Einleitung
Schlafbezogene Atmungsstörungen haben eine hohe Prävalenz und stellen einen inzwischen
anerkannten Risikofaktor für kardiovaskuläre Folgeerkrankungen dar. Eine erfolgreiche
Therapie der schlafbezogenen Atmungsstörungen senkt das Risiko, kardiovaskuläre Folgeerkrankungen
zu erleiden [1]. Daher müssen schlafbezogene Atmungsstörungen rechtzeitig erkannt und auch therapiert
werden [2]. Wo nun genau die Grenzen für eine empfohlene und auch für eine dringend notwendige
Therapie liegen, ist noch nicht abschließend untersucht. Gesundheitsökonomische Überlegungen
sind bei einer solchen Entscheidung ebenfalls zu berücksichtigen. Die Grenzen für
eine Therapieentscheidung sind womöglich nicht allein beim zur Zeit verwendeten Apnoe-Hypopnoe
Index (AHI) und der Schläfrigkeit zu finden, sondern liegen bei einer Zusammenschau
von AHI, koprävalenten kardiovaskulären Erkrankungen und Adipositas. Der intermittierenden
Hypoxie und der damit einhergehenden Reoxigenation kommt bei der Pathophysiologie
der kardiovaskulären Folgeerkrankungen eine herausgehobene Bedeutung zu. Eine pathogenetische
Rolle spielen die hierbei entstehenden freien Sauerstoffradikale [3]. Jede einzelne Komponente trägt unabhängig zu einem erhöhten kardiovaskulären Risiko
bei. Und daher bleiben wir momentan bei der Diagnostik schlafbezogener Atmungsstörungen
beim einfachsten Maß, nämlich dem AHI und der Schläfrigkeit. Damit sind wir immerhin
etwas weiter als andere Länder, die allein auf den AHI sehen und dadurch zum Teil
für den Patienten sehr eigenwillige Entscheidungen treffen.
Diagnostische Möglichkeiten
Diagnostische Möglichkeiten
Die Diagnostik der schlafbezogenen Atmungsstörungen ist in Deutschland nach einer
Richtlinie des gemeinsamen Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen geregelt.
Diese Richtlinie zur Bewertung medizinischer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden
(BUB-Richtlinie) umfasst in der Anlage A „Anerkannte Untersuchungs- und Behandlungsmethoden“
und in der Anlage B „nichtanerkannte Untersuchungs- und Behandlungsmethoden“. In der
Anlage A unter Punkt 3 ist die „Polygraphie und Polysomnographie im Rahmen der Differentialdiagnostik
und Therapie schlafbezogener Atmungsstörungen“ für die vertragsärztliche Versorgung
geregelt [4]. Danach erfolgt die Diagnostik schlafbezogener Atmungsstörungen nach einem Stufenschema
mit vier Stufen. Die erste Stufe beginnt mit einer schlafmedizinischen Anamnese, unterstützt
durch validierte Fragebögen zur Einschlafneigung am Tage, zu beobachteten oder berichteten
nächtlichen Atempausen und intermittierendem Schnarchen. Es folgen Untersuchungen
mit BMI, Blutdruck, Körpermaßen (Hüft- und Halsumfang), zur körperlichen Belastung,
um eine Verdachtsdiagnose zu erhalten. Im dritten Schritt wird eine portable Untersuchung
auf schlafbezogene Atmungsstörungen durchgeführt. Bleibt das Ergebnis dieser gewöhnlich
ambulant oder als Konsil durchgeführten Untersuchung unklar oder liegen weitere Erkrankungen
vor, die eine Interpretation der Ergebnisse erschweren (COPD, respiratorische Insuffizienz,
Herzinsuffizienz, neurologische Erkrankungen), dann muss eine Untersuchung im Schlaflabor
mit überwachter kardiorespiratorischer Polysomnografie erfolgen. Das bedeutet, dass
der letzte Schritt der Diagnostik im Schlaflabor einer kleineren Untergruppe vorbehalten
bleibt. Es bedeutet aber auch, dass genügend Schlaflabore verfügbar sein müssen, die
diesen letzten Schritt mit der vollständigen schlafmedizinischen Expertise anbieten
können. Die Patienten, die zu dieser Schlaflabor-Diagnostik kommen, sind gewöhnlich
Patienten mit Begleiterkrankungen, die eine aufwändige Betreuung erfordern und dadurch
nicht allein eine Polysomnografie erhalten, sondern darüber hinaus Untersuchungen
am Tage zu ihren Begleiterkrankungen.
