Z Gastroenterol 2012; 50(10): 1065
DOI: 10.1055/s-0032-1318972
Forschung aktuell
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Reizdarmsyndrom – Immunsystem: aktiviert oder dysreguliert?

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Publication Date:
12 November 2012 (online)

Patienten mit einem Reizdarmsyndrom (IBS) haben häufiger eine viszerale Hypersensitivät und geben eine Triggerung ihrer Beschwerden durch Streß an. Laut Studien war eine mikroskopische Schleimhautinflammation mit einem verstärkten Nachweis immunkompetenter Zellen die gemeinsame Schnittstelle. Braak et al. kamen jetzt zu anderen Ergebnissen.

Am J Gastroenterol 2012; 107: 715–726

Um den Zusammenhang zwischen viszeraler Hypersensitivität, Stress und mukosalen Immunreaktionen zu überprüfen, erfolgten bei 66 Patienten und 20 gesunden Kontrollpersonen eine Barostat-Untersuchung des Rektums, Cortisoltests im Speichel nach Stressbelastung und Kolonbiopsien mit immunologischen Untersuchungen.

Die Patienten waren durchschnittlich 38 Jahre alt und 77% waren Frauen. Mastzellen, T-Zellen (CD3 und CD8) und Makrophagen (CD68) waren in den Biopsien von IBS-Patienten verglichen mit den Proben der gesunden Kontrollen vermindert. 33 Patienten hatten eine viszerale Hypersensitivität. Im Vergleich mit nicht davon betroffenen IBS-Patienten und gesunden Teilnehmern waren die Schwellenwerte für Schmerzen und Stuhldrang signifikant geringer. Die immunhistochemischen Ergebnisse der Kolonbiopsien waren bei einem IBS mit und ohne viszerale Hypersensitivität nicht wesentlich verschieden. Ausnahme war die Verminderung von CD3-positiven T-Zellen, die nur bei gleichzeitiger viszeraler Hypersensitivität vorkam. Es bestand keine Assoziation zwischen den immunhistochemischen Befunden und den klinischen IBS-Symptomen. Die Ausgangsbefunde der Gruppen in der Hospital Anxiety and Depression Scale (HADS) waren nicht verschieden. Die Stressinduktion, gemessen am Cortisolgehalt der Speichelproben, erfolgte durch einen Farb-Wort-Test, eine Spiegel-Folge-Prüfung und eine Sprachaufgabe. Die Ergebnisse unterschieden sich für IBS-Patienten mit viszeraler Hypersensitiät, ohne viszerale Hypersensitivität und Kontrollpersonen nicht. Auch die Berücksichtung zahlreicher anderer Variablen wie Body Mass Index oder Geschlecht änderte die Resultate nicht. Es bestand keine Korrelation zwischen den Cortisolspiegeln und Mastzellen, T-Zellen und Makrophagen.

Fazit

Braak et al. fanden die in früheren Studien beschriebene Vermehrung immunkompetenter Zellen in der Kolonschleimhaut nicht. Im Gegenteil: Makrophagen, T-Zellen und Mastzellen waren vermindert. Möglicherweise seien nicht quantitative, sondern qualitative Veränderungen entscheidend. Dafür sprächen auch ihre Resultate aus einer Folgeuntersuchung, bei der die Einnahme des Mastzell-Stabilisators Ketotifen zu einer Beschwerdeabnahme geführt habe. Eine Verbindung zwischen Stress, viszeraler Hypersensitiviät und Immunsystem wurde nicht nachgewiesen.

Dr. med. Susanne Krome, Melle