Z Gastroenterol 2012; 50(11): 1138-1140
DOI: 10.1055/s-0032-1319006
Forschung aktuell
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Reizdarmsyndrom – Intestinale Mikroflora und klinische Präsentation

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Publication Date:
14 November 2012 (online)

Bei einem Teil der Patienten mit Reizdarmsyndrom (IBS) ist der Erkrankung eine Infektion vorausgegangen. Diese postinfektiösen IBS-Fälle sind laut Studien mit einer Reihe von Bakterienspezies assoziiert. Jeffery et al. untersuchten nun die Rolle der intestinalen Mikroflora beim Reizdarmsyndrom. Sie verglichen die mikrobiellen Stuhlbefunde und überprüften Assoziationen mit häufigen Symptomen.

Gut 2012; 61: 997–1006

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Laut Jeffery et al. ist die intestinale Mikroflora bei Patienten mit Reizdarmsyndrom mit verschiedenen Symptomen assoziiert. So zeigten sich bei Patienten mit überwiegender Proteobakterienbesiedlung häufiger eine erhöhte Schmerzschwelle sowie mentale Krankheitszeichen. Im Bild: Reinkultur von Proteus mirabilis mit typischem terrassenförmigem Schwärmverhalten der Keime (Bild: aus Duale Reihe Medizinische Mikrobiologie. Hrsg.: Hof H, Dörries R. Thieme Verlag, 2005).

Insgesamt 37 Patienten nahmen an der Untersuchung teil. 26 Frauen und 11 Männer erfüllten die Rome-II-Kriterien und waren durchschnittlich 37 Jahre alt. Fast alle waren länger als 5 Jahre erkrankt. 12 Patienten hatten den alternierenden, 15 den Diarrhö- und 10 den Obstipationstyp. 30% waren ängstlich oder depressiv (HAD-Score) und 86% hatten eine eingeschränkte Lebensqualität (SF-36). In 11 Fällen bestand eine rektale Hypersensitivität, 8 hatten eine beschleunigte und 3 eine verlangsamte Kolontransitzeit. Die Ergebnisse der mikrobiologischen Stuhluntersuchungen wurden mit den Ergebnissen von 20 gesunden Kontrollpersonen verglichen.

Die Resultate der Patienten konnten in 3 Gruppen differenziert werden. 15 Patienten hatten eine unauffällige Bakterienkomposition und 22 wiesen Abweichungen auf, die in 2 Clustern spezifiziert werden konnten (p jeweils 0,005): In Cluster 1 war die Bakterienvielfalt vermindert, in Cluster 2 gesteigert. Der Hauptunterschied zu den Kontrollproben bestand in einer veränderten Ratio von Firmicutes zu Bacteroides auf Stammebene (FB-Ratio). Firmicutesgruppen waren vermehrt und Bacteroides vermindert nachweisbar.

Die Korrelationsprüfung zwischen der mikrobiellen Komposition und den Symptomen ergab 8 klinische Variablen, die mit den Stuhlbefunden assoziiert waren. Eine Vermehrung von Cyanobakterien kam gemeinsam mit einem verstärkten Sättigungs- und Völlegefühl vor. Patienten mit einer vorherrschenden Darmbesiedlung mit Proteobakterien hatten häufiger eine erhöhte Schmerzschwelle und mentale Krankheitszeichen. 17 Bakteriengruppen waren mit einer verzögerten Transitzeit assoziiert (2 Spezies, 3 Familien). Eine klinisch signifikante Depression kam bei 9% der Patienten mit auffälligen Cluster-Befunden vor und korrelierte invers mit dem Vorkommen von Actinomyceten und Actinomycetaceten. Patienten mit einem nicht abweichenden Bakterienmuster waren öfter depressiv (40%; p = 0,02). Der Punktwert im HAD-Score war die diskriminierendste klinische Komponente zwischen den Patienten mit einer hohen und unauffälligen FB-Ratio. Die Autoren vermuten, dass damit möglicherweise eine Differenzierung zwischen Patienten mit psychischer Komorbidität und einer „eher organischen“ Pathophysiologie gelingen könne.

Fazit

Die detaillierte mikrobiologische Stuhlanalyse ergab verschiedene Besiedlungsmuster. Eine gesteigerte Firmicutes-Bacteroides-Ratio differenzierte am besten zwischen Patienten und Kontrollpersonen und war gleichzeitig seltener mit Depressionen vergesellschaftet.

Dr. med. Susanne Krome, Melle