Kardiorespiratorische Polysomnografie
Kardiorespiratorische Polysomnografie
Die Referenz für alle Untersuchungen im Schlaflabor und für portable Untersuchungen
ist die kardiorespiratorische Polysomnografie mit Überwachung im zertifizierten Schlaflabor.
Die Empfehlungen zur Ableitung und Aufzeichnung der physiologischen Signale des Schlafenden
sind in einem internationalen Manual für die Aufzeichnung und Auswertung festgehalten
[5]. Das Manual stellt eine Erweiterung einer älteren Empfehlung zur Aufzeichnung und
Auswertung nur des Schlaf-EEGs dar. So sind neben Empfehlungen zum EEG, EOG, und EMG
auch Empfehlungen zur Aufzeichnung der Atmung, der Sauerstoffsättigung und der Bewegung
der Gliedmaßen enthalten. Die Körperlage muss auch aufgezeichnet werden, und eine
Videoüberwachung mit der Möglichkeit der Aufzeichnung ist ebenfalls erforderlich.
Das Manual ist das Ergebnis eines evidenzbasierten Begutachtungsprozesses der existierenden
Literatur ([Tab. 1]). Damit stellt diese Referenzmethode eine valide und gesicherte Diagnostik dar,
die als Referenz herangezogen werden kann.
Tab. 1
Übersicht über die Review Publikationen zur überwachten kardiorespiratorischen Polysomnografie.
Das Ergebnis des evidenzbasierten Prozesses ist ein Manual zur Aufzeichnung und Auswertung
des Schlafes [5].
Studientitel
|
Autoren
|
Jahr
|
Studienart
|
Ergebnis
|
The visual scoring of sleep in adults
|
Silber M et al. [39]
|
2007
|
Metaanalyse von 26 Studien nach einer Begutachtung von mehr als 1000 Studien
|
Schlafstadien Auswertung
|
Digital analysis and technical specifications
|
Penzel T et al. [37]
|
2007
|
Metaanalyse von 119 Studien nach einer Begutachtung von 154 Studien
|
Technische Empfehlungen und Hinweise für eine automatische Schlafanalyse
|
The scoring of arousal in sleep
|
Bonnet MH et al. [34]
|
2007
|
Metaanalyse von 122 Studien nach einer Begutachtung von 2415 Studien
|
Arousal-Auswertung
|
The scoring of cardiac events during sleep
|
Caples SM et al. [35]
|
2007
|
Metaanalyse von 14 Studien nach einer Begutachtung von 285 Studien
|
EKG und kardiovaskuläre Signale
|
Movements in sleep
|
Walters AS et al. [40]
|
2007
|
Metaanalyse von 44 Studien nach einer Begutachtung von 81 Studien
|
Bewegungsauswertung
|
The scoring of respiratory events in sleep
|
Redline S et al. [38]
|
2007
|
Metaanalyse von 182 Studien nach einer Begutachtung von 2298 Studien
|
Empfehlungen zur Auswertung der Atmung
|
The visual scoring of sleep and arousal in infants and children
|
Grigg-Damberger M et al. [36]
|
2007
|
Metaanalyse von 344 Studien
|
Polysomnografie bei Kindern
|
Selbst bei diesem schlafmedizinischen Standard sind noch eine Reihe von Fragen offen
geblieben. So ist noch nicht geklärt, welches der zusätzliche Wert der Schlafauswertung
Epoche für Epoche bei den schlafbezogenen Atmungsstörungen ist. Womöglich reicht für
klinische Zwecke eine Einteilung in Wach, Leichtschlaf, Tiefschlaf und REM-Schlaf
aus. Um den klinischen Wert der differenzierten Schlafparameter zu ermitteln, müssen
die berechneten Größen (Schlafdauer, Schlafeffizienz, Prozente der Schlafstadien,
Latenzen) in einen Zusammenhang mit klinischen Outcome-Parametern gebracht werden.
Es bleibt ebenfalls offen, welche Bedeutung die Unterscheidung von Apnoen und Hypopnoen
auf klinische Outcome-Parameter hat.
