Der Klinikarzt 2012; 41(06/07): 325
DOI: 10.1055/s-0032-1322484
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Allgemeinanästhesie – Reversierung neuromuskulärer Restblockaden

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Publication Date:
25 July 2012 (online)

 
 

Der Einsatz von Muskelrelaxanzien im Rahmen der Allgemeinanästhesie ist in mehrfacher Hinsicht vorteilhaft. Durch die Muskelrelaxation werden einmal die Intubationsbedingungen verbessert, damit sinkt die Larynxmorbidität: "Patienten klagen postoperativ seltener über Stimmbandläsionen und Heiserkeit", erinnerte Prof. Friedrich Pühringer, Reutlingen. Als wichtiger Bestandteil der Narkoseführung erleichtert die Muskelrelaxation zum zweiten auch die Operationsbedingungen. Schließlich können der Sauerstoffbedarf des Patienten deutlich gesenkt und die Anämietoleranz gesteigert werden.

Neuromuskuläres Monitoring wichtig

Allerdings erfüllen die bislang zur Verfügung stehenden Substanzen die Anforderungen an das "ideale" Muskelrelaxans nur teilweise, kritisierte Pführinger. Vom Anästhesisten gewünscht werden inbesondere rasche Anschlagzeit, kurze und vorhersehbare Wirkdauer sowie die schnelle spontane Erholung nach Beendigung der Intervention – Eigenschaften, die keine der vorhandenen Substanzen in sich vereint. Als ausgesprochen wichtig bezeichnete Pführinger daher das neuromuskuläre Monitoring bei jedem Patienten, der ein Muskelrelaxans erhält. Denn nur so können neuromuskuläre Restblockaden rechtzeitig erkannt und Komplikationen durch die postoperative Restcurarisierung (PORC) wie Hypoventilation, Schluckstörungen und Aspiration vermieden werden.


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Effektive Antagonisierung von Muskelrelaxanzien

ur Reversierung einer neuromuskulären Blockade werden in Deutschland viel-fach Acetylcholinesterase-Inhibitoren wie Neostigmin eingesetzt. Wegen der häufigen Nebenwirkungen, z. B. Bradykardie, Bronchokonstriktion oder Übelkeit und Erbrechen, müssen sie allerdings zusammen mit Parasympathikolytika (z. B. Atropin) verabreicht werden, die ihrerseits wieder Nebenwirkungen induzieren, sagte Prof. Götz Geldner, Ludwigsburg. Zudem zeigt sich bei den Acetylcholinesterase-Inhibitoren bereits bei Dosen ab 0,07 mg/kg ein Ceiling-Effekt, sodass die Reversierung nach tiefen neuromuskulären Blockaden unvollständig sein kann.

ZAls Alternative steht mit Sugammadex (Bridion®) mittlerweile eine Substanz zur effektiven Antagonisierung von Muskelrelaxanzien zur Verfügung. Sugammadex, ein Aminosteroid-Muskelrelaxans-Enkap-sulator, besitzt eine hydrophile Außenseite und einen hydrophoben inneren Hohlraum, in den steroidale Muskelrelaxanzien wie Rocuronium oder Vecuronium in Form eines stabilen, irreversiblen und pharmakologisch inaktiven Komplexes eingeschlossen werden. Damit kann das Muskelrelaxans nicht mehr am Acetylcholin-Rezeptor wirken; die Muskelrelaxierung wird zuverlässig aufgehoben.

Die Reversierung einer tiefen neuromuskulären Erholung verläuft unter Sugammadex signifikant schneller als mit Neostigmin, wie Geldner in einer eigenen Arbeit zeigen konnte: Die Erholung von einer Rocuronium-induzierten Muskelrelaxation bis zu einer TOF- (Train-of-Four) Ratio von 0,9 betrug ab der Applikation von Neostigmin median 7,7 Minuten, bei Sugammadex dagegen nur 2,4 Minuten (p < 0,0001). Auch konnte die Zeitspanne von der letzten Rocuronium-Dosis bis zu einer TOF-Ratio von 0,9 mit Sugammadex gegenüber Neostigmin mehr als halbiert werden (14,4 vs. 32,8 Min.; p > 0,0001). Darüber hinaus belegt eine Analyse der Cochrane Datenbasis, dass sich PORC durch die schnelle Reversierung mit Sugammadex vermeiden lassen. "Die Sicherheit unserer Patienten wird damit erhöht", resümierte Geldner.

Katharina Arnheim, Freiburg

Quelle: Satellitensymposium "Moderne Anästhesieführung – sind Relaxierung und Rerversierung obsolet?" im Rahmen des Deutschen Anästhesiekongresses am 6. Mai 2012 in Leipzig. Veranstalter: MSD


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