medizin und Angiologie dürfte
darüber hinaus auch die Zulässigkeit einer privatärztlichen Abrechnung fraglich sein.
Dr. Ulrike Tonner
Rechtsanwälte Wigge
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