Bezogen auf die schlafbezogenen Atmungsstörungen sind die Pathomechanismen der Schlaffragmentation
und der rezidivierenden Arousal inzwischen gut verstanden, deren klinische Bedeutung
ist aber noch nicht komplett geklärt. In verschiedenen Studien wurde belegt, dass
die Schlaffragmentation und die Arousal mit Schläfrigkeit am Tage einhergehen, wobei
es auch keine lineare Korrelation zu geben scheint [6]
[7]. Ebenso ist der Zusammenhang zwischen nächtlichen Hypoxien und dem kardiovaskulären
Risiko nicht ein einfacher linearer, es spielen Schlaffragmentation und erhöhter Sympathikus
ebenfalls eine Rolle [8].
Das Favorisieren einer kardiorespiratorischen Polysomnografie bei der Diagnostik der
schlafbezogenen Atmungsstörungen leitet sich genau von den noch nicht vollständig
geklärten Zusammenhängen ab. Solange die Zusammenhänge zwischen dem individuellen
kardiovaskulären Risiko eines Patienten und den beobachteten Parametern der Polysomnografie
nicht linear sind, solange kann eine umfassende Polysomnografie dazu beitragen, das
diagnostische Bild vollständig zu erfassen. Wir müssen die Schlafdauer, die Schlaffragmentation,
die Arousal, die Apnoen, Hypopnoen und Hypoxien quantitativ erfassen und für die Bewertung
des individuellen Risikos heranziehen.
Portable Schlafapnoe-Diagnostik
Portable Schlafapnoe-Diagnostik
Portable Diagnostik zur Untersuchung von schlafbezogenen Atmungsstörungen ist gegenüber
der überwachten kardiorespiratorischen Polysomnografie weniger aufwendig und damit
kostengünstiger. Es werden weniger Signale aufgezeichnet. Die Messung zuhause belegt
nicht Krankenhaus- oder andere institutionelle Betten. Die Anzahl der von einer Einrichtung
eingesetzten Systeme kann dadurch höher sein und ist durch die Zeit des Anlegens und
Auswertens beschränkt und nicht durch die Anzahl der verfügbaren Betten. Die portable
Schlafdiagnostik wurde in vier Klassen eingeteilt ([Tab. 2]) [9]. Diese vier Klassen wurden in späteren Übersichtsarbeiten zu aktuellen Systemen
wieder aufgegriffen [10]
[11].
Tab. 2
Klassen der portablen und der nicht-portablen Schlafdiagnostik.
Klasse
|
Bezeichnung
|
Charakteristika
|
1
|
überwachte kardiorespiratorische Polysomnografie
|
Polysomnografie mit mindestens 7 Signalen. Überwachung durch geschultes schlafmedizinisches
Personal. Folgt den AASM Kriterien [5].
|
2
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kardiorespiratorische Polysomnografie
|
Polysomnografie mit mindestens 7 Signalen. Keine Überwachung, kann zuhause durchgeführt
werden. Keine Intervention. Folgt den AASM Kriterien [5].
|
3
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Polygrafie/portable Schlafapnoe- Diagnostik
|
Polygrafie mit mindestens 4 bis 6 Signalen für Atmung, Sauerstoffsättigung, Herzfrequenz,
Körperlage. Nicht an einen Ort gebunden.
|
4
|
Vordiagnostik, Aktigrafie
|
Untersuchung mit 1 bis 3 Signalen für unterschiedliche Fragestellungen zu Schlafstörungen
(Langzeit-EKG, Langzeit-Blutdruck, Langzeit-EEG, Schlafapnoe-Vordiagnostik, Aktigrafie).
Option zum Screening.
|
Die Klasse 1 wurde als Referenzmethode bereits weiter oben vorstellt. Die Klasse 2
entspricht vom apparativen her der Referenzmethode und ist in der Praxis Forschungsfragen
vorbehalten, da der Aufwand eher noch größer als bei der überwachten Polysomnografie
ist. Die Sensoren müssen nämlich so gut befestigt werden, dass sie während der Aufzeichnung
nicht korrigiert oder neu befestigt werden müssen. Die Klasse 3, die Polygrafie oder
portable Schlafapnoe-Diagnostik, in Deutschland häufig „Schlafapnoe-Screening“ genannt
(es handelt sich nicht um ein Screening im epidemiologischen Sinn), ist die wirtschaftlich
sinnvolle Diagnostik von Patienten mit schlafbezogenen Atmungsstörungen. Diese Diagnostik
ist in den oben genannten BUB-Richtlinien zur Diagnostik von schlafbezogenen Atmungsstörungen
vorgesehen und zugelassen [4]. Die Klasse 4 umfasst Systeme, die noch weniger Signale aufzeichnen und oft eine
gute Abschätzung von schlafbezogenen Atmungsstörungen erlauben. Sie bieten für die
Diagnostik der schlafbezogenen Atmungsstörungen jedoch keine ausreichende Sicherheit,
um eine Therapie einzuleiten.
