manuelletherapie 2012; 16(03): 105-106
DOI: 10.1055/s-0032-1322418
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Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Leserbriefantwort 2

Christina M. Wenig
1   Ludwig-Maximilians-Universität München
,
Bernd Schweikert
1   Ludwig-Maximilians-Universität München
,
Carsten O. Schmidt
1   Ludwig-Maximilians-Universität München
,
Thomas Kohlmann
1   Ludwig-Maximilians-Universität München
› Author Affiliations
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Publication Date:
19 July 2012 (online)

Wir freuen uns, dass unser Artikel auf reges Interesse stößt und möchten zu den Kommentaren gerne Stellung nehmen.

Zunächst weisen wir darauf hin, dass sich der Leserbrief von Herrn Fries auf eine Zusammenfassung unseres Artikels bezieht, die naturgemäß sehr kompakt gehalten ist. Die beschriebene Originalstudie enthält eine weit detailliertere Beschreibung von Daten und Methodik sowie eine ausführliche Diskussion der hiermit verbundenen Einschränkungen. Ferner war die Berechnung der Gesamtkosten für die gesamte deutsche Bevölkerung nicht das primäre Ziel dieser Studie, sondern ein sekundärer Aspekt, um die Größenordnung einer Extrapolation zu erhalten.

Das Ziel der Studie war vielmehr, eine Schätzung der durch Rückenschmerzen verursachten Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen und daraus entstehenden Kosten auf Patientenebene, basierend auf einer (postalisch erfolgten) Patientenbefragung durchzuführen. Dabei wurden direkte medizinische Kosten für Arztbesuche, Therapeutenbesuche (das schließt hier neben Physiotherapie auch Massagen, Elektrotherapie, Packungen, Bäder etc. ein), Krankenhaus- und Rehabilitationsaufenthalte, Arzneimittel, orthopädische Hilfsmittel ebenso wie indirekte Kosten für kurz- und langfristige Produktivitätsausfälle berücksichtigt.

Es gibt verschiedene methodische Ansätze für die Durchführung von Krankheitskostenstudien, die alle mit unterschiedlichen Vor- und Nachteilen verbunden sind. Unsere Berechnung der Kosten erfolgte soweit möglich aus einer gesellschaftlichen Perspektive, die im Vergleich zur Perspektive der gesetzlichen Krankenversicherung mehr Kosten bzw. Kostenbestandteile einbezieht. Durch die direkte patientenbezogene Erhebung konnten auch Kosten berücksichtigt werden, die in Krankenkassendaten überhaupt nicht auftauchen. Hier sind z. B. indirekte Kosten aufgrund von Arbeits-/Berufsunfähigkeit zu nennen und solche, die von den Patienten zu einem großen Teil aus eigener Tasche bezahlt werden (z. B. Medikamente, Hilfsmittel, Massagen). Ferner bietet diese Herangehensweise den Vorteil, dass – unabhängig davon, in welcher Krankenkasse die Studienteilnehmer versichert sind – individuelle Daten auf Patientenebene und darüber hinaus auch klinisch relevante Parameter, wie z. B. Schmerzintensität und -dauer vorliegen.

Wie erwähnt, werden in dem genannten Originalartikel die Einschränkungen, die zur Überschätzung der tatsächlichen Kosten führen können und bei der Interpretation der Ergebnisse berücksichtigt werden müssen, ausführlich diskutiert. Hier seien beispielhaft die Repräsentativität der Studienteilnehmer, aber auch Probleme der Erinnerung der tatsächlichen Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen und der Zuordnung der Leistungen zu einem bestimmten Zeitraum sowie zu verschiedenen Krankheitsbildern bei multimorbiden Patienten genannt. Eine mögliche Verzerrung in diesen Bereichen kann zu einer erheblichen Unsicherheit bei der Hochrechnung der Kosten von 3 Monaten auf 1 Jahr und von Patientenebene auf die deutsche Bevölkerung führen, die in dem Artikel gewürdigt wird. Im Lichte dieser Einschränkungen muss auch die Schätzung von 48,9 Milliarden Euro interpretiert werden.

Eine Analyse von Krankenkassendaten kann natürlich besser darüber Auskunft geben, wie hoch die Kosten sind, die aus Perspektive einer bestimmten Krankenversicherung anfallen. Das ist eine Fragestellung, die von der unseren abweicht und im Weiteren noch untersucht werden sollte, wenn der oftmals problematische Zugang zu den entsprechenden Daten besteht. Zu beachten ist hierbei selbstverständlich, dass auch eine Analyse von Krankenkassendaten immer nur eine ausgewählte Patientengruppe mit einschließt, die nicht repräsentativ für die deutsche Gesamtbevölkerung ist. Auch werden hier nur Fälle berücksichtigt, die eine ärztliche Diagnose für Rückenschmerzen aufweisen.

Ziel der Studie war es keineswegs aufzuzeigen, dass zu viel Geld für die Behandlung von Rückenschmerzen ausgegeben wird, sondern vielmehr, dass Rückenschmerzen nicht nur aus medizinischer, sondern auch aus ökonomischer Perspektive ein wichtiges gesellschaftliches Problem darstellen. Der deutliche Zusammenhang zwischen Kostenanstieg und zunehmendem Schweregrad der Schmerzen kann als Hinweis dienen, dass die Investition in effektive Präventions- und Interventionsprogramme in diesem Bereich mit hoher Wahrscheinlichkeit auch ökonomisch sinnvoll sein kann.