DO - Deutsche Zeitschrift für Osteopathie 2013; 11(1): 31
DOI: 10.1055/s-0032-1328014
praxis
Karl F. Haug Verlag in MVS Medizinverlage Stuttgart GmbH & Co. KG Stuttgart · New York

Patienteninfo: Unterstützung eines Kindes nach einem Trauma

Alexander Korittko , Paar- und Familientherapeut, Trauma-Experte
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Publication Date:
24 January 2013 (online)

Wird ein Kind durch ein plötzliches Ereignis in seiner körperlichen oder seelischen Existenz gefährdet, spricht man von einer Traumatisierung. Ein Trauma kann ausgelöst werden durch einen Unfall, einen Tierangriff, den Tod eines geliebten Familienmitglieds oder Haustiers, aber auch, wenn man allein gelassen wird, z. B. im Krankenhaus. Schmerzhafte medizinische Behandlungen können ebenfalls traumatisierend wirken.

Bei einer solchen Bedrohung reagieren Menschen mit Kampf oder Flucht, um das Überleben zu sichern. Doch Kinder können i. d. R. nicht gut gegen lebensbedrohliche Situationen ankämpfen. Sie reagieren dann mit einer 3. Möglichkeit: sie erstarren. Dabei werden wesentliche Teile des ZNS in „Betriebsurlaub“ geschickt, denn die komplizierten Denkvorgänge der äußeren Hirnrinde würden erforderliche Handlungen nur behindern. Das Erlebnis wird nur bruchstückhaft wahrgenommen: ein Geräusch, ein Geruch oder ein Anblick. Leider werden diese Fragmente so unspezifisch gespeichert, dass das Gehirn schon Alarm schlägt, wenn nur eine geringe Ähnlichkeit mit der ursprünglichen Bedrohung vorliegt. Das traumatische Ereignis wird dabei durch Erinnerungssplitter immer wieder als akut lebensbedrohlich wahrgenommen. Wer einen Beinahe-Unfall an einer Ampel erlebt hat, kann bei jeder Ampel in Angst und Schrecken geraten; wenn ein Kind allein gelassen wurde, bekommt es vielleicht panische Angst, wenn sich die Mutter nur ein paar Meter entfernt.

Manche reagieren dann immer wieder mit Kampf oder Flucht, andere mit Erstarren oder mit völligem Abschalten jeglicher Wahrnehmung nach außen und innen (Dissoziation). Kinder, die sich plötzlich aus gegenwärtig nicht erklärbaren Gründen übererregt verhalten oder völlig abschalten, mögen in diesem Moment durch etwas an eine frühere traumatische Erfahrung erinnert sein.

In den ersten Wochen nach einem traumatischen Ereignis sind bestimmte Verhaltensweisen völlig normal: Albträume, lebhafte Rückerinnerungen am Tage, Fragen nach Schuld, neu auftauchende Ängste, Vermeiden daran zu denken oder darüber zu sprechen, Schlafstörungen und Rückzug von Aktivitäten, die früher Freude gemacht haben. Gute Erste-Hilfe-Maßnahmen in den ersten Wochen sind:

Halten Sie einen vorhersehbaren Tagesablauf ein:

  • sich täglich wiederholende Struktur mit festen Zeiten für alle Aktivitäten

  • falls Veränderungen notwendig sind, dem Kind vorher Bescheid geben

  • Ziel: Das Kind bekommt Vertrauen in die Vorhersagbarkeit des Alltags und in die Zukunft.

Seien Sie auf eine angemessene Weise warmherzig:

  • Umarmungen, wenn das Kind danach verlangt

  • nicht das Spiel des Kindes unterbrechen, um es in den Arm zu nehmen

  • Ziel: Traumatisierte Kinder benötigen Zeit für sich allein sowie Zeit und Unterstützung von anderen, aber in einem selbstbestimmten Rhythmus.

Besprechen Sie Erwartungen an das Verhalten mit dem Kind:

  • klare Regeln aufstellen

  • Konsequenzen besprechen

  • Belohnungen nutzen, wenn Regeln eingehalten werden

  • Ziel: Das Kind muss wieder erfahren, dass angekündigte Dinge eintreffen und nicht plötzliche, schreckliche Dinge.

Sprechen Sie mit Ihrem Kind:

  • über das, was passiert ist

  • wie es Ihnen selbst damit geht

  • was Sie tun werden, damit sich das traumatisierende Ereignis sich nicht wiederholt

  • Ziel: Ihr Kind ist stark verunsichert über die Gefährlichkeit der Welt. Es braucht Informationen, damit Unbekanntes nicht noch mehr zum Schrecken beiträgt. Meist ist die Fantasie des Kindes schlimmer als die Realität. Das Kind muss sich mit dem, was geschehen ist, mit Unterstützung der Eltern auseinandersetzen.

Schützen Sie ihr Kind:

  • vor Aktivitäten, die ihm Angst machen (z. B. Filme)

  • schränken Sie den Medienkonsum ein

  • unternehmen Sie schöne Dinge mit Ihrem Kind

  • Ziel: Das Kind benötigt positive Erlebnisse, auf die es selbst Einfluss hat, anstelle von unkontrollierbaren und hektischen Aktivitäten.

Geben Sie dem Kind eine Wahl und ein Gefühl von Kontrolle:

  • traumatisierte Kinder, die Situationen nicht kontrollieren können, werden schwieriger

  • hat ein Kind eine Wahl, erlebt es eigene Möglichkeiten der Kontrolle

  • Ziel: Eine einfache Struktur gibt dem Kind ein Gefühl von Kontrolle in diffusen Situationen, in denen das Kind einen Kontrollverlust empfindet und ängstlich wird.

Falls die oben beschriebenen Symptome und Verhaltensweisen länger als 2 Monate anhalten, ist es gut, sich an eine Erziehungsberatungsstelle oder einen Kinderpsychotherapeuten zu wenden.

Mit den besten Grüßen überreicht durch

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