Ein wichtiger Aspekt in der Diskussion zur Rolle der portablen Schlafapnoe-Diagnostik
und der überwachten kardiorespiratorischen Polysomnografie ist der gesundheitsökonomische
Kostenaspekt. Hierzu gibt es eine Analyse von Chervin, der auf der Basis der amerikanischen
Kosten für kardiorespiratorische Polysomnografie, portable Schlafapnoe-Untersuchung
und auf der Basis der Diagnoseungenauigkeiten von Geräten Ende der 1990er-Jahre eine
Kosten-Nutzen-Rechnung erarbeitete. Es wurden die überwachte kardiorespiratorische
Polysomnografie, die portable Schlafapnoe-Diagnostik und die Therapieindikation allein
auf der Basis des klinischen Verdachts in der Kosten-Nutzen-Analyse verglichen. Unter
Einbeziehung des Nutzens in Form von QALYs (Quality adjusted life years) und der Kosten
notwendiger sowie unnötig verordneter CPAP-Therapie ergibt sich eine ökonomische Überlegenheit
der Polysomnografie [12]. Nun ist auch diese Modellrechnung an sich kritisierbar und bezüglich der Kosten
nicht auf Deutschland übertragbar. Zudem hat sich die Qualität der portablen Systeme
weiterentwickelt. Die Auffassung, dass die direkte Untersuchung mit kardiorespiratorischer
Polysomnografie günstiger ist als erst eine vorgeschaltete Polygrafie, ist weiter
vorhanden. Nur eine neue ökonomische Untersuchung in einem vorgegebenen Umfeld mit
aktuellen Geräten kann hier Klarheit bringen.
In vielen Ländern und insbesondere in den USA war eine Diagnostik von schlafbezogenen
Atmungsstörungen ausschließlich durch die Klasse 1 vorgesehen. Dies wurde immer wieder
durch evidenzbasierte Übersichten bestätigt. Ross et al. 2000 haben im Auftrag des
Health Technology Assessment (HTA) Studien mit Geräten der Klasse 3 analysiert und
festgestellt, dass Sensitivität und Spezifität so schlecht waren, dass die Geräte
nicht zur Diagnostik von Schlafapnoe infrage kamen [13]. Sie berichteten aus den Studien bis zu 17 % falschnegative und zwischen 2 % und
31 % falschpositive Diagnosen von Schlafapnoe. Erst 2007 kam eine neue Übersicht aktueller
Studien von Collop et al. zum Schluss, dass unter genau vorgegebenen Bedingungen,
wie sie in den Artikeln dokumentiert wurden, doch eine sehr gute Sensitivität und
Spezifität auf schlafbezogene Atmungsstörungen erzielt werden kann [14]. Diese Arbeit führte zu einem Wechsel der Diagnostik der Schlafapnoe in den USA,
der jedoch noch einige Zeit in Anspruch nahm. Seit 2011 wird die Diagnostik der Schlafapnoe
in den USA auch ambulant durchgeführt. Eine Konsensus-Konferenz der American Thoracic
Society (ATS), der American Academy of Sleep Medicine (AASM), des American College
of Chest Physicians (ACCP) und der European Respiratory Society (ERS) hat die Möglichkeiten
und Grenzen der portablen Schlafapnoe-Diagnostik erörtert und in Empfehlungen festgehalten
[15]. Es wurden auch offene Forschungsfragen identifiziert. Dazu gehört die oben genannte
gesundheitsökonomische Untersuchung zur Rolle der Polysomnografie und Polygrafie.
Bei den Fragen blieb die Rolle der Klasse-4-Geräte komplett offen.
Die entscheidenden Randbedingungen, die durch Collop et al. identifiziert wurden und
eine portable Diagnostik der schlafbezogenen Atmungsstörungen mit guter Sensitivität
und Spezifität erlauben, lassen sich unter dem Stichwort der hohen Prätest-Wahrscheinlichkeit
zusammenfassen [14]. In den bei dem Review herangezogenen Studien wurden immer Patienten untersucht,
die schon den Weg zur Schlafmedizin gefunden hatten oder spezielle Risikogruppen darstellten.
D. h. diese Patienten waren durch Beschwerden und Symptome auffällig geworden. Es
handelte sich also nicht um Bevölkerungsstichproben. Bei einer solchen Vorselektion
ergab sich dann mit unterschiedlichen Systemen eine hohe Sensitivität und Spezifität.
Die Vorselektion lässt sich durch die folgenden Beschwerden und Symptome prozeduralisieren:
(1) lautes und unregelmäßiges Schnarchen, (2) beobachtete oder berichtete nächtliche
Atmungsstillstände, (3) exzessive Tagesschläfrigkeit in ungewollten Situationen, (4)
unspezifische psychische Probleme wie Abgeschlagenheit, Müdigkeit, Leistungsknick,
(5) überdurchschnittlich viel Bewegungen im Schlaf, Schwitzen, (6) morgendlicher Kopfschmerz
und Benommenheit, trockener Mund, (7) sexuelle Funktionseinschränkungen, (8) Übergewicht,
(9) arterielle Hypertonie, nächtliche Herzrhythmusstörungen.
Randbedingungen portabler Diagnostik
Randbedingungen portabler Diagnostik
Aus der Notwendigkeit einer hohen Prätest-Wahrscheinlichkeit haben dann Collop et
al. ihre Randbedingungen hergeleitet [14]. Ihre Empfehlungen sind im Einzelnen:
(1) Systeme zum portablen Schlafapnoe-Monitoring sollen nur von zertifizierten Schlafmedizinern
eingesetzt werden, die an Schlafmedizinischen Zentren tätig sind. Die Schlafmediziner
können eine gezielte schlafmedizinische Anamnese erheben und dadurch die geforderte
Prätest-Wahrscheinlichkeit erhöhen.
(2) Eine portable Schlafapnoe-Diagnostik wird empfohlen, wenn keine komorbide pneumologische,
kardiovaskuläre, psychiatrische, neurologische Störung und keine neuromuskuläre Erkrankung,
keine Herzinsuffizienz und keine andere Schlafstörung vorliegt. Andere Schlafstörungen
wären zentrale Schlafapnoe, periodische Beinbewegungen im Schlaf, Insomnie, zirkadiane
Schlaf-Wach-Rhythmusstörungen und Narkolepsie.
(3) Gemäß den publizierten Studien können die portablen Systeme nicht mit Sicherheit
zwischen obstruktiven und zentralen Schlafapnoe-Ereignissen unterscheiden.
(4) Ambulante Systeme für die Schlafapnoe-Diagnostik müssen die folgenden Signale
aufzeichnen: oronasalen Luftfluss mittels nasaler Staudrucksensoren oder Thermistoren,
Atmungsbewegungen mittels Induktionsplethysmografie, Sauerstoffsättigung mit einer
kurzen Pulsmittelwertbildung (über drei bis sechs Pulse), Puls- oder Herzfrequenz
und Körperlage.
(5) Die Auswertung der Aufzeichnungen muss visuell erfolgen und soll den gleichen
Regeln folgen, die für die Auswertung der Atmung bei der Polysomnografie gelten [5]. Ein Editieren der ausgewerteten Ereignisse ist erforderlich, um Artefakte während
der Aufzeichnungsdauer zu beseitigen. Daher soll die visuelle Auswertung durch schlafmedizinisch
geschultes Personal erfolgen.
(6) Die technischen Spezifikationen und die Abtastraten für die digitale Aufzeichnung
bei den Polygrafie-Geräten sollen die gleichen sein, wie sie für die kardiorespiratorische
Polysomnografie gelten.
Heute erfüllen zahlreiche Systeme diese Anforderungen. Alle Geräte haben ein Pulsoximeter
integriert, und die meisten Geräte zeichnen den Luftfluss über nasale Staudrucksensoren
auf. Die Atmungsbewegung wird bei vielen Systemen noch mit einfachen Piezosensoren
abgeleitet. Jedoch bieten die meisten Systeme auch eine Induktionsplethysmografie
für die Atmungsbewegungen an. Viele Systeme zeichnen nur thorakale Atmungsbewegungen
mit einem Gürtel auf, um das Anlegen der Polygrafen zu vereinfachen bzw. ein Selbstanlegen
durch den Patienten zu ermöglichen. Alle Systeme zeichnen die Körperlage auf. Nur
wenige Systeme zeichnen das EKG bzw. die daraus abgeleitete Herzfrequenz auf. Die
meisten Systeme zeichnen die Pulsfrequenz auf, die vom Pulsoximeter mitgeliefert wird.
Diese kann Herzrhythmusstörungen nicht identifizieren. Zusätzlich bieten die meisten
Systeme an, optional den CPAP bzw. den Beatmungsdruck mit aufzuzeichnen. Diese Option
ist ganz wesentlich für ambulante Therapie-Kontrolluntersuchungen und sollte nicht
fehlen.
Die Differenzierung von zentralen und obstruktiven Schlafapnoe-Ereignissen ist ein
Thema großen Interesses, da Patienten mit Herzinsuffizienz mehr zentrale Schlafapnoe
aufweisen als andere Patienten. Nun sind nach den Empfehlungen von Collop et al. Patienten
mit Herzinsuffizienz explizit von einer portablen Diagnostik auf Schlafapnoe ausgenommen
[14]. Es fehlen also in diesem Bereich noch Studien, die die Sensitivität und Spezifität
portabler Systeme bei diesen Patienten belegen. Da viele Systeme die Atmungsbewegungen
nur mit einem Gürtel aufzeichnen, ist es nicht erstaunlich, dann auch obstruktive
und zentrale Apnoe-Ereignisse nicht ausreichend differenzieren zu können. Womöglich
ist eine Untergruppe spezieller Systeme doch in der Lage, zentrale und obstruktive
Apnoe-Ereignisse zu unterscheiden. Dies ist jedoch noch nicht belegt.
Einige wenige Systeme bieten an, das EMG der Beine aufzuzeichnen, um nächtliche Beinbewegungen
zu diagnostizieren. Dies ist sicher eine hilfreiche Option. Jedoch fehlen noch systematische
Studien zu dieser Option. Ebenso fehlen noch systematische Studien zur Option einer
gleichzeitigen EKG oder Blutdruckmessung. Bezogen auf die erforderlichen technischen
Spezifikationen gibt es nur noch geringe Unterschiede in Sensitivität und Spezifität
der Geräte, sodass keinem System eine ausdrückliche Präferenz gegeben werden kann.
Neue Systeme für portable Schlafapnoe-Untersuchungen
Neue Systeme für portable Schlafapnoe-Untersuchungen
Vergleichende Untersuchungen zu Systemen mit weniger Parametern, zu Systemen der Klasse
4, zeigten, dass diese nicht für eine Diagnose von Schlafapnoe geeignet sind. In [Tab. 2] wurden bereits das Langzeit-EKG, die Langzeit-Blutdruckmessung und die Aktigrafie
genannt. Die Aktigrafie ist zur quantitativen Erfassung von Schlaf-Wachzeiten zusätzlich
zu einem Schlaftagebuch sehr gut geeignet [2]. Schlafbezogene Atmungsstörungen werden durch eine Aktivitätsauswertung in einem
Raster von 1-Minuten-Abschnitten nicht erfasst. Nächtliche Herzrhythmusstörungen und
nächtlicher Blutdruckanstieg können gute Hinweise auf das Vorliegen von schlafbezogenen
Atmungsstörungen geben. Diagnostische Instrumente für eine Schlafapnoe sind diese
Systeme jedoch nicht.
Viele technische Entwicklungen versuchen mit wenigen Signalen eine gute Vorhersage
auf Schlafapnoe zu erzielen. Eine möglichst gute Aufzeichnung des nasalen Luftflusses,
kombiniert mit einer Pulsoximetrie, ist eine reduzierte diagnostische Möglichkeit,
die ökonomisch unter Verzicht auf Redundanzen nächtliche Atmungsereignisse aufzeichnet
[16]. Dabei wird versucht, den Luftfluss auch auf Schnarchen hin zu analysieren. Das
charakteristische intermittierende Schnarchen und womöglich einzelne Komponenten der
Schnarchgeräusche werden auf Sensitivität und Spezifität hin untersucht [17]. Die Entwicklung dieser Arbeitsgruppe basiert auf umfangreichen Erfahrungen aus
der Lungengeräuschanalyse. Einige Ingenieure versuchen die Auswertung der Pulsoximetrie
alleine zu optimieren und aus der Pulsfrequenz die apnoespezifische zyklische Variation
der Herzfrequenz zu erkennen [18]. Dies ist jedoch nicht ganz einfach, weil die Pulsfrequenz ebenso wie die Sauerstoffsättigung
gewöhnlich über einige Pulschläge gemittelt ist. Die Mittelung ist bedingt durch das
Verfahren, indirekt am Finger den Pulsschlag abzunehmen. Und am Finger finden sich
mehr Bewegungsartefakte als bei einer direkten elektrophysiologischen EKG-Aufzeichnung.
Das EKG bietet einmal die Möglichkeit einer Erkennung von schlafbezogenen Atmungsstörungen
über die zyklische Variation der Herzfrequenz. Die zyklische Variation der Herzfrequenz
mit relativen Bradykardien während der Apnoephasen und relativen Tachykardien während
der intermittierenden Hyperpnoe-Phasen ist eine Folge der autonomen Regulation, die
mit jedem einzelnen Apnoeereignis einher geht. Sofern nicht andere Erkrankungen die
Regulation der Herzfrequenz massiv beeinflussen, ist dieses Muster sehr charakteristisch
für Schlafapnoe [19]. Darüber hinaus zeigt das EKG aber noch andere spezifische Veränderungen bei Schlafapnoe.
Die Amplitude der R-Welle und der T-Welle ändern sich mit jedem Atemzug durch die
mechanische Änderung der Herzachse bei der Atmung [20]. Es kann also aus den Änderungen der R-Wellen-Amplitude eine Atmung berechnet werden,
die sogenannte „electrocardiographic derived respiration (EDR)“. Bei der obstruktiven
Schlafapnoe ist diese Amplitudenschwankung durch die massiven intrathorakalen Druckschwankungen
sogar noch verstärkt. Werden beide Informationen, die zyklische Variation der Herzfrequenz
und die EDR, kombiniert, so lässt sich die Schlafapnoe aus dem EKG mit überraschender
Genauigkeit in Bezug auf Sensitivität und Spezifität bestimmen – sofern nicht weitere
kardiovaskuläre Erkrankungen vorliegen [21]. Die Kombination dieser beiden aus dem EKG berechneten Komponenten ist deswegen
so stark und aussagekräftig, weil es sich um eine Kombination von zwei komplett unabhängigen
Einflüssen, nämlich autonomes System und Herzmechanik, handelt. Die Herzfrequenz bietet
darüber hinaus noch weitere Informationen zum autonomen System. Sie variiert mit den
Schlafstadien, bezogen auf Wach, Leichtschlaf, Tiefschlaf und REM-Schlaf. Es kann
also eine ungefähre Abschätzung des Schlaf-Wachrhythmus vorgenommen werden [22].
Als Konsequenz der sehr hilfreichen Informationen aus dem EKG und aus der Pulsoximetrie
entstanden mehrere Studien zur Kombination beider Signale [23]
[24]. Komplexe statistische Analysen des EKG und der Herzfrequenz ergeben eine hohe Zuverlässigkeit
bei der Bestimmung von Apnoeereignissen [25]. Dabei werden die mit den Apnoen einhergehenden Desaturationen aus der Pulsoximetrie
bestimmt und quantitativ angegeben. Und aus dem EKG wird konfirmatorisch die Atmung
bestimmt und darüber hinaus auch noch eine Schlaf-Wach-Abschätzung vorgenommen [26].
Ein anderer Ansatz leitet über den peripheren Gefäßtonus den autonomen Tonus bei Schlafapnoe
ab und kombiniert dieses Signal mit der Sauerstoffsättigung [27]
[28]. Der periphere arterielle Gefäßtonus, kombiniert mit Sauerstoffsättigung und Aktigrafie,
ist als einziges Drei-Kanal-System in den USA zur frühen Diagnostik von schlafbezogenen
Atmungsstörungen zugelassen. Dies liegt an den zahlreichen Validierungsstudien von
unabhängigen Arbeitsgruppen, die mit guten Ergebnissen den Wert dieser indirekten
Technologie im Vergleich zur Polysomnografie belegen. Eine besondere Stärke des autonomen
peripheren Gefäßtonus liegt in der Erfassung der autonomen Arousal. Und daher wird
die Sauerstoffsättigung mit den Entsättigungen als Korrektiv heran gezogen, um die
Anzahl der abgeschätzten Schlafapnoe-Ereignisse zu verbessern. Aus der Aktigrafie
erfolgt eine Abschätzung der Schlafzeit. Und zusätzlich erfolgt aus der Variation
der Pulsfrequenz eine Schätzung für REM und non-REM-Schlaf, ähnlich, wie dies auch
aus der Herzfrequenz erfolgen kann.
Ein komplett anderes Verfahren untersucht die Bewegungen des Kiefers und damit indirekt
des Muskeltonus zur Erfassung von Schnarchen, Schlafapnoe und Schlaf-Wachrhythmus
[29]
[30]. Mit kleinen Magnetsensoren am Kopf und am Kiefer werden die Bewegungen des Kiefers
relativ zum Schädel gemessen und analysiert. Besonders beeindruckend ist die Möglichkeit,
durch das Nachlassen der Muskelspannung sogar den Einschlafvorgang zu erfassen [31]. Dieses neuartige Verfahren wurde bisher noch wenig außerhalb der erfindenden Arbeitsgruppe
erprobt. Daher sind weitere Validierungen erforderlich, ehe eine definitive Bewertung
vorgenommen werden kann.
Zusammengefasst kann festgehalten werden, dass zahlreiche Methoden zur indirekten
diagnostischen Erfassung der Schlafapnoe entwickelt wurden und weiter entwickelt werden.
So sind derzeit auch berührungslose Verfahren zur Erfassung der Bewegungen der Atmung
und des Herzschlages in Entwicklung. Die modernen technischen Möglichkeiten bieten
hier noch viele Optionen, die aber immer kritisch gegenüber der Referenz im Schlaflabor
evaluiert werden müssen.
Diskussion
Die kardiorespiratorische Polysomnografie ist evidenzbasiert und ausgereift zur Diagnostik
von Schlafstörungen. Die Polygrafie bzw. das portable Monitoring zur Diagnostik der
Schlafapnoe ist ebenfalls gut definiert, ausgereift und als diagnostisches Instrument
für die Schlafapnoe unter gut angegebenen Randbedingungen evidenzbasiert geeignet.
Offen bleibt an dieser Stelle die Frage nach einer quantitativen Auswertung der Prätest-Wahrscheinlichkeit.
Welcher Faktor spielt welche Rolle? Lässt sich ein Algorithmus für eine Gewichtung
der Prätest-Wahrscheinlichkeit erarbeiten?
Die neuen Systeme, die mit weniger Signalen auskommen, sind oft deutlich einfacher
und womöglich auch kostengünstiger. Inwieweit sie geeignet sind, auch eine Diagnostik
von Schlafapnoe mit guter Sensitivität und Spezifität zu erzielen, muss noch weiter
in Studien evaluiert werden.
Ein Instrument zum Screenen (im epidemiologischen Sinn) auf Schlafapnoe bei Probanden
ohne Beschwerden und Symptome (wie z. B. jeder Bus- oder LKW Fahrer) ist gemäß der
Literatur noch nicht identifiziert und validiert. Diese Untersuchungen stehen noch
aus und haben hohe Relevanz aufgrund der Konsequenz exzessiver Schläfrigkeit bei den
Schlafapnoe-Patienten. Hierfür sind aufgrund des niedrigeren Aufwandes und der niedrigen
Kosten die Systeme mit wenigen Signalen besonders interessant. Es ist sehr gut möglich,
dass Geräte der oben genannten Klasse 4 hierfür gut geeignet sind. Für Screening-Fragestellungen
muss insbesondere eine hohe Sensitivität gewährleistet sein. Gleichzeitig darf die
Spezifität nicht sehr schlecht sein, da dies unnötige Kosten für weitere Untersuchungen
hervorrufen würde.
Insgesamt gesehen haben wir ein sehr gutes diagnostisches Instrumentarium zur Verfügung,
und basierend darauf ist heute zu überlegen, welches System welche Rolle im Prozess
der schlafmedizinischen Diagnostik einnehmen kann [32]
[33]. Das schlafmedizinische Instrumentarium soll in der Hand schlafmedizinisch ausgebildeter
Ärzte bleiben. Die Diagnostik der Schlafapnoe wird womöglich auch in den USA nicht
mehr nur von schlafmedizinischen Zentren durchgeführt. Diese gesundheitsökonomischen
Fragen sind in Hinblick auf die Verteilung begrenzter Ressourcen heute die vordringlichen
Forschungsfragen, wie auch vom Workshop zur Diagnostik schlafbezogener Atmungsstörungen
festgehalten wurde [15]. Um Antworten auf diese Fragen zu finden, sind Studien in den jeweils regional gültigen
Gesundheitssystemen mit den aktuellen diagnostischen Geräten und deren Validität und
Reliabilität erforderlich.